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Dee 6oM//e/ Firm /ke/müra/eema« vs« v. S<Hm/Äs/e/öen Können Sie mir irgend eine andere Person nennen, gegen die Verdachtsmomente geltend gemacht werden könn- ten?" Da« allerdings nicht... dar Ganze ist ja überhaupt so völlig unfaßbar! Ich wußte keinen Menschen, dem ich auch nur von fern eine so furchtbare Tat zutrauen könnte... Sehen Sie! Und Raubmord ist ausgeschlossen, denn es befand sich Geld und Wertsachen genug im Bereich des Täters, ohne daß er das geringste davon genommen hat. Vorteile? Der Tod Ihre» Onkels konnte niemandem Vor teil dringen als etwa Ihnen, der Eie sein Erbe find. Aber ersten» trau« ich Ihnen durchaus keinen Mord zu, Herr Doktor, und zweitens standen Sie ja mit Ihrem Onkel aus de« besten Fuß, müssen daher ausgeschieden werden aus dem Kreis verdächtiger. Was aber bleibt dann al« Motiv der Tat? Doch nur persönlicher Haß oder — Rache. Für diese beiden Motive aber haben wir zwei Personen, die in Betracht kämen. Ls ist nur mein« Pflicht — auch im In- leresse oer Verdächtigen selbst, da volle Klarheit zu schaffen." „Gewiß, da« seh« ich ein. Trotzdem hoffe ich, daß eben dies« Klarheit dann die Unschuld der beiden Personen er geben wird. Der Gedanke, daß bisher unbescholtene Men- sche« so tief gesunken sein könnten, um einen Mord zu be gehen, wäre ja entsetzlich!" „Aber vielleicht ist es eben gar nicht Mord," setzte Ha ge» mehr zu sich selbst sprechend hinzu. Da« Stelldichein Dr. Hagen» mit seiner Braut am sel- ben Abend in E. stand natürlich ganz unter den erschüt ternde» Eindrücken de« so unerwartet und gräßlich herein gebrochene» Ereignisses. Auch Sylvia Roller hatte mit Entsetzen in den Abend blättern davon gelesen. Sie dachte nur an den Schmerz, den all die« ihrem Verlobten bereiten mußte, denn nie- «and wichte ja bester als sie, daß trotz aller inneren und äußeren Verschwiegenheiten Wolfgang Hagen doch mit in niger Zuneigung an seinem Onkel gehangen hatte, der zu- dem sein einziger noch lebender Blutsverwandter war. An dieser fast brüderlichen Zuneigung hatte ja nicht einmal der Umstand viel ändern können, daß Liviu» Hen- 1er «in ausgesprochener Gegner von des Neffen Verlobung und darum auch bisher nie zu bewegen gewesen war, Syl- »las Bekanntschaft zu machen. Da» Brautpaar war nach einer kleinen Wirtschaft ge- gangen, die am Waldrand in der Nähe einer alten Mühle lag und „Zum Müllerwirt" hieß. Der „Müllerwirt" wurde fast nur von Landleuten auf gesucht. Man konnte also sicher sein, in dem gartenwärts gelegenen „Extrazimmer" keinen städtischen Bekannten zu begegnen. Aus diesem Grunde hatten die Liebenden es schon öfter aufgesucht. Sie bestellten ein einfache» Abendessen, von dem sie kaum ein paar Bisten genosten, und-sprachen Last ausschließlich von dem Toten. Wolfgang erzählte Sylvia alles, was er vom Unter- suchungsrichter an Einzelheiten über den Mord erfahren hatte, und berichtete ihr auch — aber ohne Nennung von Ramen — da» Gespräch, das sich nachher daran geknüvft. In den nächsten Stunden halte er beständig darüber nachgedacht und war immer mehr zur Ueberzeugung ge kommen, daß der Verdacht der Behörde sich in falscher Richtung bewege. „Aber wer sollt« e» dann getan haben?" meinte zuletzt, wie der Untersuchungsrichter, auch Sylvia ratlos. „Ja — wer? Darüber grüble ich ja auch beständig nach. Ich weiß es nicht. Weiß ja im allgemeinen überhaupt so wenig von Onkel Livius' Leben. Da waren so viele Men schen, mit denen er in Berührung kam, ein unübersehbar großer Kreis. Einer daraus wird es wohl getan haben. Aber vielleicht einer, auf den gar kein Verdacht fällt, des- fe» Name nicht einmal genannt wird... immer vorausge- jetzig daß überhaupt Mord vorliegt." ' Sylvia starrte ihren verlobten betroffen a». „Du hältst e» für möglich, daß er gar nicht ermordet «urd«, sonder» selbst seinen Leben em Ende machte?" stammelt« sie. Wolfgang Hagen schwieg »nd blickte starr vor fich hin. Die junge Lehrerin schüttelte de» Kopf. „Nein, Wolfgang, das glaube ich nicht. Er soll doch ein so lebenslustiger Mann gewesen sein... und es stand doch in der Zeitung, daß durch die Richtung der Echußkanäle auf Tod durch fremde Hand geschlossen werden muß." „Man kann sich irren..." „Aber warum? Ein Mann, wie dein Onkel, könnte doch gar keine Gründe gehabt haben, seinem Leden selbst ein Ende zu machen. Reich — sorgenlos — glücklich — im Be- griff hu seiner Braut zu fahren, die er über alles liebte... wie könnte er da Selbstmord begangen haben!" „Ls gibt Stimmungen... Augenblicke, die einem Man» „ den Revolver förmlich in die Hand drücken, wenn er allein gelassen wird damit..." „Ader doch nur, wenn ei» starker Grund dafür vor- lt«gt...!" „Er — hatte einen solche»..." sagte Hage» dumpf. „Wolfgang... oh Gott..." Er packte plötzlich ihre Hand und beugte fich dicht an sie heran. Sein Gesicht war ganz weiß, als er ihr hastig im Flüsterton zuraunte: „Ja, er hatte einen. Er war ver zweifelt. And ich ließ ihn allein in solcher Stunde! Ah nungslos ging ich und ließ ihn allein... allein mit die sem letzten furchtbaren Schmerz seine» Leben», da» bi, da- hin nur Sonnenschein gewesen. Ich war so überzeugt, daß er ein Man» sei durch «nd dutch und al» solcher damit fertig werden würde. Erwollte auch, daß ich gehe. Er bat mich, darum, th» allein zu lassen... Da ging ich. Aber jetzt weiß ich, daß ich e» nicht hätte tun dürfen. Daß er vielleicht noch am Leben wäre, wenn ich ihn damals nicht allein gelassen hätte. Ueber diesen Gedanken werde ich nie hinwegkommen. „Armer Wolfgang! Ist da« schon länger her, oder „Es war fast unmittelbar vor seinem Tode. Am Sams tag nach Tisch war ich bei ihm — gleich nachdem sein Die ner Las Haus verlassen hatte. Aber davon darf nicht ge sprochen werden, du mußt es in dir begraben, Sylvia..." „Warum darf nicht davon gesprochen werden?^ „Weil man dann natürlich nach dem Inhalt dieser Unterredung fragen würde, und darüber kann und darf ich nicht» auslagen. Darum habe ich fie auch dem Unter suchungsrichter verschwiegen." „Und wenn dich jemand gesehen hat?" „Das ist nicht der Fall, gottlob. Die anderen Villen sind derzeit noch unbewohnt. In der ganzen Umgebung von " Waldhau» war keine Menschenseele zu erblicken^ daran er innere ich mich genau. Aber du begreifst nun, Sylvia, wie mir zu Mute ist! Ich würde «» fast als Erleichterung emp finden, wenn ganz einwandfrei festgestellt werden könnte, daß Onkel Liviu» nicht Selbstmord begangen, sondern tat sächlich von fremder Hand gestorben ist. Und wenn dies« Hand gefunden würde, dann würde ich aufatmen, denn ich müßte mir nicht immer vorsagen, daß ich durch mein Fort- gehen Schuld an seinem Tode trage? „Ichglaube, du quälst dich umsonst, Wolfgang. Es liegt' gewiß Mord vor nach allem, was du mir berichtet Haft." „Gott gebe es! Es bleiben mir auch dann noch Selbst vorwürfe genug übrig. Ich war es, der ihm den letzten Schmerz im Leben zufügte — allerdings in bester Absicht und einem Zwang gehorchend. Dennoch... auch darüber hinwegzukommen werde ich lange Zeit brauchen " Sylvia streichelte ik stummer Zärtlichkeit seine Hand. Sie hätte ibm so gern ein tröstendes Wort gesagt, aber die Kehle war ihr wie zugeschnürt. Der Blick, den er fie in sein Inneres tun ließ, war nur ei» halber verschwom- mener, er enthüllte Schmerzen und Sorgen, von denen fie bisher nichts geahnt, und verbarg doch da« Wesentliche völlig. Sie fühlte: Geheimnisse gab e« da noch, dt« er ihr nicht entschleiern wollt« oder — konnte, di« ihn aber galten und wahrscheinlich di« Ursach« seiner ost so düsteua Stim mung waren. Waren fie mit Livius Kenters Tod zu Sude? Reichte» fie noch über diese» hinaus? Betrafe» sie nur -enter oder auch Wolfgang? Ader dang und schwer lag et» Ahne» i» ihr, al» würde dl« dunkle Tat in der Villa Waldhau» noch wettere» Lu- heil t« Gefolge Hades... Wolfgang hatte lange tu Echwetgen versunken, brit- tend vor fich hingebltckt. Run fuhr er fich über dte Stirn und sagte in verändertem Ton: „Wir wollen von anderem sprechen, mein Herz. Eigentlich find wir ja heute hierher gekommen, um Beschlüsse über die Zukunft — unsere Zu kunft zu fassen." - _ , „Ja, Wolfgang, «nd d« sprachst vom Auewandern... ist die« dein Ernst?" „E« war mir ernst damit. Ein Freund au» meiner Studienzeit hat vor zwei Jahren eine Arztstellung tu Java angenommen, die sehr gut bezahlt und mit bedeutender Prioatpraris verbunden ist; Familienverhältnisse zwinge« ihn, nach Europa zurückzukehren. Gr bot mir an, au seine Stelle zu treten in Surabaja." „Luo d» willst annehmen?" „Ich wollte es — wenn du damit einverstanden ge wesen wärest, daß wir heiraten und gemeinsam hinüber gehen. Alle pekuniären Schwierigkeiten, di« unsere Verbin dung bisher unmöglich machten, wären dadurch entfalle» und ich hätte dir endlich die Stellung gebe» können — frei von allen Sorgen und kleinlichen Rücksichten — wi« ich e» immer wünschte. Aber «ua ist dieser Pla« gegen, standslo» geworden/ - „Wieso?" „Weil ich al» Erbe Onkel Liviu»' nicht mehr nötig habe, auszuwandern, um heiraten und uns da« nötige Brot schaffen zu können." ,^vu bist deines Onkel- Erbe?" fragte Sylvia grenzen- los überrascht, denn der Gedanke an diese Möglichkeit war ihr gar nicht gekommen. Hagen nickte. „Ja, man hat e« mir heute bei Gericht mitgeteilt. Es ist kein Testament da und ich bin ja sein nächster Verwandter, also der gesetzlich« Erbe. Ich begrüße diesen Umstand hauptsächlich deinetwegen mit elner gewis sen wehmütigen Freude, denn ich selbst war immer ganz zufrieden mit memer Lage. Ich bin ziemlich bedürfnislos aufgewachsen und was ich brauche, habe ich schließlich. Aber , nun kann ich doch auch dir etwa» bieten und vor alle« können wir jeden Tag heiraten, wenn wir wollen." „Du weißt, Wolfgang, daß auch ich ein einfache» Leben gewohnt bin und nicht am Gelde hänge. Ich hätte mit Freuden auch das bescheidenste Los an deiner Seite al» Glück empfunden und wär« überall mit dir hingegangeu, wohin du mich geführt hättest." „Das weiß ich. Gottlob, daß e» so ist, den» ich hoffe, daß du darum auch mit meinen Plänen für die nächste Zukunft einverstanden bist." > „Eänz gewiß. Worin bestehen diese Pläne?" „Ich möchte, daß wir so rasch als möglich in völliger , Stille — wie, es schon die Trauer um Onkel Liviu« be dingt — heiraten- aber vorerst noch in de« bisherigen b«. scheldenen Lebensverhältnissen weiterleben. Wärest d» da mit einverstanden?" „Aber unbedingt!" „Ich danke dir, Sylvia. Ich weiß, du wirst auch «ei« Gründe dafür verstehen, besonder« nach dem, wa» ich dir vorhin anvertraut habe. Es widerstrebt mir. di« Villa Waldhaus zu beziehen, einmal, weil e« mir roh urtt» frivol . vorkommt, die Stätte, auf der fich so Grausiges abgespielt, mit dem — wenn auch stummen — Jubel unseres Glückes zu erfüllen. Wie Entweihung und Pietätlosigkeit gegen de» Toten erschiene mir dies — um so mehr, al» er ein Geg ner unserer Verbindung war. Zweiten« aber würde ich dort immer wieder jene letzt« Unterredung mit dem arme» Toten durchleben und die Vorwürfe, die ich mir mache, daß ich ihn dann allein ließ, würden mich doppelt «nd uner träglich quälen. Ich aber muß suchen, darüber Hinwegzu rommen und alles zu vergessen. Waldhaus soll vorläufig unberührt bleiben, wie es ist, und verschlossen werßen." „Darin stimme ich dir um so lieber bei, als es auch mir peinlich und unheimlich wäre, in Räumen zu wohnen, durch die soeben erst der Tod aeaanaen ist." (Fortsetzung folgt.)