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Menschen unterwegs wieder. Atmen nur hörbar bi« I^EUBSIDI «urknbondon NU, UN 0f*nq,d«ut«> -,1 Urh-Lerrechtschutz durch d»n v««la« vokar Meist«« tu Werda«/ Sachsen. Noma« »»« Ha««a Passer Karqetz««g Zum Lag der Briefmarke am morgigen Sonntag hat da« Winterhilstwerk diese» Gedenkblatt mit den neuen WHW Freimarken Herstellen lassen. sScherl Bilderdienst — M.) Und wieder ist e» Sonnabend. Und wieder ein« linde Iuninacht. Au- den Rabatten deS terrassen förmig zu Wasser absteigenden Garten» der Fechner- klinik duftet e» schwül und süß-sommerlich. In den tiefen Korbsesseln einer KlematiSlauSe sitzen Heldinq und Bernd Ratner einander gegenüber, Stumm und m nch »erfüllten, indem m ihnen oie Bot- fchaft nachklingt, die am Morgen diese» Tage» der ein« dem andern gebracht und die diesem Wiedersehen der Freude ihren düster» Stempel aufgedrückt hat. „Arme, kleine Dina," sagt Bernd leise. „Widersinn eine» grausamen Geschick»," flüstert Hel, ding »wischen den Zahnen. Dann schweigen !e wieder. Atmen nur hörbar bi« warme Uli st dieser stillen Nacht. Schwarz und unbewegt liegt da» Master? kaum zu erkennen. Nur die dunklen Umriste der verankerten Boote schaukeln leise glucksend schattenhaft darüber. Tine halbe Stunde vor der fahrplanmäßigen Ankunft de» Münchner D-ZuaeS steigt Helma die Treppen zur Halle de» Anhalter Bahnhof» hinauf mit weichen u n1en starkem Herzklopfen einem ElendSgesühl in der Magengrube und einem fatalen Flimmern vor de» Augen. In einem Zustand, der ganz verteufelt dem der Seekrankheit gleicht, einem Uebel, dem sie bisher erfolgreich widerstanden hat; selbst beim höchsten Wellengang und Windstärke neun, damals in der Biskaya, als eS sonst kaum noch einen zweiten Pasta gier auf der „Regina" gegeben hatte, der nicht stöhnend dem MeereSgott geopfert hätte. Und heute macht st« beinahe schlapp. Energisch ruft Ne sich selbst zur Ord nung. Oberst BalckenaarS Einzige mutz setzt mit An, stand die Suppe anSlöffeln, die sie sich eingerührt hat. Dieses ist die Suppe: Vorgestern hat sie zuerst die Nummer BiSmarck 9085 angerufen, die man ihr in der Rainerkanzlei bereit willig als jene der Frau Geheimrat Sperl, Eybel- stratze 2V, angegeben hatte, bei der Referendar Burk hardt zur Untermiete wohne. Die Schwatzhaftigkeit des Hausmädchens, die in Abwesenheit der zur Zeit verreisten Frau Geheimrat keine Grenzen kannte, hatte ihr wortreich geschildert, zu welch schrecklichem Tyran nen sich — sozusagen über Nacht — -er bisher so ideale Untermieter gewandelt habe; vom vergangenen Mon tag an, ülS er verstört, lekchenblatz, ja beinahe wie ei« Irrer, wenn nicht vielleicht wie ein Trunkener schon am frühen Vormittag a«S dem Büro heimgekehrt fei. Seither habe er kaum daS Bett verlasten, geschweige denn das Zimmer, welche- sie, -ie Ordnungsliebe und Reinlichkeit in Person, daher kaum habe säubern können. Herr Burkhardt esse kaum, stöhne vor sich hin, verbiete aber energisch, um nicht zu sagen grob, jegliche Frage, Teilnahme, Ratschläge, ober gar Hinzuziehung eines Arztes. Er wolle niemanden sehen, laste seine Post ungeöffnet liegen, gehe natürlich auch nicht an» Telephon, kurzum, eS sei entsetzlich. In einer Atem pause, die daS Mädchen doch einmal machen mußte, bat Selma die Bitte ausgesprochen, Herrn Burkhardt zu bestellen, daß Will ihm gerne „guten Tag" sage» möchte. DaS Mädchen versicherte, der Dame mit Ver gnügen den Gefallen zu tun, obzwar sie Mr diese Stö rung sicher nur eine neue Grobheit deS Herrn ein- heimsen werde, ohne daS mindeste zu erreichen. Und tatsächlich hat Burkhardt ihr einfach sagen lassen, er sei krank und bedaure ... Helma ist darauf sehr nachdenklich geworden. Da aber ihrem Temperament Handeln mehr liegt al» Grübeln, hat sie sich durch Einsichtnahme in daS Münch ner Adreßbuch die Anschrift deS Gerichtspräsidenten Burkhardt verschafft und diesem kurz entschlossen ge« schrieben: er möge sich doch einmal nach seinem Soh» umsehen, jedoch ohne diesem zu verraten, baß sie — Lelma Balckenaar — ibn darauf aufmerksam mache. (Fortsetzung folgt.) statt e» tränenreich zu beklagest. Härten Sie sich seelisch ab und vergessen Sie dabei nicht, Ihre Blicke von der vetrachtnng de» eigenen Ich» loSzureißen und ste auf Ihre Mitmenschen und Schicksalsgefährten zn richten. Die Erweiterung des feelischen Horizont» ist ebenso wichtig, wie die des geistigen. Wenn Ste da» tu», er weisen Sie sich selbst den besten Dienst: denn nur dieser Meg führt zu jener Warte des Lebens, die den richtigen Ein. und Ausblick in die Welt gewährt, so daß man Herr wird über sein Geschick." Minuten vergehen, bevor Helbing auf diese auf rüttelnde Mahnung selbstloser Freundschaft die Ant wort gibt: „Ich nehme morgen den ersten Zug . . . und heut« gehe ich noch ins Büro .. ." „Schön. Da kann ich mich mal wieder nach Helma um sehen." „Ach, da» Kind, dem ich Egoist Eie so völlig entzogen habe, habe ich auch ganz und gar vergessen. WaS mag die Kleine bloß getrieben haben?!" „Seien Sie unbesorgt. Die ist ein Prachtkerl, ein warmblütiges Menschenkind mit Herz und Kovf am rechten Fleck." Dabei denkt Ilse Waldner an Helma- innige Teilnahme an dem Unglück und an die taktvolle Art, mit der ste sich seither «m Hintergrund hält. Ilse Waldner tenm genau und beurteilt darum auch richtig de- Mädchen- Verhalten in diesen Tagen. Aber ste weiß nicht, daß ein gut Teil von SclmaS in- sichgekehrter Nachdenklichkeit noch seinen besonderen Grund hat. Während ste pflichtschuldtgst die Nattonalaalerte be sucht. schieben sich zwischen das Auge und die großen Gemälde berühmter alter Meister kleine Erinnerungs bilder jüngster Wirklichkeit. Statt Feuerbach- „Musizierender Engel" steht sie sich selbst und Burkhardt im Park von Sanssouci. Durch Menzel- „Flötenkonzert" hindurch erblickt ste den Tisch im schwedischen Pavillon, daran ste mit Burkhardt ge- tafelt hat . .. Nichts hat sie seither von ihm gehört. DaS war wohl zunächst auch gar nicht anders zu erwarten nach dem unmittelbar auf ihr letztes Beisamm-nsein folgenden tragischen Ende Blandine Rainer-, dieser wunder vollen Frau. Genau so, wie ste Helbing- Trauer respektiert und Tante Ilse- Kummer achtet, hat ste auch Burkhardts Zurückhaltung begriffen. Bis zu einem gewissen Grad. BiS zu einer gewissen Grenze. Zwei Tage hindurch, drei, vier ... bi- heute. Da hat ste gespürt, daß ste wartet. Da hat ste er kannt, daß Warten zur Folter werden kann. Und kurz entschlossen hat ste in der Rainerkanzlet angerufen. Der unerwartete Bescheid hat ste erschreckt. Krank! Die näheren Umstände dieser plötzlichen Erkrankung geben ihr zu denken. Nervenzusammenbruch eines gänzlich Gesunden!? Schwere Ohnmacht bei der Nach richt von Blandine Rainers plötzlichem Tod?! Nikk «Mw, öd» W RU^tt» Mark traf, hä» ihn f» niederaeworfen... So kommt Helma Balckenaar Hein, Burkhardt» HerzenSgeheimni- auf bi« Spur... Ein versonnener Ausdruck tritt in ihre Augem et was wie ein Suchen und Taste». Allmählich verdunkelt sich das Helle Blau dieser Lichte^ und ein feuchter Schimmer breitet sich darüber ... Ader tapfer unterdrückt ste die Tränen. „Will" hat er sie genannt, da» Mädchen mit dem starken, gesunden, festen Willen. Eie will diesen Namen verdienen. Für pch und um seinetwillen. Er soll daran gefunden. Soll stark und fest - überwinden. Schön«, wunderfchöne Blandine! Du bist ein Schat ten geworden. Aber nicht al- Gespenst sollst du er scheinen, sonder» al» liebe, wehmutsvoll« Erinne rung ... Die einfache Lesart, die sich hei oberflächlicher Be trachtung mit solcher Selbstverständlichkeit ergibt: Ueberarbeitung und Nervenzerrüttung infolge jahre langer angestrengter, urlaubsloser Tätigkeit, dazu das jähe Erschrecken über die Unglücksbotschaft, gleichsam -er Tropfen, der das Faß zum Ueberlaufen brachte, will ihr nicht einleuchten. Ihr Partner vom Sonnabend Ist bestimmt kein Mensch mit schwer überreizten Nerven gewesen, deren übermäßige Anspannung beim erstbesten Anlaß unbe dingt so schlimm nachgeben mutzte. Das seelische Gleich, gewicht ihres Kameraden Hart war sicher nicht so labil gewesen, um von einem heftigen Schreck derart er schüttert werden zu können. Der Bürovorsteher schiebt die Gummiröllchen zurück und fährt in seinem Schristsatzstil fort, indem er feiner Brusttasche einen verschlossenen Brief entnimmt: „ES handelt sich nunmehr um die Inkenntnissetzung von Herrn Doktor Rainer. Heute ist dieser Brief an Frau Doktor Rainer aus Hamburg gekommen. Vom Chef persönlich geschrieben. Ich habe seine Schrift natürlich sogleich erkannt. Bitte? Zögernd nimmt Helbing das Schreiben. Zögernd tut er das, was man von ihm erwartet. Er öffnet eS un ktest seinen Inhalt vor: „Liebe Dina! , Diesmal schreibe ich Dir schon selbst. DaS sagt Dir ohne besondere Worte alle». Leider will Fechner mich trotzdem nicht auf der Stelle entlassen, wie ich ge wünscht und erhofft habe. Seine Gründe, noch wettere Beobachtung, noch wettere Schonung und so weiter, können mich ebensowenig überzeugen, wie sich meine wachsende Ungeduld zügeln laßt. Und länger als Liese Woche laste ich mich keinesfalls zurückhalten; denn ich fühle mich vollkommen gehellt und gesund. Tag und Stunde meiner Ankunft erfährst Du tele graphisch. Grüße an Dich, meinen alten Franz und ! Las liebe Fräulein Waldner! Dein Bernd." „Ich habe Fechner von dem UnalückSfall Mitteilung gemacht und ihn gebeten, DoktorRainer so lange zurück- zuhalten, bis auch er entsprechend verständigt werden kann," erklärt Ilse Waldner. „Immer und überall beweisen Sie Umsicht," sagt Helbing. Gödicke räuspert sich: „Dürfte ich die Herrschaften bitten, raschest daS Not wendige zu veranlassen, um die Rückkehr deS Chefs nach Tunlichkeit zu beschleunigen. Die Anwesenheit des Herrn Doktor in der Kanzlei ist dringend nötig. Nicht nur zur Fortführung der sehr wichtigen Causen, welche Fra» Doktor bearbeitet hat, sondern auch weil Referen- Lar Burkhardt fehlt. „Wieso fehlt der?" fällt scharf Helbings Frage. „Ist krank." ' ^WaS hat er denn?" Gödicke zuckt bedauernd die Achseln. „Kann ick nicht genau sagen. Art Nervenzusammen bruch. War jedenfalls schon lange mit den Nerven völlig abgewirtschaftet; denn als er am Montagmorgen in der Kanzlei hörte, baß die Chefin verunglückt sei, ist er in Ohnmacht gefallen, wie em hysterisches Frauenzimmer. Na, und seither ist er eben krank." „Sicherlich überarbeitet," meint Ilse Waldner vor sichtig. „DaS mal bestimmt. Lat noch keine Stunde Urlaub genommen seit seinem Eintritt vor zweieinhalb Jah ren." „Hm..." Helbing geht ruhelos im Zimmer auf und ab. „Na, eS ist gut, Herr Gödicke. Und wir halten uns also weiter gegenseitig auf dem laufenden." „Sehr wohl, Herr Helbing. Empfehle mich." Der Bürovorsteher geht mit einer Verbeugung. Zwischen den Zurückbletbenden breitet sich Schweigen aus. Helbing fetzt seine Wanderung durch das Zimmer fort. Ilse Waldner bleibt rUhig auf dem niedrigen Armsessel am Kamin sitzen, dem Platz, den sie die ganze Zeit über Innegehabt hat. Dann wirft ste in die Stille die Krage: „Wann fahren Ste?" „Wohin soll ich denn fahren?" , „Nach Hamburg, natürlich." j „Ist daS wirkuch so natürlich?" „Ja." „Warum muß gerade ich ... lächerlich ..." Er lacht wirklich, wenn man den kranken, wehen Laut Lachen neunen kann. „Wer sollte diese Mission denn sonst übernehmen?" hält ihm die Frau mit entwaffnender Ruhe entgegen. Er erwidert zunächst nichts. Bleibt vor -em Fenster stehen, indes seine Hände sich im Rücken verkrampfen. Dann spricht er. Beginnt mit Bitterkeit und steigert sich in klagende Erregung: „Jawohl... tn mir ist der Typus „Freund" tn Rein kultur verkörpert. Bin dazu geboren, von der Natur ausersehen, vom Schicksal bestimmt, immer und überall „der Freund" zu sein; der Vertraute, der treue Kame rad. der gute Onkel. Ich will ja gar nichts gegen diese Tatsache au sich sagen. Eie trägt bestimmt Beglücken de» in sich. Ich werde nur -um Ankläger ihrer Aus- schließlichkeit, die - grausam ist...! Ich weiß nicht, ob Sie daS verstehen können?!" „Warum sollte ich nicht. Ich kann Ihrer Lage und Verfassung sogar noch weit mehr entgegenbrinaen, als gerade nur knappes Verständnis. Bedenken Eie doch einmal tn aller Ruhe und Objektivität: bin ich nicht daS Gegenstück jene» Typus „Freund" den Ste eben ge schildert haben, daS Gegenstück, ins weibliche abge wandelt? Freundin, Vertraute, treue Kameradin, gute Tante Nie war ich etwas anderes zeit meine» Leben», La» damit begann, daß ich tn frühester Jugend schon die Aelteste meiner mutterlosen Geschwister war. Und so ist e» im Grunde geblieben bis zur Stunde. Und ich fühle dankbar und beglückt die Befriedigung über ein erfülltes Leben." Helbings anfängliche Betroffenheft «eicht raschen, leidenschaftlichen Worten: „Ste sind dieser Typus tn setner edelsten Vollendung. Ich btn freilich ein elender Stümper, ein Narr, ein..." „Halt! Nicht über» Ziel schienen, lieber, junger Freund. Dafür aber sich raten lasten. Lernen Ste, in dem sie Ihren Schmerz bezwingen, sich selbst meistern. Eie müssen Ihrem Weh Lneraisch LU Leihe rücken, SN.'