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Reisebilder. Von Ludwig Möller. III. Frankfurt a. M. — Bei Gebrüder Siesmayer. — Der Palmengarten. Es war an einem sonnigen Sonntagmorgen, als wir, mein allezeit getreuer Reisebegleiter, Garteninspektor Lindahl aus Würzburg und unser gemeinschaftlicher, zu früh dem Leben entrissener Freund Volckmann und der Verfasser dieser Zeilen an den Villenreihen der bockenheimer Landstrasse in Frankfurt a. M. entlang fuhren, unsere Aufmerksamkeit teilend zwischen Lin- dahl’s kundigen Anmerkungen zu den Gartenbildern, die in fast ununterbrochener Reihe an uns vorüberzogen und einem uns vom Zufall bescherten heiteren Gegen über, welches uns in die Eigentümlichkeiten des an heimelnden frankfurter Dialekts einiührte, eine von uns dankbar anerkannte Mühewaltung, welche der Verfasser in Mecklenburgs Mundart wett zu machen suchte. Unser Ziel war die Gärtnerei der Herren Gebrüder Siesmayer in Bockenheim. Wir hatten das Glück, beide Besitzer daheim zu treffen und fanden sie in Be gleitung des mir schon als Zögling der potsdamer Lehr anstalt bekannt gewordenen Herrn Siesmayer jun. im Gespräch mit Herrn Obergärtner Siebert vom Palmen garten. Verehrter Leser! Ich will von vorneherein bekun den, dass ich die Aufgabe nicht in den für diese Reise bilder gezogenen Rahmen gestellt habe: eine Darstellung der Bedeutung der Gebrüder Siesmayer für die Land schaftsgartenkunst zu geben, ebensowenig, wie ich die Absicht habe, eine Beschreibung der Gärtnerei und des Geschäftsbetriebes genannter Herren zu liefern. Ersteres ist bereits im vorigen Jahrgange unserer Zeitung durch Garteninspektor Jäger’s Meisterhand geschehen und für letzteres fehlt mir das Material, denn — offen ge standen — ich hatte nicht Lust, an jenem wonnigen Sommersonntag durch die schwülen Gewächshäuser zu streifen und keine Neigung, mir die Freude an einer interessanten Unterhaltung durch eine Detailmusterung der Gärtnerei zu verkümmern, wie sie für die Bericht erstattung notwendig ist. Die Förmlichkeit der Begrüssung und Vorstellung war bald überwunden und dann löste sich die Gesell schaft in einzelne Gruppen auf. Mit Herrn Gartenbau direktor Heinrich Siesmayer auf und ab spazierend, vertieften wir uns bald in ein uns beide gleich lebhaft interessirendes Thema: die dem gärtnerischen Betriebe durchgehends mangelnde kaufmännische Grundlage, die fehlende Berechnung der Produktionsunkosten als Unter lage für die Ermittlung des Verkaufswertes der gärtne rischen Handelsartikel. Wir sprachen mancherlei darüber, dass die Prosperität des handelsgärtnerischen Betriebes gehoben, die missliche Erscheinung des Schleuderwesens eine Verminderung erfahren würde, wenn sich die Züchter auf Grund zuverlässiger Berechnung über die an ihren Verkaufsobjekten haftenden Produktionsunkosten klar sein würden und zu berechnen vermöchten, zu welchen Prei sen sie verkaufen müssen, um einen ausreichenden Gewinn zu erzielen. Ich hörte mit Interesse Siesmayer’s Er örterungen , belegt durch Beispiele aus seiner reichen Praxis und gedenke noch heute seines mit Nachdruck betonten Ausspruches: „Und ich kriege es noch heraus, was eine einzelne Tanne an Produktionsunkosten ver ursacht hat, wenn sie ein, zwei, drei, vier, fünf oder mehr Jahre alt ist.“ Es war für mich interessant, zu hören, dass das Anlagengeschäft, die vornehmste Spezialität der Firma, in stetig steigender Ausbildung begriffen ist. Zurzeit unseres Besuches waren über zwanzig Anlagen in ver schiedenen Städten (Elberfeld, Kaiserslautern, Wies baden, Heidelberg, Mannheim etc.) in Arbeit. Ich er fuhr, dass im Vergleich mit vergangener Zeit jetzt be deutend mehr und grössere Anlagen — besonders auf Landgütern — ausgeführt, auch höhere Summen für dieselben gezahlt werden, als wie früher. — Äusser diesen in Ausführung begriffenen Anlagen waren der Oberleitung der Firma noch unterstellt die Kuranlagen in den Bädern Nauheim, Homburg und Wiesbaden, der Palmengarten, der Garten der Villa Knoop in Wiesbaden, Villa St. Georgen und Villa Günthersburg bei Frank furt a. M. und etwa 30 andere kleinere Privatgärten, zusammen einen Flächenraum von etwa 1200 Morgen umfassend. — Wir warfen noch einen Blick in die Werkstatt für die aus gerissenem Eichenholz gefertigten Gartenpavillons, Einfriedigungen, Laubengängen etc., und folgten dann gerne einer freundlichen Einladung zum Frühstück und waren bald, uns der liebenswürdigen Bedienung Fräulein Siesmayer’s erfreuend, um einen reich besetzten Tisch vereinigt. An der Wand des Zimmers hing ein Porträt des frankfurter Landschafters Rinz, des Lehrers beider Gebrüder Siesmayer, die in dankbarer Anerkennung ihres alten Meisters ge dachten. Einige alte Kupferwerke landschaftsgärtnerischen Inhalts gaben zur Erörterung des Umstandes Anlass, dass, trotzdem schon vor einem Jahrhundert die Grund regeln der Landschaftsgartenkunst in noch heute gültiger Form dargelegt, doch der Meister so wenige seien. Herr Gartenbaudirektor H. Siesmayer erzählte uns bei dieser Gelegenheil, unter Hinweis auf eine die Wand zierende, von ihm neben vielen andern in früheren Jahren ausgeführte plastische Landschaft, wie sich bei dieser und seiner Berufsbeschäftigung sein Auge er- schlossen habe für die Formenschönheiten der Natur und das Bestreben in ihm lebendig geworden sei, die ihm vorschwebenden Ideale landschaftlicher Szenerien nicht nur im plastischen Modelle, sondern auch in der Wirklichkeit auszuführen. — Es war bei der anregenden Unterhaltung die Zeit enteilt und durften wir mit dem Aufbruch nicht säumen, wollten wir unser Tagesprogramm einhalten. Wir ver abschiedeten uns von unsern gastfreundlichen Wirten mit der Absprache einer gemeinschaftlichen Exkursion durch die grossen Anlagen der Firma in den benach barten Städten und dann vertrauten wir uns der Führer schaft der Herren Siesmayer junior und Obergärtner Siebert an. — Wir betraten den Palmengarten. — Und jetzt, ver ehrter Leser, möchte ich meine Feder aus der Hand legen, bevor ich dem Versuche verfalle, innerhalb des engen Rahmens, der für diese Reisebilder gezogen ist, das herrliche Gartenbild, welches wir sahen, in seinen Einzel heiten und seiner Gesamtwirkung zu schildern. Wenn man bedenkt, dass vordem hier ebnes Feld war und nun diese reichbewegte, durch Blumen, Strauch- und Baumwerk belebte, Tal und Hügel, Fels und Wasser in mannigfaltigster, malerischer Gestaltung zeigende Landschaft durchwandert, dann wird man von Hoch achtung und Bewunderung erfüllt vor jenem schöpferischen Genie, welches dieses Werk, ein Meisterstück der Land schaftsgartenkunst, schuf. Mir kam die Feiertagsstimmung. Die Welt um uns war voll Sonnenschein und das Erdenstückchen, welches von ihm beschienen da vor mir lag, erschien mir wie die Verkörperung des Ideals, welches man der Land schaftsgartenkunst auf kleinem Raum für den Zweck, welchen der Palmengarten dienen soll, stellen darf. Und wie verlockend es nun auch ist, noch einmal im Geiste den Palmengarten zu durchwandern und so sehr auch der Versuch reizt, seinen Blumenschmuck, seine wechselreichen effektvollen Szenerien zu schildern,