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legung des Gegentheils im Rechtsmittelwege überlassen werden kann.“ Wir sind dem Ober-Verwaltungsgerichte für diese Warnung von Herzen zu Dank verpflichtet. Die höchste Instanz des preussischen Staates in Steuerfragen sagt also: „Wer sich heute als „Kunst- und Handelsgärtner“ bezeichnet, erkennt die Steuerpflicht für seinen Betrieb im Prinzip an.“ Dass diese uns in Fleisch und Blut übergegangene, althergebrachte Bezeichnung einmal für die Träger derselben ein solches Verhängniss bedeuten würde, hat wohl Niemand geahnt! Der Buchstabe ist ent scheidend, denn einem Berufung einlegenden Gärtner, welcher versuchte, zu beweisen, dass er eigentlich nach der Auffassung des Gerichtes kein Kunst- und Handels gärtner sei, wurde bedeutet: „Auf Ihrem Firmenschilde steht’s aber doch!“ Leicht wird es nicht sein, diesen ge bräuchlichen Ausdruck nun auf einmal wie einen alten Rock auszuziehen, aber es giebt ja noch etwas, was näher ist als der Rock. Die heutigen Verhältnisse zwingen dazu, den „Kunst- und Handelsgärtner“ zu begraben, der Aus druck „Gärtnereibesitzer“, der schon vielfach gebraucht wird, ist ja auch nicht übel. * # Züchterschutz? Von Seiten landwirthschaftlicher Samenzüchter ist für die Berathung des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb eine Eingabe an den Herrn Landwirth- schaftsminister und den Reichstag gemacht worden, welche einen Züchterschutz befürwortet. Man giebt sich in den genannten Kreisen der Hoffnung hin, dass auch aus dem Bereiche der Gärtnerei diese Bestrebungen als durchaus nothwendig anerkannt und deshalb unterstützt werden. Wir leisten der an uns ergangenen Anregung Folge, indem wir nachfolgende Sätze der „111. Landw. Ztg“, welche eine Begründung des verlangten Schutzes enthalten, entnehmen. „Wenn auch, wie die Erfahrung lehrt, erst unter Tausenden auf künstlichem Wege gewonnener Neuzählungen sich nach jahrelanger Prüfung durch vergleichenden Anbau ein Individuum herausfinden lässt, welches mehr nutzbare Eigenschaften als seine Stammeltern besitzt, wenn auch der Züchter weiss, dass seine Thätigkeit eine Art Danaiden arbeit ist, bei welcher der pflanzliche Atavismus*) das Sieb darstellt, wenn er auch weiss, dass nur ein winzig kleiner Bruchtheil seiner Bienenarbeit als Erfolg resultirt, dass an jedem gelungenen Züchtungsproducte fünf bis sechs Jahre und somit ein grosses Stück seiner Lebenszeit hängt, wenn er auch im Voraus weiss, welche Unsummen von Arbeit seiner in dieser Zeit warten, so ist anderseits das wissenschaftliche Interesse an der Sache selbst und die Aussicht etwas Besseres, als das Vorhandene zu schaffen, so anreizend, dass man die auffallend geringe Verbreitung der züchterischen Bestrebungen nicht auf allgemeine Ursachen wird allein zurückleiten können. Nein, es ist ein anderer und geradezu niederdrückender Grund für diese Erscheinung vorhanden: es ist der Mangel jeden gesetzlichen Schutzes des Züchters für seine mühevoll erworbenen Producte. Wenn in einem nicht landwirthschaftlichen Erwerbs zweige irgend etwas erdacht, construirt, genug geschaffen wird, was in derselben Art noch nicht existirt, so steht der gesetzliche Schutz dem Erfinder zur Seite. Es wird dabei nicht die Frage geprüft, ob dieses neue Erzeugniss dem Nutzen der menschlichen Gesellschaft zu dienen geeignet ist. Es sei nur an das „Krikri", an das „Pst“ *) Vererbung gewisser Eigenthümlichkeiten auf die Nach kommenschaft, insbesondere diejenige Art dieser Erblichkeit, wobei bestimmte Eigenthümlichkeiten erst wieder in späteren Generationen, nachdem sie schon lange erloschen zu sein schienen, plötzlich zum Vorschein kommen. = D. Red. erinnert und so könnte noch eine Menge entbehrliches gesetzlich geschütztes Zeug angeführt werden. Das gleiche trifft bei schriftstellerischen Leistungen zu. Es kann Jemand den unsinnigsten, schwülstigsten, ja die Volksseele geradezu vergiftenden und verwirrenden Roman oder auch etwas Anderes schreiben, der Eigen thumsschutz darf nicht versagt werden. Es kann die Volksleidenschaft im höchsten Grade aufgewühlt werden, der Autor hat den gesetzlichen Schutz seines gefährlichen Productes. Nur der Züchter landwirthschaftlicher Nutzpflanzen, welche bestimmt sind, Tausenden seiner Mitmenschen — nicht allein den unbeliebten Agrariern — Nutzen und Sogen einzubringen, dieser Arme steht mit seinen Neu schöpfungen ausserhalb der übrigen stattlichen Gesellschaft. Wenn solch’ ein Unglücksmensch nach 5 bis 6 mühevollen und einen nicht unerheblichen Kostenaufwand verursachen den Prüfungsjahren mit einer verbesserten landwirthschaft lichen Nutzpflanze an die Oeffentlichkeit kommt, so stürzen sich sofort die Sortimentsbauer, deren es in jeder Provinz mehr als ein Dutzend giebt, auf diese Neuzüchtung, kaufen oder lassen ein Quantum davon aufkaufen und vermehren dieses so schnell, als es geht. Im nächsten Jahre bringen sie die Neuzüchtung um ein oder einige Mark billiger als der Züchter, oft mit grosser Reklame, an den Markt; sie können auch aus dem einfachen Grunde viel billiger sein als der Züchter, da sie nicht die Vorkosten wie dieser haben. Auf diese Weise wird der Züchter aus dem Felde geschlagen und erhält in der Regel nicht die Vorkosten gedeckt. Um das mit diesen Manipulationen meist nicht be kannte Publikum zu täuschen, nennen sich diese menschen freundlichen Leute, denen es ja nur darum zu thun ist, „das Gute der Allgemeinheit recht schnell zugänglich zu machen“ — auch „Züchter“, allerdings mit derselben Be rechtigung, wie sich etwa der Barbier „Doktor“ nennen lässt. Diese Leute haben auch noch nach einer anderen Richtung hin ein viel leichteres Geschäft. Der Züchter hat die Verpflichtung, nur echt und un vermischt zu liefern. Die Liebe zu seinem Produkte — welches immer mehr oder weniger ein Schmerzenskind ist —■ lässt dies auch garnicht anders zu. Passirt nun dem Nachbauer — ich will annehmen unabsichtlich— eine Ver mischung des neuen Zuchtproduktes mit einer anderen älteren und billigeren Varietät, so ist der Züchter der Hintermann, auf den er sich berufen kann, die betreffende Art in diesem Zustande erhalten zu haben. Ich will noch garnicht annehmen, dass der Reiz in einem flotten Ge schäftsjahre bei kleinem Bestände zu einem „Verschnitt“ verleiten könnte. Das Resultat bei der Züchtung landwirthschaftlicher Nutzpflanzen ist in der Regel, wie bereits erwähnt, das, dass der Züchter nicht seine Vorkosten gedeckt erhält, der Nachbauer — Pseudozüchter — aber wohlhabend wird. Was würde in solchem Falle z. B: im Handelsstande erfolgen: grosses Geschrei in allen gleichgesinnten Blättern und äusser dem Herrn Staatsanwalt eine ganz gehörige Entschädigungsklage Es besteht in dieser Beziehung entschieden eine Lücke in der Gesetzgebung, welches ein hervorragender Parlamentarier —■ nicht Agrarier, sondern Jurist — kürzlich dem Schreiber dieses zugestand, und diese sobald als möglich auszufüllen, bietet sich in nächster Zeit bei dem in Aussicht stehenden Gesetzentwurf gegen den unlauteren Wettbewerb eine geeignete Gelegenheit. Von einem Mitgliede einer höheren Instanz der landwirth schaftlichen Interessenvertretung wurde dem Schreiber auf ähnliche Vorstellungen wie vorstehend, eingewandt, dass der Züchterschutz bei landwirthschaftlichen Neu züchtungen erhebliche, technische Schwierigkeiten biete. Ich denke aber, man hat sich mit dieser Frage noch nicht gehörig beschäftigt, sonst würde man gefunden haben, dass die technische Frage nicht schwieriger, als ander wärts ist. Es war doch wohl nur die Sachverständigen-