Volltext Seite (XML)
Diesen Zusammenhang, den man wohl ahnte und andeutete, konnte man deswegen bisher nicht nachweisen, weil das Bindeglied zwischen Dünnpfennigen und Brak- teaten fehlte. Sonderbar genug, daß ausgerechnet der Fund von Kaschwitz zum ersten Male dieses aufschlußreiche Material ans Licht gebracht haben soll! Sind ähn liche späte Dünnpfennige wirklich noch nicht vorgekommen? Liegen die vermißten Bindeglieder unerkannt und unveröffentlicht in den Kabinetten? Verständlich wäre es; denn die häßlichen Stücke scheinen eine Abbildung und Beschreibung nicht zu lohnen und widersetzen sich einzeln — soviel ergibt die nähere Betrachtung — ihrer Zuteilung an ein bestimmtes Land und einen bestimmten Münzherrn. Als letzte Entwicklungsstufe einer Verfallsreihe haben sie noch teil an der sich immer mehr steigernden Häßlichkeit der Münzen des ausgehenden 11. und beginnenden 12. Jahrhunderts. Daß in wenigen Jahrzehnten, ja fast nur Jahren, aus den rohen Frühbrakteaten die herrlichen Brakteaten des späten 12. und beginnenden 13. Jahr hunderts entstehen konnten, ist ein Zeichen dafür, wie der Aufschwung des Kunst verlangens der Hohenstaufenzeit sich nicht nur der Baukunst und Bildhauerkunst, sondern auch der Kleinplastik, eben der Münzkunst, bemächtigte, um ihrem Ge staltungswillen und ihrer Gestaltungskraft Form zu verleihen. Es bleibt die Frage offen, was der Anlaß der besprochenen Entartung der Präge technik gewesen sein mag. War der Anlaß der gleiche, wie bei der Entartung der späten Brakteaten nach 1250, die immer flüchtiger, immer roher, immer mehr zur Massenware wurden, nur damit der immer größer werdende Ertrag der Silbergruben ausgemünzt werden konnte? Wir wissen es nicht; die Vermutung liegt aber nahe. Zusammengehörigkeit der Vorder- und Rückseiten Bei einer normalen Münze ist die Zusammengehörigkeit der Vorder- und Rückseiten kein Problem, dem nachzugehen wäre, sondern eine Selbstverständlichkeit. Nicht so bei unseren Kaschwitzer Dünnpfennigen. Hier ist sie allerdings ein Problem; es hat dem Bearbeiter nicht wenig Kopfschmerzen gemacht. Denn die ursprüngliche erste Frage, ob die Kaschwitzer Münzen Brakteaten oder zweiseitige Pfennige wären, oder ob man es gar mit überprägten Brakteaten zu tun hätte, ist nur zu beantworten, wenn der Nachweis gelingt, daß jeder Stempel immer mit demselben anderen zu einem Paare gekoppelt ist. Diese Streitfrage scheint dem Numismatiker eine Lächer lichkeit — aber wir haben es bei den Kaschwitzern eben mit einem absonderlichen Material zu tun, das mitunter auch absonderliche Fragestellung verlangt. Verhältnismäßig einfach liegt der Fall bei der älteren Gruppe Nr. 2 bis 5. Die Sorge ist hier nur, den Kopfstempel zu erkennen, der bei ihnen verwendet wurde. Die Turm seite ist immer deutlich ausgeprägt, im Gegensatz zu der jüngeren Gruppe, bei der einmal die Kopfseite, einmal die Turmseite deutlich ist. Ich bin der Meinung, daß wahrscheinlich alle vier Nummern der älteren Gruppe von dem gleichen Kopfstempel geprägt sind. Doch ist eine abschließende Feststellung schwierig, da Teile des Kopf- Stempels nur dort zu erkennen sind, wo der Stempel der Turmseite sich durch den dünnen Schrötling hindurch gedrückt und dabei das Metall in die Vertiefung des Kopfstempels hineingetrieben hat. Für ausgemacht halte ich es, daß die Kopfstempel für die Nummern 2, 4, 5 gleich sind, d. h., daß man für alle drei Nummern wohl andere Turmstempel verwendete, den Kopfstempel aber beibehielt. Ob die Kopfseite Nr. 3 dem gleichen Stempel entstammt oder einer Nachbearbeitung des undeutlich gewordenen alten Stempels oder gar einem neu angefertigten, möchte ich nicht ent scheiden; am wahrscheinlichsten scheint mir eine Nachbearbeitung. Die Entscheidung ist deshalb schwer, weil die Kopfseiten aller Stempel so schlecht und vor allem so unvollständig erhalten sind, daß ein Vergleich kaum möglich ist. Dieses Beibehalten des Kopfstempels für mehrere Turmstempel ist wohl am einfach sten zu erklären, wenn man annimmt, der Kopfstempel sei der Unterstempel gewesen,