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No. 33 Handelsblatt für den deutschen Gartenbau usw. 524 und zerbröckelter Gesteinsmassen. Es ist Verwitte rungsboden, der zum Teil mit erst halb verwittertem Grus und anderen kleinen Mineralteilchen durchsetzt ist. Erst wenn die Verwitterung des Bodens so weit vorge schritten ist, beginnt darin die Arbeit der kleinsten Lebe wesen, der Bakterien, zuletzt auch die Tätigkeit der Algen, Flechten und Moose. Durch diese niederen pflanzlichen Lebewesen wird die Erde weiterhin ver bessert ; sie wird mit der bis dahin fehlenden organischen Substanz, dem Humus, angereichert. Dieser Boden ist dann soweit vorbereitet, auch die anspruchsvollsten Pflanzenarten aufzunehmen. So war es schon vor Jahr tausenden, als noch die üppige Vegetation der Stein kohlenperiode die Erde mit Grün deckte, und so wird es auch in fernster Zukunft sein. Unsere Vorfahren haben zunächst den Boden in der Weise bestellt, dass sie ihn nach der Ernte einige Zeit als Weide liegen liessen, um ihm Ruhe zu gönnen. Erst viel später, mit der Steigerung des Bodenwertes, wurde der Fruchtwechsel und die Brache eingeführt. Eine neue Umwälzung in der Bodentheorie entstand durch Abschaffung der Brache und durch Einführung der modernen Düngerlehre. Bekanntlich können Nährstoffe im Boden teils in löslicher, teils in unlöslicher, von der Pflanze aufnehm barer Form vorhanden sein. Diese unlöslichen Nähr stoffe sind natürlich für die Pflanze wertlos. So finden sich geringe Mengen unlöslichen, an andere Bestandteile gebundenen Stickstoffes und gleiche Mengen unlöslicher Phosphorsäure und Kalisalze, sowie Magnesium, in bei nahe allen Bodenarten. Diese noch ungelösten Nähr stoffe sind es, die durch die Wirkung des Kalkes frei werden. Es ist bekannt, dass bei nassen, versauerten Böden, nachdem diese entwässert sind und gut gekalkt wurden, sich nach einigen Jahren die Vegetation viel üppiger entfaltet, als bei einem Boden in alter Kultur. Die Erklärung ist sehr einfach. In dem nassen, wenig durchlüfteten Boden war eine Verwesung organischer Stoffe nicht gut möglich. Die Nährstoffe versinken hier allmählich in den Boden und bilden mit der Zeit eine von Humussäure durchtränkte Torfschicht. Wird nun der Boden entwässert, so bleibt die Humussäure, ein Feind des Pflanzenwuchses, zurück. Die Säure wird aber durch Zutritt von Kalk gebunden, und obendrein werden durch die Verbindung des Kalkes mit anderen bis dahin ungelösten Nährstoffen eine Menge Nährstoffe frei. Wird nun die Kalkung häufig wiederholt, so muss, falls keine neue Humusbildung stattfindet, der vorhan dene Humus bald aufgezehrt werden, und der Erfolg verwandelt sich schliesslich in einen Misserfolg. Auch die Verwendung von Kunstdünger würde in diesem Falle wenig nützen, da gerade dem Humus die Aufgabe zu kommt, die im Wasser gelösten Nährstoffe an der Ober fläche, d. h. in der Ackerkruste, festzuhalten, Ein Boden ohne Humus ist also als Kultur boden nicht denkbar. Die Wahrheit dieser Behauptung erfahren wir, wenn wir uns die im letzten Jahrhundert gebräuchlichen Methoden der Bewirt schaftung von Heideflächen vergegenwärtigen. Noch vor 50 Jahren wurde in der Lüneburger Heide der Boden abgebrannt. Auf die Asche säete man Buchweizen. Dieser wurde gemäht und dann das Land seinem Schick sal überlassen. Doch diese Methode bedingte Pausen von 5—10 Jahren, in denen nicht geerntet werden konnte. Es wurden dann Schafe angeschafft, die das spärliche Gras abweideten und für Dünger sorgten. Das wurde erst anders, als eine bessere Kenntnis des Kunstdüngers auch bei den Heidebauern Gemeingut wurde. Heute wird die Heide gemäht, flach umgepflügt, und dann mit Lupinen besäet. Die Lupinen holen mit ihren langen Wurzeln die Nährstoffe aus der Tiefe herauf. Auch diese Nährstoffe kommen dem späteren Acker boden zugute, weil die Lupinen ja als Gründüngung unter gepflügt werden. Nach dem Pflügen bleibt das Land bis zum Frühjahr liegen. Es wird dann mit ge mahlenem kohlensauren Kalk, den wir besser als Kreide oder Mergel kennen, verbessert. Nach dem Unter pflügen des kohlensauren Kalks kann die Bebauung be ginnen. Unter Zuhilfenahme von Kunstdung werden drei Jahre lang Hafer, Roggen und andere Ackerfrüchte ge baut. Dann folgen wieder Lupinen als Gründüngung. Das Land wird durch diese Methode sogar in ein recht gutes Kulturland verwandelt. Dies beweist wohl am besten die Unersetzlichkeit des Humus, der hier, anstatt durch die Unterbringung des Naturdüngers, durch die Gründüngung geschaffen wird. Allerdings ist auch die Lupine, streng genommen, eine Kulturpflanze, aber eine solche, die in zwei Punkten eine Ausnahme bildet. Sie schickt ihre Wurzeln trotz Kies und Sand in ansehn liche Tiefe, und sie ist imstande, den dem Heideboden fehlenden Stickstoff der Luft zu entnehmen und in ihren Wurzelknöllchen aufzuspeichern. Eine Beigabe von Kali, Phosphorsäure und Kalk bringt natürlich auch die Lupine zur üppigeren Entwicklung. Dagegen kommt sie ohne grössere Mengen von Humus aus; es genügt das wenige, was davon selbst im Heideboden enthalten ist. Wieder anders liegt das Verhältnis im reinen Ton boden, der gewissermassen einen Gegensatz zum Heide boden darstellt. Im reinen Ton kann keine Pflanze wachsen. Der Ton muss erst durch Humus gelockert und durchlüftet werden, damit die chemischen und phy sikalischen Vorgänge sich darin schnell genug abspielen können. Hier können wir wieder das Beispiel von der Entstehung neuen Kulturbodens in den Bergen heran ziehen. Der Verwitterungsboden wird hier in die Fels ritzen geschwemmt, er fängt hier wie ein Sieb alle später kommenden organischen Stoffe auf. Hier entsteht sehr rasch in den Felsritzen eine verhältnismässig üppige Baum- und Strauchvegetation. Anders liegt die Sache, wenn der Ton auf ebener Erde ganze Felder des selben bildet. Ich denke dabei an den Besuch einer Ziegelei in der Nähe von Elmshorn. Der Ort heisst „Roter Lehm“, Dort wird aus der Erde das Rotliegende der Dryasperiode, d. h. der Zeit, die auf die Stein kohlenzeit folgte, zutage gefördert. Es ist ein feiner, roter Lehm; mit anderen Worten, es ist ein reiner Ton, denn das Wort Lehm ist ja nur eine Variante der Be zeichnung : Tonboden. Nun ist an einer Stelle so viel abgegraben, dass des Grundwassers wegen Halt gemacht werden muss. So bleibt die Fläche liegen wie sie ist. Auf diesen Tonflächen siedeln sich zwar einige Pflanzen an, allerdings nur ganz bestimmte Arten, und erst im Laufe von Jahren. Besonders sind es Erlen; Gräser fehlen. Obwohl ringsum Korn in Mengen gebaut wird, vergehen Jahre, bis sich auf der Tonfläche das erste Grashälmchen zeigt, und doch enthält der Boden sämt liche Nährstoffe für die Pflanzen. Da er aber nicht ge lockert worden ist, müssten die Wurzeln in dem reinen Ton ersticken. Erst nach Jahrzehnten bildet sich auf diesem Ton durch die wenigen dort gedeihenden Pflanzen eine dünne Humusschicht. Dann siedeln sich auch Gräser und verschiedene Unkräuter an. Auf diese folgt dann der Brombeerstrauch, auf diesen wiederum Erlen und Eichen. Sehr lange aber dauert es, bis auch Schilf sich hier ansiedelt. So, wie hier im Kleinen langsam eine Veränderung des Tonbodens vor sich geht, hat sich vor einigen zehntausend Jahren mit der ganzen norddeut schen Tiefebene ein ähnlicher Umwandlungsprozess voll zogen, Die Gletscher traten hier immer mehr zurück, und von Süden her drang eine immer reichere Flora langsam aber sicher in die Ebene ein. Immer wurde zuerst Humus gebildet, und erst dann kam ein reicheres