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sie durch das ihr innewohnende Leben und durch die Wirkung auf viele Sinne den geistigen Charakter so offen zur Schau trägt, ist sie wert, den anderen Kün sten mindestens gleichgestellt zu werden. Man kann sogar noch weitergehen und behaupten, daß sie durch die äußere und innere Mannigfaltigkeit die anderen Künste bis zu einem gewissen Grade in sich vereinigt, also den letzten lebendigen Ausdruckswillen in sich birgt. Wohl isteinBildwerk, ein Gebäude, eine Plastik, ein Tonstück oder eine Wortdichtung der großen Meister reine Kunst, aber in den Schöpfungen der Gartenkunst sind indirekt alle v e r - einigtzu einerlebendigen, n a t u r g e s tei ge r t e n Symphonie. Jedes Kunstwerk bedarf erst des Einfühlens, und dies ist um so schwerer, je vielgestaltiger es ist. Nicht bei allen Menschen klingen die Saiten der Kunst an, bei den meisten nur einzelne, und nur wenige Menschen können ganze Akkorde in sich aufnehmen, deren Zu sammensetzung aus verschiedenen Gebieten der Kunst zusammenströmt. Deshalb muß die K u 11 u r eines Volkes einen hohen Grad erreicht haben, wenn alle Künste sich zu einer gewaltigen Schöpfung vereinen, wenn der Genius der Kunst seinem letzten Werk Leben einhaucht durch die Ge burt: „Garte n“. Den Lebensweg zu bewachen, die innerliche, kulturelle Mission im Menschen zu erkennen und zu befestigen, ist Aufgabe unserer Zeit. Garten-cultura sei der Beginn einer neuen Kulturstufe, einer zusammengefaßten, lebendigen K u n s t. * MAX K. SCHWARZ, WORPSWEDE: DAS RINGEN UM DEN NEUZEITLICHEN HAUSGARTEN Das neue Wohnungsprogramm des Führers hat ein ganz ge waltiges Ausmaß, umfaßt es doch ein Drittel des jetzigen Woh- nungsbestandes. Wohl werden eine Reihe von Jahren für seine Verwirklichung gebraucht. Ihr geht eine gründliche Planung voraus und dabei zum ersten Male unter voller Beachtung der landschaftlichen Umgebung und boden ständig entwickelten Bauweisen. Die Gestaltung des Grüns wird dabei ebenso wichtig erachtet, wie die Wohn gebäude selbst und die damit im Zusammenhang stehenden V erkehrsanlagen. Dieses Gesamtgrün als lebendiges Gegengewicht zu den ent stehenden riesigen Bauzeilen 'in Stadl und Land wird eine viel fache Gliederung haben, bildet aber trotzdem eine Ganzheit, die bei einer geglückten Durchgestaltung selbst in der kleinsten Zelle dieses Grünorganismus, im einzelnen Dauerkleingarten, spürbar sein muß. Für die letzten Jahrzehnte des Wohnungsbauens bestand bis heute, irgendwo aus den Stadlerweiterungsplänen ausgewiesen, ein Baugelände. Als weite, nackte, kahle Flächen, ohne jeden Reiz, vermochten sie auch den Architekten kaum anzuregen zu einer besonderen Gestaltgebung des von ihm entworfenen Baukörpers. Es gilt daher, für das künftige Bauen überall dort, wo nichts ist und nichts spricht, zunächst eine Landschaft erstehen zu lassen und damit erst eine ausdrucksvolle Sachlage für den beabsichtigten Wohnungsbau zu schaffen. Der Land schaftsgestalter erscheint demnach zuerst a u f dem Pla n. Er kann aber seiner großen, verantwort lichen Aufgabe nur dann gerecht werden, wenn er das Wesen des jeweilig erforderlichen landschaftlichen Ausdruckes kennt, wenn er tief genug in das lebendige Walten hineinsteigt. Mit Baum, Strauch und Grünflächen entsteht erst der echte Heimat- wert einer Wohnstätte; mit ihm wird der Mensch seelisch er faßt und geistig aufgerufen. Heimatskräfte formen, fördern am Menschen und lassen ihn zielbewußt werden. Der Garten ist dabei die kleinste heimatliche Einheit, aus der solche für den Menschen ungemein an seiner Entwicklung wirkenden und wichtigen Kräfte erwachsen können. Ist das aber heute noch der Fall? — Die meisten Gärten von heute dienen fast ausschließlich den flüchtigen Freuden, sei es der Nah- rungsbefriedigung, sei es in der Wahrnehmung des Farbenspiels in Blumen oder modischer Gestaltung. Der Garten wird erst in seiner Bedeutung, namentlich auch für die heutige und künftige Zeit, erkannt werden können, wenn sich bei einer Wesensbetrachtung das ihn jetzt mehr oder weniger ausmachende konstruktive Element, sowie das des Schmückens nicht als ein primäres, sondern als ein sich er- gebendens herausstellt. Vom Garten als lebendigem Organismus aus ist zu jeglicher Art der Grüngestaltung hinzufinden, und von dort aus sind auch die bestehenden großen Gestaltungs aufgaben in der Landschaft begreifbar. Der von innen heraus. vom Wesen her wirkende Gartengestalter wird daher auch Landschaftsgestalter sein können. Ein fruchtbarer Weg, um zu einem Wesensverständnis des Gartens und der Landschaft zu gelangen, besteht in einer ge schichtlichen Verfolgung der Gartenbedeutung schon vom Zeit punkt seines ersten Auftretens an. Bereits im Worte „Garten“, entwickelt aus dem gotischen Wort „gairdan", das „umgürten“ heißt, ist der tiefere Sinn des Wesens ausgesprochen. Aus dem ungestümen Waldwuchs herausgeschnitten, gegen dessen An drang zunächst durch einen Reisigflechtzaun gesichert, entstand wohl der erste Garten. Die Wüchsigkeit damaliger Zeit Li e ß den Reisigflechtzaun e r g r ü n e n u n d zur undurchdringlichen Hecke werden. Dieses umgrenzte Landstück nahm auch die Wohnstatt auf, so daß tatsächlich der Hausgarten die Unzelle jeglicher Landbewirt schaftung vorstellte. Aus der Wildnatur heraus holte sich der Mensch die Gewächse in seinen Garten in das kleine, über sichtliche Raumgefüge herein, das er mit seinem Einfluß gänzlich auszufüllen vermochte. Sein Wirken und Betreuen an den Pflanzen half entscheidend mit, sie zu den Kulturgewächsen zu entwickeln, die wir heute noch schätzen und genießen. Die sem ersten Kulturraum wurden weitere hinzugefügt, so für das Vieh und für den ersten Landlbau Es sei hier besonders dar auf verwiesen, wie sich der Mensch aus der Wildnatur seine künftigen Pfleglinge zu sich hereinhalte und auf dem von ihm beherrschten Landstück zu züchten und dadurch zu veredeln vermochte, um dann mit. diesen von ihm gewonnenen .Kultur erzeugnissen 'in Pflanze und Tier die immer größer werdenden Landstücke als Feld und Weide zu nutzen. Dieses Hereinholen von Pflanze und Tier in kleine, von ihm beherrschte Natur räume ist bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben, wenn Neuzüchtungen erstehen sollten. Ein jedes Bauerngehöft besitzt heute noch den kleinen Garten- raum, der als eine schöpferische Urzelle einst den Landbau begründete und dem Bauern, solange er noch mit dem Leben digen in unmittelbarem Zusammenhang stand, die Quelle seiner schöpferischen Leistungen in der Pflanzen- und Tienzucht, in der Landschafts- und Baugestaltung, sowie in der Schaffung seiner Geräte bildete. In diesem kleinen Gartenraum, dem Bauerngarten, hielt er innerlich Zwiesprache mit den Bilde kräften in Boden, Pflanze, Tier und Luftbereich. Heute bietet jedoch dieser Bauerngarten in seiner äußeren, unvollkomme nen, nur noch auf dien Schmuckwert ausgehenden Verfassung die einst bestehende Möglichkeit nicht mehr dar; er bedarf daher einer grundlegenden Neueinrichtung. Schon seit vielen Jahrhunderten halte der Bauerngarten in allen deutschen Lan den ein gleichgeartetes und ihn kennzeichnendes Grundmotiv; es ist dies die Kreuzform der buxgefaßten Wege und in der Mitte das Rundbeet mit Rosen und Lilien — oft auch dem Brunnen — versehen. Die einst das Christentum verbreitenden Mönche