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Soviel Zeit sollte jeder Handelsgärtner für sich er übrigen, dass er einmal im Jahre den heimatlichen Staub von den Füssen schüttelt, und in näherer oder fernerer Umgebung seines Geschäftskreises Umschau hält; ich bin fest überzeugt, die Opfer an Zeit und Geld, die er hierbei bringt, sind nicht vergeblich ge wesen. Wer mit offenen Augen umherwandert, wird stets neue Entdeckungen machen und zu Hause manches verwerten können, was ihm von Nutzen ist. I. Die Schwertlilien (Iris). Unter der grossen Gattung der Schwertlilien, die in jedem Jahre von Anfang Mai (mit den Iris pumila beginnend) bis in den August hinein (mit der riesen blütigen Iris Kaempferi schliessend) uns im Freien in Ueberfülle mit Blumen versorgen können, haben wir in den letzten zehn Jahren viele wertvolle deutsche und ausländische Neuzüch tungen erhalten, die es wert sind, in kleinen wie in grossen Kulturen, Frei land- wie Treibkulturen, Aufnahme zu finden. Zunächst riefen die neuen Iris pumila - Hy briden, von G o o s & Koenemann in den Handel gebracht, unter den Staudenliebhabern Bewunderung hervor ; einmal war bei diesen Neuzüchtungen eine sehr reine Farbe der Blüten erzielt worden, andrer seits hatten manche von ihnen einen höheren Wuchs der Blütentriebe aufzuweisen , wodurch ihr Wert als Schnitt blumen für die moderne Binderei sehr gesteigert wurde. Die schönste dunkelblaue Sorte ist formosa, die auf 30 cm langem Stiele oft 2—3 Blüten nacheinander her vorbringt ; die oberen Blumenblätter sind rein dunkelveilchenblau, die unteren penseeviolett ge färbt. Iris pumila hybrida excelsa ist eine der feinsten Züchtungen in Form und Farbe der Blüten, welch letztere ein reines dunkles Ocker gelb ist. (Abbildung siehe Titelseite). Die hell zitronengelbe Iris pumila hybrida citrea trägt ihre hochgebauten Blüten auf schlankem Stiel. Auch die beiden kurzstieligen Sorten cyanea, ultra marinblau, und eburna, rahmweiss mit hellgelbem An flug, sind schöne Sorten für den Blumenschnilt. Welch prächtige Wirkung ein Blumenkorb oder ein Blumen kranz ganz aus einer Farbe Irisblüten verfertigt, hervor bringt, brauche ich nicht besonders hervorzuheben. Im Herbst 1906 wurde dann von meinen eigenen Züchtungen die erste weisse Iris pumila-Hybride von G. Arends in den Handel gebracht; sie hat sich schon viele Bewunderer erworben. Iris pumila hybrida „Die Braut“, aus einer Kreuzung mit Iris Statellae her vorgegangen, trägt auf schlanken, 20—30 cm langen Stielen ihre prächtig reinweissen Blüten in derselben Achse nacheinander gegen Mitte Mai, gleichzeitig mit den übrigen pumila-Hybriden blühend. (Siehe Abbildung.) Sehr grossblumig ist ferner Iris pumila hybrida „Die Fee“, mit rein hellveilchenblauem Blütendom und rein dunkelveilchenblauen unteren Blumenblättern. Zum Schluss möchte ich noch von den neueren Hybriden die Sorte Brautjungfer erwähnen, ebenfalls sehr reichblühend, aber nicht ganz so langstielig wie die beiden vorigen. Iris pum. hybr. „Brautjungfer“ hat eine eigenartig schöne Farbenschattierung von weiss, hell blau und gelb bis dunkelpurpur am Grunde der oberen Blumenblätter. Das durchschimmernde Blau des weissen Domes kontrastiert prächtig zu der gelben Schattierung der unteren Petalen. Im Freien lieben die Iris pumila einen durchlässigen schweren, nahrhaften, jedoch nicht frisch gedüngten Boden; sonniger, freier Standort ist eine Be dingung für dankbares Blühen Zur Treiberei sind 1—2 Sommer im Freien kultivierte Klumpen von 10—20 Trieben die ge eignetsten. Eine flache Pflanzung der Rhizome ist ferner zu beachten. Nach der Blüte, zu An fang Juni, ist ein Aus schneiden der abge blühten Blütentriebe an zuraten , damit die Pflanzen ihre Nährstoffe nicht unnötigerweise für dieselben verbrauchen. Im August-September pflanzt man die zum Treiben bestimmten stärksten Pflanzen mit Ballen in nicht zu grosse und möglichst flache Töpfe oder Schalen. Bei Eintritt stärkerer Fröste (November - Dezember) werden die eingetopften Pflanzen in einen kalten Kasten gestellt, damit die Töpfe jederzeit zum Einholen ins Kalthaus bereit sind, sonst möchten im Freien stehenge bliebene Topfpflanzen unter Umständen fest frieren, und, wie es im letzten Winter bei mir der Fall war, nicht rechtzeitig für die Treiberei ein zusetzen sein. Zu Ende Dezember bringt man die Treibpflanzen ins Kalthaus und stellt sie dort bei 2—3° Celsius unter eine helle Stellage, die Pflanzen zunächst durch wenig Giessen zum Wachstum an treibend. Zeigt sich Ende Januar oder Anfang Februar stär kerer Trieb, so setzt man die Pflanzen nach und nach heller, giesst nach Erfordernis kräftiger, jedoch nicht zu oft, bis Blütentriebe zu Anfang März erscheinen, dann stellt man die Pflanzen etwas wärmer (5—8° C.), wobei sie zu Mitte März schon mit Blühen beginnen und je nach Bedarf satzweise kühler oder wärmer gehalten werden. Im letzten Winter hatte ich meinen ersten Satz zu Mitte März in voller Blüte, der zweite Satz, der für Iris pumila hybrida „Die Braut“. Züchter H. Junge in Hameln.