Volltext Seite (XML)
der mit so grosser Hingebung und Mühe wie Roezl es getan, sich dem Aufsuchen mexikanischer Nadelhölzer widmen wird. Viele, viele Nächte hat Roezl seiner Zeit auf den Vulkanen Popocatepetl und Iztaccihuatl und auf dem Nevado de Toluca in einer Höhe zwischen 1 ’ bis 13000 Fuss, bei 4—6 Grad Kälte im Freien zu gebracht ; emsig hat er in fast unzugänglichen Schluchten Baum um Baum nach guten Zapfen abgesucht. Dass es auf diesen Exkursionen an merkwürdigen und oft lebens gefährlichen Ereignissen, mit deren Erzählung wir ganze Spalten füllen könnten, nicht gefehlt hat, das kann sich der geneigte Leser wol lebhaft vorstellen. Bald hatte Zuloago mit dem General Miramon (derselbe, der am 19. Juni 1867 mit dem unglücklichen Kaiser Maximilian in Queretaro erschossen wurde), eine neue Revolution angezettelt, Mexiko wurde be schossen und gerade Roezl’s Besitzung hatte viel zu leiden. Zu Ostern 1858 zog Miramon als Sieger in Mexiko ein. Wochen vergingen, ehe sich die Aufregun gen der Schreckensherrschaft etwas legten und einer allerdings nur oberflächlichen Ruhe Raum gaben. Ohne Hülfe, denn fast alle Arbeiter waren unter den Waffen oder geflüchtet, konnten die Kompagnons den Garten nur notdürftig bestellen und wiederum musste alle Hoffnung auf eine bessere Zukunft gesetzt werden. Im Oktober 1859 unternahm Roezl abermals eine grosse Reise, die 5 Monate dauerte, durch die Staaten Michoacan, Guerrero, Oaxaca, Pueblazurück nach Mexiko. Bei dieser Gelegenheit wurde auch der damals gerade vor 100 Jahren entstandene Vulkan Jorullo, im Süden des Dorfes Ario (St. Michoacan) bestiegen und sein Kra ter unter grossen Beschwerden eingehend untersucht. Mit dem Vulkan war im Jahre 1759 ein ganzer Land strich in die Höhe getrieben worden und die auf diesem vulkanischen Boden herrschende Hitze hatte jedes Be treten für lange Zeit unmöglich gemacht; erst nach und nach war eine Abkühlung eingetreten und daraufhin hatte sich auch wieder Vegetation angesiedelt. Roezl hat öfters erzählt, wie ihn gerade die dort entwickelten kleinen Lycopodien überrascht haben, weil weit und breit in der unbeeinflussten Vegetation keine derartigen Pflanzen zu finden waren, die eine Herwanderung hätten erklärlich erscheinen lassen. In der Gegend des Jorullo wurden verschiedene Orchideen und von Palmen eine schöne Brahea mit essbaren Früchten von Roezl auf gefunden. Nach einem gefährlichen Uebergange über den Rio de las Balzas wurde Roezl durch die Aufständischen am Besteigen der Verberge der Sierra Madre gehindert, denn denen wollte es natürlich nicht in den Kopf, dass jemand nur um Pflanzen zu sammeln so weite Reisen unternehme, sie sagten, Roezl müsse ein spekulativer Nordamerikaner sein, der oben auf der Sierra einen Schatz vergraben wisse und den zu heben komme. Roezl kehrte scheinbar um, erreichte aber einen der Vorberge dennoch, wenn auch auf grossen Umwegen und hatte die Freude, dort die herrliche Galeandra Baueri zu sehen. Der Aufstieg zur Sierra Madre selbst brachte einen ent setzlichen Anblick, denn Roezl musste durch einen abgebrannten Wald, über die verkohlten Leichen vieler hundert mexikanischer Soldaten hinweg seinen Marsch nehmen; diese Unglücklichen waren von ihren Feinden umzingelt und durch Abbrennen ihres Zufluchtsortes ver nichtet worden. Roezl wurde aber nicht lange in Frie den gelassen, sondern abermals gefangen und vor den Gouverneur des Staates Guerrero geschleppt. Dieser versah den Reisenden allerdings mit einem Freipass, aber nun waren Roezl und seinen Begleitern die Lebens mittel ausgegangen und als er nach Acupulco kam, um sich dort zu verproviantiren, geriet er mitten in den Jammer und Schrecken des gelben Fiebers. Er zog es daher vor, sich nach Südosten, in den Staat Oaxaca zu wenden. Hier unter einer fast reinen Indianerbevölkerung war wieder die Verständigung sehr erschwert, denn der Reisende befand sich zunächst unter Nachkommen der Otomiten, um dann auf die Zapotecos zo stossen. Nach achttägiger Reise kam Roezl nach Juquila und obgleich es ihm damals recht schlecht er ging, so sollte doch dieser Ort in späteren Jahren für ihn noch traurigere Erinnerungen bringen, denn dort erlag, 15 Jahre später, sein hoffnungsvoller Neffe Franz K1 a b o c h dem Typhus. Auf der Weiterreise in einem Lande, dessen Ein wohner im vollsten Aufruhr sich befanden, sollte für Roezl sogar der in Guerrero erhaltene Pass gefährlich werden, denn dieser wurde Veranlassung, dass er ge fangen und dem General Cobos in Oaxaca übergeben wurde. Cobos nahm ihn freundlich auf und vertröstete ihn auch, dass in kurzer Zeit der Aufruhr gedämpft und der Weg nach Mexiko wieder frei sein werde. Das bewahrheitete sich leider nicht und nach längerem War ten entschloss sich Roezl zur Weiterreise, seinen Zug über die einsame, unwegsame Sierra nehmend, die ihm täglich neue, kaum geahnte, kaum zu bewältigende Hin dernisse brachte. Trotzdem gelangte Roezl endlich nach Orizaba-und hatte unterwegs den Genuss gehabt, auf den kalten, selten betretenen Höhen, die Pracht pflanzen Tillandsia imperialis, Odontoglossum Bossi ma- jus, Epidendrum vitellinum in grosser Menge anzutreffen. Weiter, gegen Puebla hin fiel er noch einmal den Räu bern in die Hände, glücklicherweise besass er nichts mehr, was des Raubens wert gewesen wäre und so konnte er denn endlich, selbst ziemlich abgerissen, seinen Einzug in die Hauptstadt halten. Diese grosse Reise ' hatte hauptsächlich den Zweck gehabt, die Standorte neuer und schöner Pflanzen aufzufinden, um diese später, wenn gesicherte Zustände eingetreten sein würden, zu sammeln und entweder nach Mexiko, oder gleich nach Vera-Cruz zur Verschiffung zu senden. Indem wir einen grösseren Zeitabschitt und minder wichtige Reisen Roezl’s übergehen, wollen wir uns nun seinen Unternehmungen für Einführung der Kultur der Ramie, Boehmeria, zuwenden. Es ist eingangs erwähnt worden, dass Roezl die aus Europa mitgebrachten Pflanzen glücklich nach Vera-Cruz brachte. Als sich nun das Geschäft B. Roezl & Co. in Borga etablirt hatte, wurde ein Landstrich zum Anbau der Ramie ausersehen, in dertierracaliente, der heissen Zone, im Staate Vera-Cruz, an der Küste des Golfes und in der Nähe der Laguna de Santecomapan belegen. Roezl konnte die ersten Vorbereitungen dort nicht selbst über wachen, daher wurde die Vermehrung und Weiter kultur der Pflanzen einem gewissen Faht übergeben. Roezl hielt es nach einer Besichtigung für not wendig, diese Ramie-Pflanzung in Santecomapan selbst in Bewirtschaftung zu nehmen und nun begann eine grosse und schwierige Arbeit. Vor allem musste dem Mangel an Arbeitskräften abgeholfen werden, sollte die Pflanzung nicht zu Grunde gehen. Roezl liess daher 2: Familien aus der Hauptstadt herunter kommen; aber bald zeigte es sich, dass diese Leute dem mörderischen Klima der tierra caliente nicht gewachsen waren. Ein zweiter Schritt war, eine Schiffsverbindung zwischen dem Orte und Vera-Cruz einerseits und mit Campeche andererseits ins Leben zu rufen, zur leichteren Ein- und Ausfuhr von Waren. Mit der Eröffnung des kleinen Hafens von Santecomapan machte sich auch die Schaffung einer Zollbehörde notwendig und Roezl wurde von der Regierung mit diesem Amte betraut, auch provisorisch