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Hür unsere Kranen, Kriegshilfsdienst — Ehrendienst. Helferin in San- «nd Sonne oder noch viel mehr wissen; sie kennt die Grenzen aller ma- teriell«n Hilfe und weiß, daß seelische Not ost noch viel schlimmer ist als alle Seldsorgen. Akten häufen sich auf dem Schreibtisch der Volkspflegerin: Menschenschicksal« stehen in diesen dicken Bänden. Wie könnte di« Dolkspflegerin di« Kraft aufbringen, all diese Bitten zu erfüllen, wenn sie nicht über einen gesunden Teil Energie verfügen würde und über einen Schuß goldenen Humors, der in mancher schwierigen Lag« der beste Bundesgenosse ist. Man muß eine Stunde im Arbeitszimmer der Dolks- Pflegerin verbracht haben, um »u sehen, mit welchem Ver trauen di« Menschen zu ihr kommen, und nicht nur die Frauen und Kinder, auch die Männer, wenn es zu Hause nicht „klappen" will: Was oft blitzschnelles Eingreifen der Volkspflegerin schon an Unglück verhüten half, ist kaum -U übersehen; darüber hinaus hilft ihre Tätigkeit aber auch zur Gesundung des Volkes. Es werden Frohsinn und Glück, Glaube und Vertrauen in alle Schichten unseres Volkes ge tragen, und die Dolkspflegerin erfüllt ein« große Aufgabe, die sie verpflichtet, ihr Bestes zu geben zum Wohle der Gemeinschaft. führen, er verlangt einen ganzen Menschen,.der in sich gefestigt ist und das Leben kennt, der aber auch im Menschen zu lesen versteht und di« wirkliche Not und das wahre Leid von Heu chelei und Lüge zu unterscheiden versteht. Wie groß ist nun eigentlich das Arbeitsgebiet der Volks pflegerin? Es umfaßt die gesamte Volkspflege, also Familien- und Wohnungsfürsorg« Sorg« um Mutter und Kind vor allem, und Hausbalthilfe, Iugendhilfe und Iugenderholungs- pflege. Also in oen Händen einer einzelnen Frau liegt das Wohl und Wehe von Familien, die der Dolkspflegerin oft schon jahrelang vertraut sind. Sie weiß, wann in diesen Fa- milien Freude herrscht, weil Mutter zur Erholung in die Berge kommt und ein Kind vielleicht dank des Eingreifens des Arztes sein Ohrenleiden ausgeheilt hat, sie weiß, wo der Schuh brückt, wenn das fünfte Kind unterwegs ist und die Mutter Hilfe und Stärkung braucht. Di« Dolkspflegerin muß In der Eile des Vormarsches haben wir die Stätten der Ausgrabungen, die alten griechischen Theater und Temvel in Kyrene, Barce, Appolonia, natürlich nicht besuchen können. Aber trotzdem habe ich die Eyrenaika liebgewonnen, auch ihre große Einsamkeit. Wenn wir nachts fuhren, spannte sich der Himmel wie ein ätherischer Bogen über sie hin, aufsteigend in Benghasi und sinkend in der Oase von Derna. Benghasi sahen wir um die Mittagszeit vor uns am Ende unserer Straße liegen: die weißen Häuser, die Minarette, das Kastell, wie eine Luftspiegelung wunderbar in der Schwebe gehalten. Als unser Wagen dann aber durch die Eukalyptusalleen in die Stadt ge rollt war, war nichts von dem Märchen geblieben. Bomben- splitter und Granaten haben nur wenig Häuser unversehrt ge lassen. Derna aber war zauberhaft. Vom Dachgarten unseres Lazaretts sahen wir in der kurzen Dämmerung, oder nachts beim Mondschein, wenn wir auf den Fliegeralarm warteten, über die Scherenschnitte der Palmen wie über ein Märchen reich. In Palmen und Feigen, Granatbäumen und Bananen- stauben sind die weißen Hauser gebettet, dicht zusammenge- drängt zwischen Meer und Fels. Ueber den Fels hinauf ging unser Weg weiter: vorbei an der alten Arabermauer, die vor Jahrhunderten zum Schutze gegen räuberische Beduinenstämme errichtet wurde, in steilen Serpentinen hinauf, um dann in die Wüste zu führen. Immer spärlicher wurden die ergrauten Olivenbäume. Sie hörten auf und gaben Sand und Steinen Raum, die nun hier das Bild beherrschen, soweit das Auge reicht. Aber daistdasMeer! Wir baden in jeder Mittagsstunde und sind dann wieder frisch für unsere Arbeit. Ein Chamäleon haben wir auch. Es sitzt im Eßzelt auf dem Deckenbalken und fängt Fliegen. Aber der Doktor sagt, man könne mit einer Zeitung in einer halben Stunde soviel Fliegen totschlagen, wie unser lieber kleiner „Fliegenfänger" in 14 Tagen frißt. Was machts! Wir haben alle unsere Freude dran. Die Verwundeten, die wir ja hier nur als Durchgangs station haben, sind immer wieder überrascht, eine deutsche Schwester zu treffen. Man steht ihnen an, wie glücklich sie darüber sind. Das macht uNs auch so froh! Hin ,und wieder Muß" ich auch einmal mitfliegen, noch weiter nach vorn, wenn dort eine Schwester gebraucht wird. Das sind meine stärksten Eindrücke gewesen. Ach, Worte können das nicht sagen, was dieser Einsatz für mich bedeutet. Aber sei gewiß, Mutter, daß ich unbe- schreiblichfroh bin und dankbar für diesen meinen Platz an unserer großen Front, den ich nach Kräften ausfüllen will. Ich bin gesund und werde bald wieder schreiben. Deine Eva." Generalarbeitsführer Dr. Decker schreibt: Di« Einführung de» Kriegshilfsdienstes der Arbeits maiden in der vom Führer befohlenen Form (der „E. V." be richtete gestern über- den Erlaß) bedeutet für die Eltern der Kriegshilfsdienstoerpflichteten die beruhigend« Gewißheit, daß sie ihre Töchter weiter unter der Aufsicht und Betreuung durch den RAD. wissen. Für die Arbeitsmaiden aber bedeutet der Kriegshilfsdienst die Fortführung der schönen Lagerkamerad schaft mit all ihren vielen kleinen und großen Freuden. Der Einsatz erfolgt lediglich im Gebiet des Großdeutschen Reiches. Die Einsatzort« sollen möglichst nahe am bisherigen Laaer liegen. Die an den Einsatzstellen eingesetzten Kriegs- hilfsdienstverpflichteten werden in der Regel zu Unterkunsts- gruppen zusammengefaßt und gemeinsam untergebracht und verpflegt. Jssde Unterkunstsgruppe ist einer beaufsichtigenden Dienststelle des RAD. unterstellt, die di« Kriegshilfsdienstver pflichteten besonders in der Freizeit betreut. Außer freier Unterkunft und Verpflegung erhalten die Kriegshilfsdienst, verpflichteten Taschengeld, Dekleidungsgeld und Sozialver sicherung. Sie tragen zu ihrer Zivilkleidung in und außer Dienst Vas besondere Abzeichen des Kriegshilfsdienstes. Zunächst sollen durch den Kriegshilfsdienst männliche Arbeitskräfte in Dienststellen der Wehrmacht und bei Behör den soweit wie möglich ersetzt und für einen anderweitigen Kviegseinsatz freigemacht werden. Außer bei Dienststellen der Wehrmacht und Ler Behörden wird der Kriegshilfsdienst ab geleistet in Krankenhäusern und anderen gesundheitlichen oder /sozialen Einrichtungen. Die hierdurch mögliche Ent- laslung der Aerzte- und Schwesternschaft wird einen wesent lichen Beitrag für die Volksgesundheit bedeuten. Weiterhin ist in Linzelfällen die Möglichkeit gegeben, daß aus dem akti ven Reichsarbeitsdienst ausscheidende Maiden Kriegshilfs dienst in hilfsbedürftigen, insbesondere kinderreichen Familien, leisten. Auch dieser Dienst ist von höchster volkspolitischer Bedeutung. Wenn auch zur Zeit Hausgehilfinnen nicht zum Reichsarbeitsdienst herangezogen werden, so ist durch den Er- laß des Führers andererseits die Möglichkeit geschaffen, für besonders hilfsbedürftige kinderreiche Familien neue Hilfs kräfte zu gewinnen. Für den Reichsarbeitsdienst der weiblichen Jugend ist der Erlaß des Führers eine ehrenvolle Anerkennung der bisher geleisteten Arbeit. Er wird zur Folge haben, daß die erneut eirisetzende notwendige Führerinnenwerbung ein starkes Echo findet, weil die ebenso kriegswichtige wie schöne Ausgabe die tüchtigsten Menschen anziehen wird. Die zum 1. Oktober aus nahmslos im Kriegshilfsdienst weiterdienenden jetzigen Ar, Leitsrnaiden werden das Vertrauen des Führers ebenso recht fertigen, wie die Soldaten dieses Krieges es gerechtfertigt haben. Denn über den persönlichen Wünschen des einzelnen sticht das Wohl des Volkes. Ihm zu dienen soll jeder Arbeits maid die höchste Ehre sein. Auch aus dieser Arbeit wächst der Sieg! Die Bolkspflegerin. Jede unter uns Frauen macht wohl auf Herz und Gefühl Anspruch, ganz gleich, ob wir Hausfrau und Mutter sind oder im Beruf' stehen. Vielleicht ist es aber gerade im Beruf, in der'stäNdMN-Berührung mit einer nicht immer friedfevticfen Umwelt am schwersten, das Herz am rechten Fleck zu haben. Und da nötigt uns allen ein Frauenberuf große Bewun- derung ab, vor allem darum, weil dieser Beruf trotz all seiner kulturellen Aufgaben nur dann restlos gelöst werden kann, wenn er aus Liebe zum Volke, das heißt aus innerster Berufung heraus gelöst wird. — Das ist der Beruf der Volkspflegerin. Menschen, die vielleicht nie der Fürsorge oder Hilfe bedurft haben, wissen kaum, was dieser fraulichste aller Berufe bedeutet. Er läßt sich nicht ohne innere Anteilnahme durch- Brief einer Rotkreuzschwester an« Afrika. NSK. „Das habe ich nicht geahnt, Mutter, daß es so weit gehen würde, als ich Dir von unserem Aufbruch in Frankreich schrieb! Jetzt bin ich in Afrika. Unfaßbar! Nicht weit von Tobruk stehen unsere Zelte, mitten in der Steinwüste, die kein Haus mehr trägt und weder Baum noch Strauch. Nur ein ausgedörrtes Gras und Gestrüpp wächst hier in stetem Kampf mit dem Sand. Und heiß ist es, Mutter! Da fällt das Arbeiten oft schwer. Und gar erst beim Gibbli! Aber das Gefühl, ganz vorne zu sein, wiegt das alles auf. Ick bin hier als Operationsschwester. Wir arbei ten und wohnen in Zelten mit festem Holzfußboden und dop pelten Sonnensegeln. Wir merken den Unterschied zu den einfachen Zelten, von denen wir auch noch einige als Geräte- schuppen haben. Wenn Du einmal zu unserem Zeltplatz gefahren kämest, würde Dich am „Eingang", d. h. dort, wo die Wagenspuren (von Weg oder Straße kann keine Rede sein) am Zelt des Doktors ankommen, unser „Wächter" begrüßen. Er hat zwar nur einen Stangenleib, dafür aber eine Schwimmweste als Brustkorb. Die Gasmaske ersetzt das Gesicht. Hut, Wasser- flasche und Brotbeutel vervollständigen seine Ausrüstung. Er zeigt mit dem Gasschlauch den Weg zum Operationszelt und den Stationszelten. Ich möchte Dir alles zeigen, weil wir so froh und stolz sind über unsere Tropenausrüstung. Denn wir haben alles mit, was uns die Arbeit in dieser trostlosen Einöde nur irgend erleichtern kann: gute, besonders breite Feldbetten, Moskito netze, den Wasserwagen mit Destillationseinrichtung, so daß wir für uns und die umliegenden Truppen jederzeit Trinkwasser Herstellen können. Und selbstverständlich unser ganzes bis heriges Inventar, das wir immer mitführen. Dreimal haben wir in der Zwischenzeit unsere Kisten nun schon aus- und eingepackt. In Rom zuerst. Mutter, das weißt Du ja auch noch nicht. Dort haben wir Verwundete aus dem Balkan gepflegt. In einem herrlichen Lazarett! O diese Kultur! Wie weit ist sie jetzt. Und noch viel schöner war es auf Sizilien. Wir bekamen eine hockherrschastliche Dillü zugewiesen, die wir als Lazarett eingerichtet hahen. Ein un vergeßlich schöner, üppiger Garten gehörte dazu. Unsere Pa- tienten haben wir, so oft es anging, herausgebracht. Kannst Du Dir vorstellen, wie einem zu Mute ist, wenn man die ersten Zitronen und Orangen selbst vom Baum pflückt? In dieses Idyll kam dann das neue Kommando. Es ging über das Mittelmeer! Tripolis, Syrte, Benghasi, Derna waren die weiteren Stationen. Meist sind wir Schwestern im Sankra, ost im Beiwagen eines Krad gefahren. Einmal auch — aber das Glück war nur kurz — in einem Wohnwagen, den ein Engländer zurückgelassen hatte. von Christel Broehl ' Delhaes 6ur«i> Korl liökler L Lo., L«rIin-3ci>M»rz»ll6ort „Es tut mir leid, aber ich Muß Sie doch bitten, noch jetzt und in Lieser Stunde: in welchem Verhältnis standen Sie zu dem Verunglückten?" Troß tut eine jähe Bewegung. Er hebt Lie Hand, als wolle er nun alles zusammenschlagen, was sich ihm in den Weg stellt. Sein Gesicht verschließt sich zu einer unbeugsamen Festigkeit. „Mein Gott", stößt er zornig hervor, „ist denn hier alles verrückt geworden? Es ist meine Sache, wie ich zu dem Toten stanh. Warum wird das iy dieser Nacht immer wieder zum Gegenstand von. Diskussionen? Lassen Sie mich doch in Frieden! Und, glauben Sie, Sie selber haben in dieser Sache nichts zu tun. Gar nichts!" Seine Stimme steigert sich, wächst zu. immer stärkerer Erregung. „Meinen Frieden will ich, sonst nichts. Und nun lassen Cie mich gefälligst in Ruhe!" Er wendet sich, aber Borchert legt ihm plötzlich Lie Hand auf den Arm. „Ls geht leider nicht, Herr Doktor Troß, leider. Uns ist das alles sehr verdächtig, meinem Schwiegersohn und mir, Ihre Aufregung, Ihre Ablehnung, Ihre — nun ja, auch Ihre Schweigsamkeit. Was würden Sie sagen, wenn ich von Ihnen dächte, daß Sie dem Unfalltod meines Vetters ein bißchen nachgeholfen hätten? Was würden Sie dazu sagen?" Troß, schon abgewandt, dreht sich jählings voll dem Sprechenden zu. Fassungslos, mit Lem Blick eines Menschen, der diesen Satz nicht in sich aufzunehmen vermag, der nicht versteht, der nicht begreift, stiert er Borchert an. Seine Zunge ist wie gelähmt, er kann nicht antworten, sein Gesicht ist versteinert. Dann wandert dieser Blick, hilflos, entsetzt, ohne Verständnis, wandert Wellers Gesicht ab, das ohne Be wegung ist, streift die unbewegliche Fläche von Borcherts Zügen, packt Hallmanns Augen an, haftet schließlich bei Luzia, ankert, saugt sich fest. „Das ist eine Gemeinheit", ächzt er plötzlich, am End« seiner Kraft. „Das ist das Ge neinste, was man mir im Zusammenhang mit diesen Menschen, die mir schon einmal den Sinn meines Lebens gestohlen haben, antun kann: mich einer solchen Tat für fähig zu halten." „Ich kenne Sie leider nicht", entgegnet -der Rechtsanwalt mit verletzender Förmlichkeit, „ich wünsche es aufrichtig, eine andere Meinung von Ihnen haben zu dürfen. Ich habe sie nickt. Die Schreie, die mein« Verwandte ausstieß — und ich habe dafür meinen Schwiegersohn zum Zeugen — deuten darauf hin, daß sich zu Beginn der Katastrophe noch etwas anderes, etwas ganz Persönliches abgespielt hat." Weller hat sich gefaßt und seine Besonnenheit zurück erhalten. „Hallmann", sagt er, „das hätte ich Ihnen nicht zuge traut. Na, man kann sich eben täuschen . . . Und was das andere, Las Persönliche, von dem Sie sprechen, Herr Borchert, anbetrifft, so dürften dazu wohl Zeugen vorhanden sein, Zeugen, die aussagen können, die vielleicht beweisen können, daß Barny schon tot war, ehe Troß dazu kam." „Zeugen, murmelt Troß verloren, „Zeugen? In diesem Wirrwarr Ler ersten Viertelstunde? Es waren Leute um mich herum, Leute von der Technischen Nothilfe, von der Feuer- wehr, die bis zum Eintreffen des Hilfszuges eingesetzt wurden. Aber wer war es? Wer von den Hunderten, die herbeigeeilt waren von den Höfen, aus den Dörfern, aus der kleinen Stadt Haifern, wer?" Luzia, die bis dahin steil und kerzengerade zwischen den Männern gestanden hat, dreht sich mit einem Male wie sinn- os um sich selbst. Dann aber sehen die erstaunten Männer ie die Treppe hinabgehen, schnell — wie mit einem sehr icheren Ziel. In der Halle kommt ihr einer der Kriminalbeamten ent gegen, die ihre Aussage ausgenommen hatten. Fast heiter hält er Luzia an. „Wissen Sie es schon: auch Doktor Lauterbach ist ge funden. Man hat ihn " Sie unterbricht seine Rede, die weit ausholen will und den genauen Bericht von der Entstehung des Unglücks geben möchte. „Danke es ist ja sehr schön ich freue mich, daß Sie ", sie kann sich kaum mehr aufrecht halten, „aber ich brauche jetzt Ihre Hilfe." „Gnädig« Frau, was in meiner Macht steht —" Ungeduldig hebt sie di« Hand. „Ditte", sagt sie verlöschend, „bitte, ich muß den Mann sprechen, der für die Klärung der verworrenen Dinge haüpt- maßgeblich ist. Dort oben, dort, sehen Sie, die Treppe hinan, wird ein Mensch des Mordes angeklagt. Der edelste und an ständigste Mensch, den es gibt, des Mordes angeklagt. Und ich liebe ihn. Sie müssen mir helfen." „Um Himmels willen, Frau Hollern", er springt zur rechten Zeit hinzu, sie aufzufangen; Luzia ist am End« ihrer Kräfte. Luzia schläft, schläft seit Stunden wie ein« Tote. Dor den Fenstern steht ein zauberischer Frühlingstag. Die leise Schwester, die der Professor zu Luzias Betreuung zurück- gelassen hat, öffnet lautlos die Scheiben, und die milde Luft strömt in breiten Zügen in das von matter Helle erfüllte Zimmer. Und mit der Luft kommt der Vogelsang. Er ist so siegreich und so voll Jubel, daß er Luzias Ohr erreicht, in ihr Unterbewußtsein dringt, in ihre wirren, unruhigen Träume, in ihre Sinne; sie beginnt, den Kopf hin und her zu werfen, ihre Lider heben sich, di« schönen blauen Augen öffnen sich. Der erste Blick trifft die Schwester — mit einem sehr großen Erstaunen. Noch ehe sie fragen kann, legt die stille Frau, die immer bereit ist, zu helfen und zu schweigen, ihre Hand auf die erregten Fmger. „Sie haben tief geschlafen, Frau Hollern. Das wird Ihnen gutgetan haben. Fühlen Sie sich frischer?" Luzia erinnert sich sofort. Die Nacht, die ungeheure Anstrengung, die Vielfalt der Ereignisse und Anforderungen. Aber die Schwester war doch auch dabei; dies« Schwester war es, die den Professor rief, als Ellen Barny versucht hatte, ihrem Leben ein Ende zu bereiten. Sie war in der Nähe, als . . . Hier brechen Luzias klare und bis dahin logische Sedankengänge ab und versuchen vergeblich, sich zu sammeln. Ja, und was geschah dann? Ellen Barnys Leben war gerettet, es stand außer Gefahr, und das war gut, es mußte sein, weil Robert Troß Robert Troß! Da ist die Lücke. Da fehlt etwas in der Abwicklung der Geschehnisse. Irgendwann hat Robert Troß gesagt: ,Das ist ein« Gemeinheit, eine Gemein heit ist Las!' Wie war das nur? Warum kann man sich nicht besinnen? Warum ist alles so schwer, so dumpf, so drückend? Die Stare lärmen auch zu sehr. Und di« Luft, die durch die offenen Fensterflügel streicht, ist unsäglich er sidend. Und dennoch so schön, so warm und streichelnd. (Fortfl ^folgt.)