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Putten. Im Dieburger Volksmund hießen diese Figuren ,.nackige Buwe“. Sehr eigentümlich ist ihre Anordnung. Vier von ihnen stehen auf dem Bogen des Halbkreises, zwei weiter rückwärts nach den Zwickeln hin. Was die holländischen Gärtner an Figuren im 18. Jahrhundert aufstellten, übersteigt ja alle Vorstellungen und hat geradezu zu ihrer Bekämpfung in der Frühzeit des landschaftlichen Stils Anlaß gegeben. Nun ist noch einer außerhalb dieses Gartenbezirks gelegenen Fläche zu gedenken, die zu der holländischen Partie in Beziehung steht. Der Plan bezeichnet das Geländestück südlich der holländischen Partie als „M eyde des Schweizer Viehes“. Hier hat sich der Zeich ner offenbar in der Beschriftung geirrt. Denn das Dieburger Ge lände hat keinen alpinen Charakter. Die Viehweide neben dem hol ländischen Garten entspricht völlig den niederländischen Verhält nissen. Wenn der Kulturmensch in die freie oder gestaltete Natur tritt, dann will er nicht nur Bäume und Pflanzen, sondern auch Tiere sehen. Der Holländer liebt das leuchtende Grün seiner Weiden und die schimmernden Leiber grasender Kuhherden. Ob in Dieburg Sim- menta’er oder Holländer Vieh weidete, ist gleichgültig: der Gedanke, Park und Weide miteinander zu verbinden, ist kennzeichnend für den Holländer. Von ihm übernahm es erst der Engländer. Man beachte, dß diese Weide schattenspendende Baumgruppen hat. Hat nicht der Gärtner oder sein Auftraggeber daran gedacht, daß er hier Szenen begegnen wird die Paul Potter mit der Leuchtkraft seiner Farben verherrlichte? Wir müssen uns vergegenwärtigen, daß diese Diplo maten des 18. Jahrhunderts hierher flüchteten, wenn sie der Erholung bedurften von dem überkultivierten Leben der Rokokohöfe. Hier harrte ihrer die Erfüllung ihrer Natursehnsucht, wie man sie da- mals sich wünschte, die freilich anders geartet war als die Vor stellung, die wir heute von Naturverbundenheit haben . . . Hier soll nun nicht die Auffassung vertreten werden, als handele es sich bei dem holländischen Gartenstil um eine ganz nach eigenen Gesetzen geformte Stilrichtung in der Gartenkunst. Dies kann nicht behauptet werden, weil die großen Gartenanlagen der Niederlande zeitlich erst nach den italienischen und französischen Vorbildern ent- stunden sind und keine wesentlich neuen Elemente in Anwendung gebracht haben. Aber in der Art der Kanalführung, im Reichtum der Bepflanzung vor allem mit Tulpen, in der Verkleinerung der Ver hältnisse und der überreichen Anwendung plastischen Schmucks stellen sie eine Sonderform des geometrisch gegliederten Gartens dar und sind daher in der Beschreibung auch als eine in holländischer Art ausgeführte französische Partie aufgefaßt. Diese holländische Sonderform ist allerdings in der Geschichte der Gartenarchitektur von weit ausgreifenderer Wirkung gewesen, als selbst die Fachliteratur im allgemeinen weiß. Die politische Ver bindung mit Spanien hat dazu geführt, daß die älteren spanischen Gärten mit den aus Holland empfangenen Anregungen ausgestaltet wurden, und noch im späten 18. Jahrhundert hat Zar Peter der Große die russischen Gärten nach den Mustern anlegen lassen, die er wäh rend seiner Lehrjahre in Holland kennengelernt hatte. DIE MÄRKERLINDE, EIN ALTEHRWÜRDIGER MALBAUM VON Dr. K. DIEL, DIEBURG (Die Ziifern in den Klammern weisen aui die im Anhang autgelührten Schriften) Aus den Kreisen der Gartenfachleute ist nicht nur meiner Darstellung des Dieburger Parks lebhaftes In teresse entgegengebracht worden (siehe Seite 1—3 d. Ausg.), der Blick hat sich darüber hinaus in beson derem Maße auf die dort wiedergegebene Märkerlinde gerichtet (V a, 27). Im folgenden widme ich daher die sem den Gartengestalter besonders interessierenden Baum eine Sonderdarstellung (s. Bild 4). Als B. de la Rocque seinen Dieburger Stich in den Jah ren 1751/53 zeichnete, waren von der Baumkrone der alten Märkerlinde nur noch zwei Stufen vorhanden; daß unten eine dritte ehedem ihre Aeste ausbreitete, be die von der Natur gegebenen Malstätten für Gerichts- 'Verhandlungen sind, finden sich außerordentlich häufig in deutschen Landen. Ist doch ein mehrhundertjähriger, vom Saft des Lebens durchströmter Baum das beste Gleichnis der über viele Generationen hinweggreifenden Rechtssatzungen. Daß die Kunst der Baumpflege und Baumgestaltung sich frühzeitig seiner annahm und da bei der Krone ein seiner Bedeutung entsprechendes Aus sehen zu geben trachtete, ist selbstverständlich. Die auffallendste Gestaltungsart ist die Beschneidung in Stufen- oder Stockwerksform, wobei Dreistufigkeit vorherrscht. zeugen die deutlich sichtbaren Stützen. Wie das „Mär kerinstrument“ des Jahres 1429 angibt, das die Linde noch nicht erwähnt, hegte hier der Fauth oder Zent graf von Dieburg im Namen des obersten Märkers, des Kurfürsten von Mainz, alljährlich das „Märkergeding". Hier hielt man Sprache „um Esch und Holzteil“, also um Saatland und Waldnutzung. Die in der Mark Die burg begangenen Waldfrevel wurden bestraft, Verord nungen beraten und er lassen. 15 Gemeinden entsandten ihre Schöffen, erhielten ihr Nutzholz und benutzten die Hut weiden. Noch 1712 be stätigte Kaiser Karl VI. die alten Rechte, doch begannen 1771 die Ver handlungen über die Auflösung der Mark, die 1812 mit der Teilung des Waldgebietes endigten. Schon vorher war die Märkerlinde verschwun den; nur die veraltete Flurbezeichnung „bei den Märkerstühlen“ er innert noch an ihre Stelle (Vb). — Derartige Baum veteranen, die geradezu Es ist nicht einmal annähernd möglich, von der großen Zahl dieser Bäume eine Aufzählung zu geben. Sie sind über das gesamte deutsche Sprachgebiet verstreut (111,57), treten aber besonders häufig auf im Ober maingebiet, in Thüringen, Franken, Hessen, Bayern, dem Odenwald, dem Kocher- und Jagstgebiet. Im Jahre 1889 besaßen von 113 Dörfern der Kreise Meiningen und Hildburghausen 83 ihre Dorflinden (IVb, 218), Davon waren 21 um mauert, 14 gestützt, 7 zu gleich mit Mauern und Gerüst versehen. Oft hat die Dichtung diese ehr würdigen Bäume be sungen. Wolfram von Eschenbach bezeichnet in seinem „Parzival" die Stelle, an der der Held ankommt: man legete einen teppich uf das gras da vermuret und geleitet was durch den schatten eine linde. Die ehemalige Linde zu Allendorf a. d. Werra hat Wilh. Müller zu dem herr lichen Volkslied „Am Bild 1 : Dorflinde zu Hilgershausen bei Kassel Aufn. Mössinger.