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Zwei Anlagen von Gartengestalter Wilhelm Hirsch, Wiesbaden. Nicht die verwirrende bunte Vielheit, vielmehr die klare räumliche Uebersicht, nur durch wenige erlesene Gehölze oder Stauden betont, wirkt anregend, vertiefend, beruhi gend und erholend. Für die Anordnung von Lauben, Rankgerüsten, Spielplätzen oder Wasserbecken bedarf es stets eines organischen Anschlusses an das Haus oder der Gartenbegrenzung. Diese Gartenanlagen stellten damals lichte und gepflegte Baum haine vor. Im Laufe der Zeiten entwickelte sich aus den ersten Ansätzen der Steinfügung zu Gräbern, Kultbauten, wie Tempeln, das Forum, Schlösser und Paläste. Aus den Hainen wurden parkartige Anlagen, durchsetzt mit geometrisch ent wickelten Schmuckgärten. Das Ausschmücken mit seinem Höhepunkt im Teppichbeet trat mehr und mehr in den Vor rang. Diese Gärten, einst ganz der Kulthandlung, dem Feier lichen gewidmet, wurden im 18. Jahrhundert Gärten der Lust, der reinen Sinnesfreude, ihre einstige innere und großzügige Dynamik verströmte durch diese vollkommen eingetretene Wandlung in ein Tein Aeußerliches ohne tieferen Gehalt. Dieses Gestalten hatte jedoch Stil. Die folgende Zeit pantschte aber in der Gartengestaltung beider Herkünfte ahnungslos umher, was naturgemäß für das damit erreichte Gepräge zu un klaren Bastardformen führen mußte. Die Gärten waren modi schen Einflüssen unterworfen, und es ist noch gar nicht lange her, als der englische Park auch das modische Vorbild für den kleinsten Hausgarten bot und dadurch zu den merkwürdigsten Gestaltungsauswüchsen führte. Immer aber ist die innige und organische Verbindung zum Ge bäude, ganz gleich zu was es diente, aufrecht erhalten geblieben. Bis in unsere Zeit hinein ist die einstige innere Wertigkeit der Gärten ins oberflächliche modische Schmücken hinein aus- geatmet. Buntheit ist vielfach der einzige Sinn der Gärten; hierbei sei nur an die Ueberfülle der Staudenverwendung, an die Ausstattung fast aller Gärten mit Steinbeeten erinnert. An der Architektur ist schon seit längerem die wohltuende Reini- gungsaktion in den Innenräumen und an den Fassaden der Häu ser erlebbar. Die Gärten indessen werden häufig nach wie vor überladen und somit ihres räumlichen Charakters beraubt. Es gilt aber, sowohl beim Hause, als auch beim Garten, den Baum in seiner Proportion zum Erlebnis zu bringen. Der Raum .strahlt des Menschen Anstrengungen und Leistungen zurück, ihn stärkend, bremsend oder auch schwächend; stets antwortet der Raum. Das Flächen- und Bildhafte spricht für die jetzt bestehenden Aufgaben nicht mehr ausreichend zu ihm; er bedarf des Raumes, und hier allein liegen die Probleme des künftigen Gestaltungsausdruckes. Es mag jetzt einleuchten, warum ein Einblick in die Gartenentwicklung und ihre Bedeu tung, in raschem Gedankenflug wieder aufgedeckt, vor uns ent stehen muß; allein diese Anstrengung kann zu zielvollem Stre ben führen. Auch die Landschaft will als Raum erlebt sein; deshalb überall der gewaltige Drang, Landschaftsgestaltung zu betreiben. Wie eine Art Gerüst für eine bewußte Landschaftsgestaltung ist das Wirken an den Reichsautobahnen, an den Straßen im Wasser bau und neuerdings dm Kulturbau zu erkennen. Das Wesen der Bodenständigkeit ist hier unter Prof. Alwin Seifert bei Inangriffnahme dieser Aufgabe Pate gestanden*). Dieses ver tiefte, um das Wesen der Dinge ringende Streben findet eine starke Stütze durch die inzwischen gewonnenen Erkenntnisse der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise. In ihr ist der bäuerliche und gärtnerische Betriebsorganismus in seinem dynamischen Aufbau und in seiner Geschlossenheit als ein Keimelement charaktervoller Landschaft neugeboren worden, und als Urzelle ist jedem dieser Betriebe wieder der kleine Gartenraum am Hause ein schöpferischer Urquell. Diese Urzelle Garten ist aber der Ausgangspunkt aller Gestal tung des Grüns, ja jeder schöpferischen Betätigung; es gibt kein Gebiet der Gestaltung, das von hier aus nicht befruchtet zu werden vermag. Je mehr die Menschen an der Drehbank, am Schreibpult, in der großen Arbeitsgemeinschaft eines Volkes angestrengt sind als winziges Glied mit einer ebenso winzigen meist mechanisch verlaufenden Teilarbeit, um so mehr ist es erforderlich, in der ausgiebigen Beschäftigung mit dem Leben digen den Ausgleich, die Erholung, die notwendige Spannkraft und Vertiefung zu finden. Ein jeder der deutschen Volksgenos sen sollte einen Garten besitzen oder Anteil am lebendigen, viel *) „Im Zeitalter des Lebendigen“ von Prof. A. Seifert, Müllersche Verlagshandlung Dresden (siehe Besprechung Seite 5 d. H.).