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ein Fortschritt, von dem jene umsichtigen Züchter den grössten Nutzen ziehen werden, die sich rechtzeitig auf die erste, lohnendste Ausnutzung dieser zur Geltung gelangenden Spezialität vorbereiten. Welch’ vorzügliche Resultate in der Orchideenkultur erzielt werden, wenn man die schablonenmässige Schwitz bad-Kultur verlässt und zu einer naturgemässeren Be handlung übergeht, den Pflanzen auch einen frischen Lufthauch zukommen lässt, zeigt u. a. das Benary’sche Orchideenhaus in Erfurt, in dem eine reichhaltige Samm lung unter der Pflege des Herrn Obergärtner Jahn in üppigster Entwickelung gedeiht. Versuchsstation für den Gartenbau. In der am 29. September in Hamburg stattgefundenen Sitzung der auf der Wanderversammlung des deutschen Gärtner-Verbandes in Berlin gewählten Kommission für Versuchsstationen (vergl. S. 253) wurde beschlossen, Sr. Excellenz, Herrn Dr. Lucius, Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten in Preussen eine Petition um Einstellung der für Errichtung eines derartigen Instituts er forderlichen Summe in den Etat zu überreichen und die Gärtner- und Gartenbauvereine Preussens, sowie alle für diese Angelegenheit Interessirten um Anschluss an die Petition zu ersuchen. Den von der Kommission genehmigten Entwurf bringen wir nachfolgend zur Kenntnissnahme. Wir werden diese Petition im besonderen Abdruck in der nächsten Zeit den Vereinen zur Unter zeichnung zu senden. An jene Herren, die bereit sind, in ihren Kreisen für diese für den Gartenbau hochbedeutungsvolle Sache zu wirken, richten wir das Ersuchen, sich mit uns in Verbindung setzen zu wollen. Besonders erwünscht ist es, dass auch von den Gärtnern und Gartenfreunden in den anderen deutschen Ländern die Regierungen um die Errichtung von Versuchsstationen für den Gartenbau er sucht werden. Wir sind gerne bereit, die Wege hierfür ebnen zu helfen. Die über die Notwendigkeit und die Aufgaben einer pflanzen physiologischen Versuchsstation für den Gartenbau auf der Wander versammlung des deutschen Gärtner-Verbandes in Halle und Berlin gepflogenen Verhandlungen sind durch die Veröffentlichung in der „Deutschen Gärtner-Zeitung“ allgemein bekannt geworden. Der Schluss der auf Grund dieser V erhandlungen ausgearbeiteten nach folgend mitgeteilten Petition nimmt Bezug auf die vom preussi schen Landtage im Jahre 1876 für die Errichtung einer Versuchs station in Potsdam im Anschluss an die königliche Gärtner-Lehr anstalt bewilligte Summe von 54,000 M., welche, lokaler Schwierigkeiten wegen, jener Zeit für Potsdam nicht zur Verwen dung kommen konnte. Die wohlwollende Fürsorge, welche seitens der Regierung dem Gartenbaue, u. a. durch die Errichtung der Gärtner-Lehranstalten, durch Beihülfe zu Ausstellungen etc. zu teil geworden ist, gibt die Bürgschaft, dass den berechtigten For derungen des Gartenbaues, entsprechend seiner volkswirtschaft lichen Bedeutung, in der weitest möglichen Weise entgegen ge kommen wird. Wir erwarten umsomehr, dass in den beteiligten Kreisen des Gartenbaues die Kommission für die Petition die aus reichendste und nachhaltigste Unterstützung findet. Das Bureau des deutschen Gärtner-Verbandes in Erfurt. Petition an Se. Excellenz Herrn Dr. Lucius, Minister für Landwirtschaft, Domänen nnd Forsten in Preussen. Euer Excellenz beehren sich die ergebens! Unter zeichneten folgendes Gesuch zu unterbreiten und dem Wohlwollen Euer Excellenz besonders zu empfehlen. Deutschlands und speziell Preussens Gartenbau hat in den letzten Jahrzehnten einen so erfreulichen Auf schwung genommen, dass er als ein Faktor von volks wirtschaftlich hoher Bedeutung der besonderen Pflege eines hohen Ministeriums teilhaftig wurde, indem das selbe zur Hebung des Gärtnerstandes die segensreich wirkenden pomologischen Institute in bewährten Händen zur Entwicklung brachte. In dem Maasse, als der deutsche Gartenbau seinen Wettstreit mit dem Auslande aufnahm, kam er auch immer mehr zur Erkenntniss, dass er gegenüber den günstigeren Produktions- und Handelsverhältnissen anderer Nationen sich nur konkurrenzfähig durch erhöhte Anstrengung und Intelligenz in Be wältigung der klimatischen Schwierigkeiten halten kann. Geräde unsere oft rauhen und unzuverlässigen Witterungsverhältnisse erfordern nicht blos eine erhöhte Aufmerksamkeit bei Ueberwachung der Kulturen, son dern auch ein eingehendes Studium über das Verhalten unserer Kulturpflanzen gegenüber den Schwankungen der Wachstumsfaktoren, damit wir die so häufig auf tretenden Schädigungen und Krankheiten vermeiden lernen. Wir müssen z. B. kennen lernen, wie wir bei unseren Treibereien die mangelhaften Lichtverhältnisse besser ausnutzen können, um die Konkurrenz südlicher Länder mit günstigerer Besonnung aushalten zu können. Wir müssen namentlich kennen lernen, wie wir die geringen Wärmequantitäten nördlicher Klimate besser verwerten und uns am besten gegen die enormen Frost beschädigungen schützen können, welche unsere Kul turen zeitweise heimsuchen. Die Möglichkeit eines solchen Schutzes ist vorhanden: es müssen die passend sten Boden- und DüngungsVerhältnisse herausgesucht werden, welche die Pflanzen rechtzeitig holzreif und damit widerstandsfähiger machen; es müssen allerlei Vorbeugungsmittel geprüft werden, welche event. als Schutz bei Frostgefahr angewendet werden können; es müssen namentlich Varietäten, die frostharter sind, gesucht und unter verschiedenen Anbauverhältnissen geprüft werden. — Die der Landwirtschaft so reich lich zu Hülfe kommende Düngerlehre müssen wir auf die gärtnerischen Kulturpflanzen anwenden lernen. — Die Lehre von der Vermehrung durch Saat, Stecklinge, Veredlung, Hybridisation u. dgl. muss wissenschaftlich ausgebildet werden, damit grade wir mit unsern un günstigen klimatischen Verhältnissen rationellere Me thoden und damit weitere Fortschritte erlangen. — Den uns auf Schritt und Tritt entgegentretenden Erscheinungen von Misswachs und Krankheiten müssen wir besser be gegnen lernen; aber vorläufig kennen wir nur von sehr wenig Krankheitserscheinungen den Zusammenhang. Diese wenigen Beispiele zeigen die Menge der Auf gaben, welche der Garten- und Obstbau zwecks weiterer Fortschritte ihrer Lösung entgegenführen muss. Die Lösung kann nur durch wissenschaftliche Kräfte erfolgen, die sich ausschliesslich diesen Fragen widmen können. Viele, oft fruchtlose Versuche, viel Aufwand an Zeit und auch an Mitteln müssen gemacht werden, bevor sich günstige Resultate von praktischer Ver wendung erwarten lassen. Die Kosten sind trotz der Notwendigkeit solcher Arbeiten weder von Einzelnen noch von Verbänden zu erschwingen. Der Gartenbau ist zu arm; er arbeitet nicht, wie die Landwirtschaft, mit grossen Flächen und Summen; sein Wert liegt in der erhöhten Intelligenz des einzelnen technischen Arbeiters, der einer kleinen Bodenparzelle mehr Ernten abzugewinnen versteht und desshalb die Kunst repräsentirt, die grösste Menschen anzahl durch Bodenkultur zu ernähren. Bei dieser Armut des Gartenbaues ist keine Aus sicht vorhanden, dass aus Privatmitteln eine Station gegründet werden könnte und dass nur, wie bei land wirtschaftlichen Stationen, ein wesentlicher staatlicher alljährlicher Zuschuss die Unterhaltung deckte. Hier liegt die Notwendigkeit der Gründung einer ausschliess lich staatlichen Institution vor, wie sie ein hohes Mi nisterium auch durch die Gründung pflanzenphysio logischer Versuchsstationen an den pomologischen In stituten anerkannt hat. Wir verkennen keineswegs den Nutzen, den diese den pomologischen Instituten affilirten Stationen dem Gartenbau bisher gebracht haben, ja wir heben sogar hervor, dass wir aus voller Ueberzeugung den Leistungen der Stationen unsere wärmste Anerkennung zollen; aber