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Die Ergebnisse der Bearbeitung durch G. Bierbaum gemeinsam mit J. Kretzschmar bringt ein Brief Kretzschmars vom 16. Februar 1943 an den Landespfleger, in dem es heißt: „Die Kanne mit den zwei Henkeln ist ein höchst wichtiges Stück! Parallelen dazu sind mir bekannt aus dem unter- mainisch-mittelrheinischen Gebiet. Zeit: 13./14. Jahrhundert.“ Wenn Kretzschmar schreibt, daß die Kanne ein höchst wichtiges Stück ist, dann nicht nur wegen seiner Seltenheit. Sie mag einst in ihrer Heimat zwischen Frankfurt, Koblenz und Köln angefertigt, mit den Siedlern in unsere Gegend gewandert und hier als Wirtschaftsgefäß benutzt worden sein. Damit dürften die Forschungsergebnisse Paul Seydels, Limbach, durch einen Bodenfund eine weitere Stütze erfahren. Wir wissen, daß das Zwickauer Gebiet nicht allein von einer Welle besiedelt wurde, sondern daß mehrere Siedelströme sich hier berühren und überschneiden. Wohl stammen aus Mainfranken die Haupt siedler, doch das schließt nicht aus, daß auch Rheinfranken in unsere Gegend gekommen sein können. Seydel 1 ) schreibt, „daß das Gebiet zwischen mittlerer Zwickauer Mulde und Chemnitzfluß nebst Nachbarlandschaften seit der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts von Rheinfranken besiedelt worden ist“. Er weist die völlige Übereinstimmung rheinischer Orts- und Geschlechtsnamen mit sächsischen in den genannten Gebieten nach und ebenso die Verwandtschaft in den Mundarten. Hierzu kommt nun weiter ein Bodenfund, der sich diesmal auf den Zwickauer Kreis bezieht. Kretzschmar schreibt in einem späteren Brief, „ ... daß Sie ebenfalls die Übereinstimmung des Gefäßes von Bockwa mit dem Material bei Brückner 2 ) — Brückner zeigt ähnliche Gefäße in seiner Arbeit über Frankfurt am Main — bestätigen, ist mir recht erfreulich. Wir hätten dann als Heimat ungefähr die gleiche Gegend wie bei dem Kugel gefäß vom Dresdner Hauptbahnhof. Ich habe für Sachsen nun schon eine ganz nette Serie zusammen —“. Der Wert des Cainsdorfer (Bockwaer) Fundes liegt auch darin, daß es mit einen Baustein zur Lösung der Frage bilden kann, wo die Rheinfranken in Sachsen noch gesiedelt haben. Es braucht zwar nicht so zu sein, daß dort, wo Irdenware gefunden wird, auch Siedler aus dem Herstellungs land gewohnt haben müssen. Wirtschaftsgegenstände wanderten ebenso wie die Menschen, die entweder ihre Benutzer oder Hersteller waren. Wir setzen die Besiedlung unserer Heimat an den Ausgang des 12. Jahrhunderts. Das wäre rund ein halbes Jahrhundert später, als die Rheinfranken an die mittlere Zwickauer Mulde gekommen sind. Da das Gefäß im Kohlengebiet gefunden wurde, liegt die Vermutung nahe, daß ein Siedler die zutage streichenden Kohlen abgegraben hat. An einen erwerbs- 1) P. Seydel, Westsachsen, eine rheinfränkische Kolonie, 1922, S. 95. 2) II. Brückner, Die mittelalterlichen Gebrauchsgeschirre im Städtischen Historischen Museum zu Frankfurt (Main), Schriften des Historischen Museums II, Frankfurt (Main) 1926, Tafel I: 5, 7, 8, 11 bis 14; Tafel II: oben, 2. Reihe, 1. und 2. Stück von links; Tafel 111:7; Tafel IV: 14, bes. 17.