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GARTENKUNST ZEITSCHRIFT FÜR GARTEN-, LANDSCHAFTS-U. FRIEDHOFSGESTALTUNG SCHRIFTLEITUNG: MICHAEL MAP PES, BERLIN-CHARLOTTENBURG 4, SCHLÜTERSTRASSE 39 Verlag u. Anzeigenverwaltung: Verlag d. Gartenkunst, Michael Mappes, Berlin-Charlottenburg 4, Schlüterstr. 39. Postscheckkonto Berlin Nr. 501 99 / Fernruf 91 75 88 Bezugspreis: vierteljährlich RM 4.50, Einzelheft RM 2.— Anzeigenpreis: die 4 gespaltene Millimeterzeile (46 mm) 20 Pf. Rabatt nach gesetzl. Vorschrift APRIL 1942 • 55. JAHRGANG • HEFT NUMMER 4 Camillo Schneider: Baum- und Strauch-Auslese für die deutsche Garten- und Parkgestaltung. — Prof. A. Seifert: Veronica filiformis. — H. P. Henke: Bau budenromantik. Alwin Seifert: Deronca filformis Die Warnung von Gartendirektor Singer im Novemberheft der „Gartenkunst“ vor dem „lästigen Neubürger“ Veronica filiformis veranlaßt mich, meine eigenen Erfahrungen mit diesem Ehrenpreis mitzuteilen. Bei meinen Versuchen, auf Staudenbeeten sich selbst erhaltende und alle Bodenbearbeitung über flüssig machende Lebensgemeinschaften aufzubauen, hatte ich vor 12 Jahren als Bodendecke neben anderen niedrigen Stauden (Asarum europaeum, Tiarella cordifolia, Circaea) auch Veronica filiformis verwendet. Unter hohen Stauden bewährte sie sich sehr gut; sie hielt den Boden ständig feucht und schuf beste Schattengare. Sie lief aber unaufhaltsam nach allen Richtungen in die Breite und brachte lichtbedürftige Polsterstauden in längstens zwei Jahren um. Sie wurde mit viel Arbeitsaufwand wieder entfernt und wanderte auf den Komposthaufien. Dabei wurden offensichtlich auf dem Weg über die Wiese ein paar Blättchen verloren. Im nächsten Jahr waren im Rasen ein paar fünfmarkstückgroße Polster, die sorgfältig ausgestochen wurden. Gleichwohl hatte sich bis zum nächsten Sommer ihre Zahl gut verfünffacht; sie wurden ausgestochen. Im dritten Jahre, waren es so viele, daß alle verfügbaren Hände ihrer nicht mehr Herr wurden). Im vierten Frühjahr wurde die ganze Wiese umgefräst, mit 5 öm neu angefahrener Wiesenerde überzogen und dabei ein Versuch mit der bodenständigen Wildrasenmischung gemacht. Im fünften Jahr war die Wiese hervorragend schön, im sechsten wurde die Hoffnung, den allüberall sprießenden Ehrenpreis ausrotten zu können, endgültig aufgegeben. • Im folgenden Jahr bekam ich, eben von einer längeren Reise heimgekommen, den Besuch eines amerikanischen Gartenarchitekten, der sich die Zeit bis zu meiner Ankunft in meinem Garten vertrieb. Er meinte dann, die deutschen Gartengestalter seien ganz besonders raffiniert; einen so schönen Rasen, wie meinen, hätte er noch nie gesehen. Wir gingen zusammen hinaus — die Wiese war wirklich zauberhaft schön. Der Ehrenpreis war in voller Blüte; man stand auf dem Rasen wie in einem See, der alle paar Schritte in anderem Hellblau, Mittelblau, Bläulich weiß glänzte. Ich konnte dem Amerikaner nur sagen, daß ich gegen die mir bis zu diesem Augenblick unbekannte Herrlichkeit sechs Jahre gekämpft hatte, aber schließlich unter legen war. Seither lasse ich den Rasen erst in die volle Ehrenpreisblüte gehen, ehe ich ihn schneide. Das bekommt auch den einheimischen Wildkrokus, die im Rasen liegen (dazu Crocus sieberi, chrysanthus, biflorus weldenii) sehr gut; die erste Mahd ist allerdings mühsam, weil das Gras inzwischen für die Maschine zu lang geworden ist. Diese Arbeit wird aber vielfach aufgewogen durch den Anblick der wochenlang blühenden Ehrenpreis wiese, für den es bei Sonne keinen anderen Ausdruck als „zauberhaft“ gibt. Gänseblümchen stehen wunderschön in diesem silberblauen Teppich, ebenso Narzissen (am besten die einheimische Salz burger Wildnarzisse Narcissus angustifolius) . (Der Ehrenpreis überzieht alle Flächen, auch jene, auf denen sonst nur Moos wachsen würde, und geht bis an den tiefsten Schatten heran, in welchem die Haselwurz mit ihrem in drei Stockwerken übereinanderliegenden Laub schließlich allein das Feld behauptet. Jeder Baumstamm, jeder Busch kommt dadurch aus grüner Fläche heraus. Starkes Betreten hält Veronica filiformis nicht aus; die öfter begangenen Wege zeichnen sich in der Wiese dunkler ab, weil auf ihnen Brunella gnandiflora unbehindert gedeihen kann, die zu jedem richtigen trittfesten Rasen auf frischen Lehmböden gehört. Im Staudengarten aber herrscht seit nunmehr neun Jahren ein zäher Krieg gegen diesen Ehrenpreis, um dessen Verbreitung sich wahrscheinlich auch Ameisen bemühen. Er ist überall, wo es nicht zu trocken ist; die drei letzten nassen Sommer haben es ihm ermöglicht, sogar unter den Polsterstauden der prallsonnigen Mauerbeete Fuß zu fassen. Er nimmt zunächst Milkroform an, hat so winzigkleine Blätter, daß man sie mit freiem Auge kaum sieht und wartet auf seine Stunde. . Die Lehmböden Münchens mit seinen kühlen feuchten Sommern und 800—900 mm Jahresniederschlag bieten Veronica filiformis offenbar die besten Lebensbedingungen. Im Waldfriedhof verwenden sie die Gärtner seit langem; viele Münchener Gärten sind von dieser Pest — eine neue Elodea canadensis! — bereits angesteckt. Ich habe aus der Not eine Tugend gemacht, es ist aber besser, es nicht zur Not kommen zu lassen. Man kann wahrscheinlich den Vormarsch dieses Ehrenpreises über das Alpenvorland nicht mehr aufhalten; um so notwendiger ist es, Veronica filiformis nirgends mehr zu pflanzen, damit diesem -Vormarsch wenigstens nicht neue Ansatzpunkte geboten werden! A p a g e, Veronica!