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No. 9. Rixdorf-Berlin, den 27. Februar 1909. XXIV. Jahrgang. Eigentum des Verbandes der Handelsgärtner Deutschlands. Organ des Gartenbau-Verbandes für das Königreich Sachsen, heraus gegeben unter Mitwirkung der hervorragendsten Fachmänner des In- und Auslandes. Das „Handelsblatt für den deutschen Gartenbau“ usw. erscheint am Sonnabend jeder Woche. Abonnementspreis für Nicht-Verbandsmitglieder in Deutschland und Oesterreich-Ungarn pro Jahrgang 8 Mk, 50 Pf., für das übrige Ausland 10 Mk., für Verbands-Mitglieder kostenlos. Verantwortlicher Redakteur: F. Johs. Beckmann in Rixdorf-Berlin, Generalsekretär des Verbandes der Handelsgärtner Deutschlands. Verlag: Verband der Handelsgärtner Deutschlands, eingetragen auf Seite 179, Band IV des Genossenschaftsregisters des Königl. Amtsgerichts zu Leipzig. Die rote Magnolie (Magnolia purpurea). ie Magnolien zaubern im Frühling tropische Blütenpracht in unsere Gärten. Die für Holzgewächse ganz ungewöhnlich grossen Blüten geben den Bäumchen ein sehr auf fälliges Ansehen, besonders bei den asiatischen Arten, die vor der Laub entwicklung blühen, wie die beistehend abgebildete rote Magnolie. Die Blüten haben sechs nahezu gleichartige Blumenblätter, Perigon genannt. Eine Unterscheidung in Kelch und Krone ist nicht möglich, da beide Blattkreise für die An lockung der Bestäuber auffällig ge färbt sind, innen weiss, aussen purpurn überlaufen. Die Be fruchtungsorgane sitzen an einer fleischigen Säule (Verlängerung der Blütenachse) in der Mitte des Perigontrichters. Zuunterst, am dicken Fuss der Säule sind die zahlreichen Staubgefässe in mehreren Kreisen angeordnet. Den zylindrischen Teil der Achse nehmen die Fruchtknoten, etwa ein halbes Hundert, ein. Die Bestäuber werden durch ver schiedene Lockmittel zu den Blüten geführt: 1. durch das grosse, leuchtend gefärbte Perigon, 2. durch einen starken,orangenblütenartigen Duft, welcher merkwürdigerweise auf Bienen tödlich betäubend wirkt, 3. durch Wärmeentwicklung (abends können zuweilen zwischen Aussen- und Innentemperatur Differenzen bis zu 10 Grad be obachtet werden), 4. durch be sondere zäpfchenförmige Anhängsel des Narben, die von Käfern mit Vorliebe verspeist werden. Bei uns sind die frühblühenden Arten fast stets un fruchtbar, sie werden nur selten beflogen. In den Blüten der spätblühenden amerikanischen Arten finden wir dagegen häufig die grossen Cetonien (Rosenkäfer). Sie benutzen die Blüten, die sich nachts und bei trübem Wetter schliessen, als willkommene Herbergen. Ver lassen sie eine Blüte, so sind sie meist über und über von den trockenen Pollen bepudert. Die amerikanischen Arten setzen in unseren Gärten auch leicht Früchte an; dieselben sind fast noch merkwürdiger als die Blüten. Da jede Blüte viele Fruchtknoten enthält, kann sie auch viele Früchte zeitigen. Diese sitzen in Gestalt geschnäbelter Balgkapseln an der derben Mittelsäule; weil sie zusammen den Eindruck einer Frucht machen, bezeichnet man sie als „Sammelfrucht“. Zur Reifezeit reissen die Fruchthäute am Rücken auf und die roten Samen quellen aus den Spalten hervor. Die frei gewordenen Samen können jedoch nicht zu Boden fallen, sondern bleiben an zähen Fäden in der Luft hängen. Da jedes Samenkorn aussen von einer fleischigen aromatischen Schicht (gen. Arillus, wie bei der Eibe) umgeben ist, so stellen sich bald Vögel zum Verzehren ein. Die harten Kerne werden grösten- teils unverdaut wieder abgesetzt, ohne ihre Keimkraft einzubüssen. Rote Magnolie Original aus dem Werke „Unsere Zierpflanzen" von Paul F. F. Schulz.