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Im mediterranen Kulturzusammenhang ist auch die Deutung der eigenartigen Gefäßform zu suchen. Dabei sind aber nicht nur die bisher allein genannten Zwillingsgefäße heranzuziehen, sondern auch Drillings- und Vierlingsgefäße, deren Verbreitung etwa ähnlich verläuft. Abweichend ist nur die Häufung der Drillingsgefäße im östlichen Mitteleuropa. Bei dem Erklärungsversuch entsteht natürlich zunächst die Frage, ob diese Gefäße aus einer zivilisatorischen Spie lerei heraus entstanden sind 8 ), oder ob sie eine andere, wesenhaftere Bedeutung hatten. Die kurzen Erwähnungen dieser Typen in den verschiedenen Fach- encyklopädien bringen dazu kaum etwas Brauchbares. Erst die bereits an geführte Studie von E. Grohne über die Koppel-, Ring- und Tüllengefäße gab die so lang entbehrte Übersicht. Aber auch hier ist es nicht möglich, eine ein deutige Antwort zu finden; vielmehr offenbart sich erst die ganze Diffizilität des Themas. Doch wird soviel sichtbar, daß zwischen den Zwillingsgefäßen und den sogenannten Kernoi des klassischen Bereiches eine gewisse Parallelität besteht. Bei den letzteren, mag man unter ihnen nur die Ringgefäße mit auf gesetzten kleinen Vasen verstehen oder auch die Typen (Schalen oder andere große Vasen) einbeziehen, um die viele kleine Gefäße gruppiert sind, immer handelt es sich um eine Sorte, deren Verwendung im Adonis-Astarte-Kult und im eleusinischen Mysterienkult bekannt ist. Wie weit hier noch lokale Differen zierungen oder spezielle Zuweisungen möglich sind, bleibt zu untersuchen. Wichtig für unseren Zusammenhang ist die Feststellung, daß der Adoniskult, im vorderen Orient beheimatet, etwa ab 1000 v. Chr. sich nach Westen aus gebreitet hat. Für die Zwillings- und Drillingsgefäße ist eine bestimmte kultische Verwendung nicht gleich eindeutig zu erweisen. Im späten Mittelalter sind dieselben Gefäß typen für das sogenannte Minnetrinken oder das Willkomm-Trinken benutzt worden. Die Möglichkeit der Verwendung für ähnliche Libationsbräuche auch in der Antike wie in der übrigen prähistorischen Welt ist gegeben. Viel leicht haben sie als Opfergefäße gedient. Ob man jedoch in noch tiefere Gründe vorstoßen darf und die Dreizahl der Gefäße ein Zeichen, eine Verkörperung der Trinität nennen, die Zweizahl als Hinweis auf gewisse Götterpaare auffassen soll und somit einen bestimmten religiösen Sinnbezug herstellen kann, ist schwer zu beurteilen. Hier sind Entscheidungen nur in Einzelfällen, aber nicht in grundsätzlicher Hinsicht möglich. Irgendwelche bestimmten Anhalte dafür aus der antiken Überlieferung bestehen nicht. Allgemein ist jedenfalls die praktische, also wirtschaftliche Verwendung dieser Gefäße unwahrscheinlich und auch unerfindlich. Bemerkenswert ist auch, daß diese Gefäßart über weite Gebiete hinweg fast dieselben Formen zeigt, einfache Näpfe, flache Schalen mit eingezogenem Rande und bauchige Vasen mit mehr oder weniger scharf 8 ) 0. Montellas, La Grice preclassique, 1924, Taf. 72,6; 80,1; 110,10.