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Nach dem Gesetz der großen Zahl müßten, wenn die vorgetragene Ansicht richtig ist, etwa die Hälfte der Stücke die bessereKopfseite zeigen, die andere Hälfte die bessere Turmseite. Die Zahlen für das im Funde meistvertretene Gepräge Nr. 6 lauten 284 : 282; denn 284 Stück zeigen die bessere Kopfseite, 282 die bessere Turmseite. Die annähernd gleichen Zahlen bestätigen also die geäußerte Meinung. Auch der Sachverständige, der den Fund nicht als Ganzes kennt, wird, wenn man ihm nur einzelne, nach dem Grundsatz der Schönheit und Deutlichkeit ausgelesene Belegstücke vorlegt, sie wahrscheinlich für einwandfreie Brakteaten halten. Dieser Ansicht aber, gleichviel von welcher autoritativen Seite sie je einmal geäußert werden sollte, muß auf Grund eigenen Augenscheins und gewissenhaftester Untersuchung an dieser Stelle von vornherein auf das Entschiedenste widersprochen werden. Notfalls müßte man, wenn es versucht würde, erwägen, auf den für einseitig geprägte Brak teaten gehaltenen Stücken durch eine Röntgenaufnahme den zweimaligen Schlag nachzuweisen. Um jedoch als Denare, die zweiseitigen Silbermünzen der karlingischen, sächsischen und fränkischen Kaiserzeit, bezeichnet zu werden, sind die Münzen bis auf den ein wandfreien Denar Nr. 2 schon zu sehr entstellt. Es bleibt also nur die schon früher für ähnliche Prägungen eingeführte Bezeichnung Dünnpfennige als richtiger Name für die Kaschwitzer Silberlinge übrig. Doch unterscheiden sich die jüngeren Kaschwitzer deutlich von den bisher unter dem Namen Dünnpfennige bekannten Münzen: Die Stempel der bisher bekannten älteren Dünnpfennige, die aus dem Gebiet westlich der Elbe-Saale-Linie stammen, zeigen noch das flache Relief der regelrechten zweiseitigen Pfennige; nur das dünnere Metall der breiter gewordenen Schrötlinge ermöglicht, daß beide Stempel einander gegen seitig stören. Nennen wir diese ältere Gruppe, die im Kaschwitzer Funde mit dessen Nr. 3 bis 5 vertreten ist, mit der Bezeichnung denarartige Dünnpfennige! Bei den Dünnpfennigen der jüngeren Gruppe hat eine ungeübtere Hand die Stempel ge schnitten. Ein flaches Relief zu schneiden ist bekanntlich schwerer als ein stärker hervortretendes Hochrelief. Der Stempelschneider schuf, entweder aus Ungeschick oder aus Flüchtigkeit, Stempel von so starker Plastik, daß die gleichzeitige Prägung mit Ober- und Unterstempel auf einen Schlag nicht mehr möglich war, bei zwei auf einanderfolgenden Schlägen aber ein Bild das andere auslöschen mußte; er arbeitete gleichsam mit zwei Brakteatenstempeln, während seine Vorgänger immer noch mit zwei Denarstempeln gearbeitet hatten. Nennen wir sie im Verlauf dieser Arbeit fortan brakteatenartige Dünnpfennige! Und wenn man für die gewöhnlichen denarartigen Dünnpfennige die unglückliche Bezeichnung Halbbrakteaten für richtig befunden hat, dann sind die Kaschwitzer brakteatenartigen Dünnpfennige — man verzeihe den schlechten Ausdruck! — bereits mindestens Dreiviertelbrakteaten. Wenn wir uns wirklich zu der Bezeichnung Brakteaten verstehen wollten, dann wären die Kaschwitzer Silberlinge zu einem gewissen Teile zwar dem Aussehen nach Brak teaten, aber eben nur dem Aussehen nach; der Entstehung nach, wegen ihrer Prägung von zwei Stempeln, können sie nur als Vorstufe der Brakteaten angesehen werden. Der Weg allerdings von einer Münzart, die trotz Prägung von zwei Stempeln wie ein Brakteat aussieht, zu den eigentlichen Brakteaten, die nicht nur so aussehen, sondern wegen ihrer Prägung von nur einem Stempel wirklich Brakteaten sind, ist nicht mehr weit. Und sollte meine Gewissenhaftigkeit nicht ausgereicht haben und sollten wirklich einzelne nur einseitig geprägte Stücke unter den Kaschwitzern liegen, dann wären schon diese die ersten Brakteaten, versehentlich hergestellte Vorläufer dieser späte ren, absichtlich einseitig geprägten Münzart. Ein Grund vor allen anderen mag später zur absichtlichen Einstellung des zweiten Stempelschlages geführt haben: Dieser war nicht nur vollkommen zwecklos, weil man ja doch nur einen einzigen Stempel erkannte; dessen Abdruck war vielmehr