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Im zweiten Bilde sehen wir einen Kasten von innen mit Kaiserin Rosen. Dass keine Blumen zu sehen sind, dürfte, da es sich um ein Bild aus einer Schnittrosen gärtnerei handelt, nicht wunder nehmen, auch soll ja nicht ein Haus in Rosen gezeigt werden, sondern wie die Rosen im freien Grunde stehen, wie sie gedüngt und berieselt werden und wie einfach die Bauart der Kästen ist. Hier interessiert zu wissen, wie lange der artig kultivierte und getriebene Rosen Ertrag bringen, denn der Gedanke, dass eine frühzeitige Erschöpfung eintritt, liegt ja nahe. Da konnte denn Herr Thiel ganz überraschende Angaben machen. Es sind da von Paul de la Meilleraye, einer Treibrose, von welcher in einer besonderen Abhandlung dieser Nummer die Rede ist, Beete vorhanden, die schon seit fünfzehn Jahren befriedigende Erträge bringen, und die abgebildeten Kaiserin stehen auch schon im zehnten Jahre. Ausser dem werden noch Brunner, Testout, President Carnot, Fisher & Holmes, Hugh Dickson getrieben und bei allen diesen Rosen ist die Lebenskraft selbstnach mehr jähriger inten siver Treibkultur ungeschwächt. Die Rosen, die Thiel aufpflanzt, sind Wurzelhals veredelungen auf gewöhnliche Canina. Diese Rosen haben ca. zwei Jahre Zeit, sich zu etablie ren. Der Schnitt beschränkt sich auf einEinkürzen der Schosse, welche dann nie dergebogen wer den und einen reichlichen Aus trieb bilden, der dann die Blüten stiele bringt. Ab getragene Ruten werden nach der ,Kampagne‘ ent fernt und der Nachwuchs über nimmt die Stelle des Vorgängers. Natürlich spielt sich der Vorgang nicht ganz so einfach ab, wie man es hier liest, im grossen ganzen ist aber der Verlauf so. Das wichtigste an der Dauerkultur ist aber doch der Nährstoffersatz. Nur dadurch, dass die dem Boden entzogenen erheblichen Nahrungsmengen immer wieder reichlich ersetzt werden, wird einer frühzeitigen Er schöpfung der Rosen vorgebeugt. Wie Ernährung und Bewässerung zweckmässig zu verbinden sind, zeigt dieses Beispiel aus der Gärtnerei Thiel auch. Dem Rieselwasser wird Kuhdünger zugesetzt; im Herbst wird gekalkt. Während der Treibperiode erhalten die Rosen etwa alle vierzehn Tage eine Zusatzdüngung von P K N in geeigneter Form. Wir unterlassen es aber absichtlich, die Salze und das Quantum zu nennen, da dieselben nicht nach Schema F verwendet werden können. Denn es gibt viele Möglichkeiten, auch ist die Berieselung nicht überall möglich. Sicher ist, dass die Rosen zur Zeit ihrer höchsten Vegetation viel Wasser und Nahrung brauchen, mehr als sich mancher träumen lässt. Wir glauben sogar aus Beobachtungen, die wir hier und da machen konnten, annehmen zu können, dass Misserfolge in der Treiberei, namentlich von Topf rosen, in erster Linie auf Unterernährung, häufig auch auf ungenügende Bewurzelung zurückzuführen sind. Es ist dieselbe Sache wie bei den Tieren. Ein gut gepflegtes Pferd leistet mehr als ein ausgehungertes. So hatten wir neulich den mitleiderregenden Anblick zweier abgetriebener Gäule, die der gewissenlose Kutscher wohl den ganzen Tag zum Fahren benutzt, aber nicht einmal abgefüttert und getränkt hatte, bis die Tiere alle Zeichen höchster Erschöpfung boten und mitleidige Menschen den Tierschutzverein benach richtigten, der dem Kutscher das Gewissen stärkte. Jede Arbeits leistung , auch das Wachstum, ist eine solche Leistung, ist mit Kräfte verbrauch verbunden und die Kräfte wer den durch die Nahrungszufuhr und den Stoff wechsel erhalten, genau wie eine D ampfmaschine ohne W asser und Kohlen einfach leistungsunfähig ist. Um auf die Pflanzenkultur zurück zu kom men, gilt also der Grundsatz, dass, wo grosse Leistungen ver langt werden, auch gut genährt werden muss. Solche Höchst leistungen sind nur bei voller Ernährung zu erzielen Wann eine volle Er nährung erfolgt ist, lässt sich nur bei vergleichen den Kulturen sagen. Es sind für jede Erdart andere Verhältnisse massgebend. Die Erdsorten sind gemäss der wechselnden Bodenarten in ihrer Zusammensetzung sehr verschieden. Während also in einer Gegend Kunstdünger entbehrlich erscheint, ist dessen Anwendung anderwärts durch besondere Um stände geboten. So hat z, B. Herr Thiel beobachtet, dass seine Wirsingkulturen, die er in grossem Massstabe betreibt,in den beiden letzten Jahren nicht das rechte freudige Wachstum zeigten, trotzdem an Düngung nicht gespart wurde. Heute kennt Thiel den Fehler und hat ihn behoben. Wie, das wird Gegenstand einer be sonderen Abhandlung sein. §, Innenansicht eines Rosenkastens in der Gärtnerei von W. Thiel in Plötzensee bei Berlin. Original-Aufnahme für das Handelsblatt. Die abgebildeten Kaiserin - Rosen stehen schon zehn Jahre im Kasten. Die Aufnahme erfolgte am Ende der Treibperiode. Die Heizung liegt zwischen den Tragpfosten des abgebildeten und des benachbarten Kastens. Die Berieselung erfolgt durch den Mittelweg.