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Handelsblatt für den deutschen Gartenbau etc. 103 No. 15 Gesammteinfuhr des deutschen Zollgebietes in den freien Verkehr und Ausfuhr aus dem selben in den Jahren 1890 und 1894, Es sind gerade lü Jahre her, dass durch die Umfrage des Vereins zur Beförderung des Gartenbaues in die Er örterung des Schutzzolles für gärtnerische Produkte ein getreten wurde. Zuerst nur durch eine kleine Minderheit der deutschen Gärtner vertreten, gewannen die Anhänger eines Schutzzolles immer mehr an Boden; zur Zeit der Hamburger Versammlung schon zeigte es sich, dass die überwiegende Mehrzahl der Gärtner auf Seiten des Schutz zolles stand: die Zahl der Gegner verringerte sich fort während, je dringender durch die immer mehr steigende Einfuhr die Nöthwendigkeit eines Schutzes zu Tage trat. Dazu kam noch, dass die Länder, in denen wir unsere Hauptabsatzgebiete erblicken mussten, ihrerseits zu dem Entschluss kamen, den heimischen Gartenbau durch Schutz zölle zu stärken. Oesterreich, Russland und Schweden erhoben Einfuhrzölle auf gärtnerische Produkte, nur die deutsche Regierung verschloss sich den berechtigten Wünschen eines aufblühenden Standes. Die mit Oesterreich- Ungarn, der Schweiz, Italien, Belgien und Russland ab geschlossen Handelsverträge bereiteten den gärtnerischen Schutzzollbestrebungen vorläufig ein Ende, die deutsche Gärtnerei musste sich dem Gesammtinteresse, welchem angeblich die abgeschlossenen Verträge dienen sollten, unterordnen. Es finden nun in diesem Jahre allgemeine Erhebungen statt; dieselben sollen ein vorläufiges Bild ergeben, welche Wirkungen denn eigentlich die Handelsverträge gehabt haben. Auch wir halten den Zeitpunkt für geeignet, Ver gleiche anzustellen und Schlüsse zu ziehen, ist es doch auch gerade 10 Jahre her, dass wir zum ersten Male Zahlen über die Ein- und Ausfuhr veröffentlichten, wie überhaupt vor 10 Jahren bei der statistischen Bearbeitung zuerst eine Trennung zwischen den abgeschnittenen Blumen und den lebenden Gewächsen erfolgte. Es ist keine freu dige und angenehme Ostergabe, die wir unseren Mitgliedern in nebenstehender Tabelle bieten, möge sie nicht störend in die Feiertagsstimmung hineingreifen, vielmehr den Ent schluss zeitigen, sich immer fester zu gemeinsamer Arbeit zusammenzuschliessen, um zu gegebener Zeit kraftvoll für die bedrohten Interessen unseres Standes eintreten zu können! „Es handelt sich nicht darum, nur mit der jetzigen Ein fuhr zu rechnen, die Einfuhr wird immer mehr steigen, dazu sind die Vorbedingungen zu günstig; das Verhältniss wird in fünf Jahren noch viel schlechter geworden sein." Diese Worte äusserten wir in der Hamburger Schutzzoll-Ver sammlung 1887, nicht ohne dabei auf Widerstand zu stossen, denn „das könne man ja doch noch nicht wissen“. Wir hätten lieber gesehen, dass die damaligen Gegner Recht behalten hätten, aber selbst diejenigen, die der gleichen Ansicht waren, konnten nicht ahnen, dass das Verhältniss ein derartig schlechtes werden würde, wie es leider die nebenstehende Tabelle ergiebt. Eines muss bei der Beurtheilung der Verhältnisse noch berücksichtigt werden. Unser Beruf hat in den letzten 5 Jahren eine bedeutende Ausdehnung und Vergrösserung erfahren. Die Zahl der Gärtnereien ist gewachsen, mit ihr die Konkurrenz im Inlande selbst; die technischen Hülfsmittel haben eine weitere Vervollkommnung erfahren, haben uns in jeder Beziehung leistungsfähiger gemacht. Alles dies drängte mit Nothwendigkeit darauf hin, der Gärtnerei neue Absatzgebiete zu verschaffen, es musste versucht werden, die Ausfuhr zu steigern, schon allein angesichts der immer mehr steigenden Einfuhr. „Ent spricht das Resultat diesen gegebenen Vorbedingungen, entspricht es der vorhandenen Nothwendigkeit?“ das ist die Hauptfrage, auf die es ankommt. Die Antwort darauf giebt die Statistik in einer niederschmetternden Weise. Wir beginnen bei den abgeschnittenen, getrockneten Blumen u. s. w. Die Einfuhr (wo nicht besonders bemerkt, ist immer der Zeitabschnitt von 1890—1894 gemeint) hat um 783 900 kg, die Ausfuhr um 4800 kg zugenommen. Das Verhältniss ist gleich 163—1! Während die Einfuhr in den letzten 10 Jahren um 2 000 000 kg zunimmt, vermehrt sich die Ausfuhr um 173 600 kg, von denen aber auf die Zeit vor den Handelsverträgen 168800 Kilo fallen. Der Löwenantheil der Mehrleistung in der Einfuhr fällt auf Italien und Oesterreich-Ungarn, jedoch haben auch alle anderen Länder bei dem geduldigen Deutschland ihre Rechnung gefunden. Von der Ausfuhr ist nichts Beson deres zu erwähnen, dieselbe hat nach Grossbritannien weit über ein Drittel abgenommen, nach Russland und namentlich Oesterreich-Ungarn etwas zugenommen. Wir kommen zu den lebenden Gewächsen, Blumen zwiebeln u. s. w. Die Einfuhr hat hier 1256 000 kg, die Ausfuhr 401 300 kg zugenommen. Der bedeutendste Theil der Einführzunahme entfällt, Wie nicht anders zu er warten, auf Holland mit über 800 000 kg. Hat doch die Einfuhr Hollands sich in den letzten 10 Jahren fast ver dreifacht, diejenige Belgiens sich im gleichen Zeitraum fast verdoppelt! Wie bei der abgeschnittenen Waare Italien und Frankreich, so ist es bei den Pflanzen vor allen Dingen Holland, welches die heimische Gärtnerei in der unverantwortlichsten Weise schädigt. Wir werden uns mit der holländischen Konkurrenz bei der nächsten Position weiter beschäftigen. Von dem Mehr der Ausfuhr von 401 300 kg entfällt beinahe dreiviertel auf Oesterreich- Ungarn allein. Dass die Ausfuhr nach Oesterreich trotz des Zolles eine erfreuliche Zunahme aufzuweisen hat ist nicht das Verdienst der deutschen Gärtnerei allein, sie liegt in den dortigen Verhältnissen begründet. Auch in dem Nachbarreiche sind die Ansprüche in gärtnerischer Beziehung gestiegen und zur Zeit ist Oesterreichs Gärtnerei' noch nicht in der Lage, sie allein befriedigen zu können, man ist eben gezwungen, einen Theil des Bedarfes in Deutschland zu decken. Es ist uns aber — und das ist der Unterschied — noch keine Stimme von dort zu Ohren gekommen, in welcher geklagt wird, dass die deutsche Einfuhr für Oesterreichs Gärtner dieselben Missstände und Schädigungen mit sich brächte, wie dies bei uns mit der Einfuhr unserer Konkurrenten der Fall ist. Die Ausfuhr nach Russland und Schweden ist, wie nicht anders zu erwarten, zurückgegangen, auch diejenige nach der Schweiz. — Das deutlichste Bild, wie sehr Zoll schranken und Handelsverträge geschadet haben, bietet die Gemüse-Statistik. Hier ist die Einfuhr um 22096300 kg gestiegen, die Ausfuhr um 13436810 kg gefallen! „Zahlen beweisen“, sagt man immer, nun, hier ist der Beweis! Es dürfte ja auch selbst den Regierungen nicht mehr un bekannt sein, in welch trauriger Lage sich die deutsche Gemüsegärtnerei befindet, wie viele Existenzen in diesem mühsamen und arbeitsreichen Betriebe bereits vernichtet sind. • Dänemark, das selbst einen Eingangszoll auf Gemüse erhebt, weist ein Mehr von fast 2 Millionen, Italien von 3 Millionen, Holland von 7 Millionen und Oesterreich von 8 Millionen kg auf. Als fühlbarste Konkurrenz macht sich auch hier wieder diejenige Hollands bemerkbar, fast die Hälfte der Gesammteinfuhr kommt von dort. Wir hörten in diesen Tagen, dass in rheinischen landwirthschaftlichen Kreisen die Absicht besteht, eine Schutzzollagitation, welche sich gegen holländische Meiereiprodukte und Gemüse richten soll, einzuleiten. Vertragsbestimmungen stehen dem Zoll, so viel wir zu wissen glauben, nicht ent gegen. Unsere rheinischen Kollegen sollten zu dieser Sache Stellung nehmen, gerade sie, als die am meisten Geschädigten, könnten den Anstoss dazu geben, die Frage allgemeiner zu machen und im Verein mit den Land- wirthen ihrer Durchführbarkeit näher zu treten. Die Aus dehnung auf andere Produkte wie die genannten bliebe ja vorbehalten. — Eine bedeutende Minderausfuhr von Gemüse u. s. w. ist nach Grossbritannien, Frankreich und der Schweiz zu verzeichnen, viel bedeutender noch muss jedoch der Ausfall im Verkehr mit Russland, Schweden, Norwegen und Dänemark sein, da diese Länder in der