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23 Handelsblatt für den deutschen Gartenbau usw. No. 3 mit den anderen Genossen auseinander zu setzen. Rund heraus gesagt: geht die Genossenschaft nicht oder verkracht die Bank, so halten sich die Gläubiger nicht an die Genossenschaft als solche, sondern laut Vertrag an die Genossen, bei welchen etwas zu holen ist. Ob diese dann Glück haben, wenn sie ihre Auslagen von den übrigen Genossen eintreiben wollen, muss dahin gestellt bleiben. Vor 18 Jahren wurden 15 Bauern, die an einer Genossenschaft beteiligt waren, bettelarm, weil sie von dem Bankier der durch die Spekulation des Direktors verkrachten Fabrik in Anspruch genommen wurden, der ihnen den Prozess machte. Einer der Bauern mit grosser Gastwirtschaft hatte in seinem Dorfe allein ca. 80000 Mk. auf Hypotheken stehen, die vom Gericht gekündigt wurden und noch heute leidet das Dorf unter diesem Zusammenbruch. Diese Bauern hatten nämlich deshalb das Nachsehen, weil von den anderen Genossen absolut nichts zu holen war und dieses Beispiel zeigt, wie verhängnisvoll die ungleiche Verteilung der Lasten den einzelnen Genossen werden kann. Anders liegen die Verhältnisse in den Fällen, wo die Haftsumme gleichmässig und auf den Grundbesitz der Genossen eingetragen oder von den Genossen in Wertpapieren hinterlegt oder durch zwei gute Bürgen sichergestellt wird. Wie schwer aber eine solche Ver pflichtung ist, geht daraus hervor, dass sie auf Lebens zeit gilt, ganz gleich, ob der Genosse aus der Genossen schaft ausscheidet oder nicht. Zwar kann er dem Bank hause kündigen, es hängt aber davon ab, ob das Haus die Kündigung annimmt, und das dürfte wohl selten der Fall sein. Es ist im Leben ausserdem eine sehr häufige Erscheinung, dass die Genossen, welche am wenigsten zu verlieren haben, das grösste Wort führen. Wer Genossenschaftsanteile geschenkt bekommt oder erbt, erkundige sich vorher ganz genau, wie die Ver hältnisse der Genossenschaft sind und lehne die Annahme ab, wenn die Genossenschaft verschuldet ist. Weshalb man so vorsichtig sein muss, sollen nachstehende Bei spiele erklären: Einer Brauerei - Gesellschaft m. b. H. mit Anteilen von 500 Mk. hatte ein Freund von mir die Maschinen geliefert; er war Besitzer von 95 Anteilen, während 105 in anderen Händen waren. Es waren darunter auch Krakehler. Mein Freund war ein biederer Charakter; er klagte mir eines Tages sein Leid, und machte mir und zwei Bekannten den Vorschlag, von ihm 6 Anteile zu übernehmen; wir lehnten aber das Anerbieten ab. Kurze Zeit darauf, nach stattgehabter Sitzung in der Brauerei, schenkte er uns je zwei Anteile, um mehr Stimmen zu erhalten. Wir wurden zum Notar gefordert, um sie umschreiben zu lassen. Als wir zu diesem kamen, war er behindert. Wir gingen zum anderen, aber auch dieser war nicht anwesend. Aber dessen Bürochef sagte uns folgendes: ,,M. H., mit der Brauerei steht es schlecht; es sind Wechsel in Höhe von vielen tausenden Mark zum Protest gegangen und ausserdem muss ich Ihnen sagen, dass jeder Anteil mit 3000 Mk. haftet.“ Darauf gingen wir von dannen und machten in einer Kneipe halt. Hier kam ein früherer Lehrkollege, welcher jetzt Bankbote ist, und bestätigte das Gesagte. Vier Wochen darauf kam der Krach. Unser Freund verlor ein fürst liches Vermögen, und wir hätten ein Geschenk von 1000 Alk. bekommen und 6000 Mk. dafür bezahlt, also nochmals Vorsicht! Einem geschenkten Gaul schaue erst recht ins Maul! Ich bin Mitglied eines Kredit- und Spar-Vereins mit unbeschränkter Haftung. Dieser Verein ist ein sehr solides Institut. Er giebt für den Anteil von 200 Mk. seit Jahren 16 Mk. Zinsen. Aber es darf jeder Genosse nur einen Anteil haben. Ich habe einen Kredit in laufender Rechnung und dieser wird entweder auf Faustpfand oder als Kautionshypothek am Grundstück, aber nur bis zu 2/3 des Wertes gegeben. Als ich vor mehreren Jahren Geld gebrauchte, war es eine schöne Sache, vom Verein das Gewünschte zu erhalten. Aber was habe ich bezahlen müssen: 5—6‘/2°/0 Grundtaxe, 1/2 % Umsatzqvote und 1 % Provision, sodass ich am Schlüsse des Jahres 8°0 herausrechnete! Wenn im Handelsblatt (No. 45 Seite 481 Jg. 1907) angeführt wurde, dass ein Kollege seinen Besitz verloren habe, weil er kein Geld bekommen konnte, so hätten ihm Kreditgenossenschaften erst recht nicht geholfen. Denn einmal muss ein solches Institut sehr solide arbeiten (2 3 Beleihung), sonst bringt es arme Leute um ihre Spargroschen, zum andern gewährt jeder Geldgeber bis 2 3 und noch mehr Kredit und schliesslich kennt in diesem Falle der Geldgeber allein meine Verhältnisse, während bei der Genossenschaft in diesem Falle 3 Vor stands-, 7 Aufsichtsratsmitglieder und noch die Revisoren meine Verhältrisse kennen. Dies sind nun die Vorteile und Nachteile des Genossenschaft wesens. Wenn die Gärtner jetzt auch endlich dazu kommen, Einkaufsgenossenschaften zu gründen, so t in sie gut daran. Und wenn sie sich zusammentun, auch Minderbegüterte zu unterstützen, so tun sie noch besser, und diese werden hoffentlich den Dank dadurch betätigen, dass sie auf gute Preise halten und nicht schl udern, wenn es an Geld fehlt, wie man das so oft hör!, Man soll immer den alten Wahrspruch beherzigen: ,,1 ieber arm faulenzen, als arm arbeiten.“ Ich habe noch eins vergessen hinzuzufügen, dass alle Genossenschaften, sobald sie aus einerlei Couleur bestehen, gewöhnlich gut und friedlich arbeiten. Sind es lauter Bauern geht es, sind es lauter Schlächter eben falls, sind es Kaufleute, sind es Schuster, sind es Schneider, sie alle vertragen sich, kommen aber alle diese zusamme 1, so giebt es bald Zwietracht, und da man die Buchstaben E. G. m. u. H. in den ver schiedensten Väriationen gedeutet hat, so kann man hier „Eingemachtes Gemüse mit unbestimmter Halt barkeit“ sagen/ und es kommt dann für die Genossen das ,,G. m. b“H.“ mit „Gott mag bald helfen“ in Betracht. Der Vorstand, der Gefahr wittert, sagt sich dann „Grabsche mit beiden Händen“, und der, den die Sache nichts angeht, sagt sich „Gehste mit, biste hin“! Die Nutzbarmachung des Kalkstickstoffes im Gartenbau.*) Von Direktor Spontjes in Cöln. ic Frage, ob die Anwendung künstlicher Düngemittel im Gartenbau angebracht und lohnend ist, muss unter allen Umständen bejaht werden, wenn die betreffenden Düngemittel richtig verwendet werden. Trotzdem herrscht, und oftmals gerade bei hochintelligenten Gärtnern, gegen die Verwendung künst lichen Düngers eine Abneigung, die geradezu unbegreiflich ist. Es ist dies nun allerdings dieselbe Erscheinung, die vor ca. 40 Jahren in der Landwirtschaft zu Tage trat, und es dauerte auch dort Jahrzehnte, bis sich die Lehren eines Justus vonLiebigzu voller Würdigung durch gerungen hatte a. Heute werden in der Landwirtschaft Riesensummen für Kunstdünger ausgegeben, für Kali, Superphosphat und Thomasmehl, für die verschiedensten stickstoffhaltig« n Düngemittel. Aber es werden dadurch *) Vortrag des Direktors der chemischen Fabrik Kalk, Abteilung Scheibler in Cola, gehalten in der Versammlung der Gruppe „Mittelrhein“ am 3. Dezember 1908 in Bonn.