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Handelsblatt für den deutschen Gartenbau usw. No. 51 lieber die Haftung des Tierhalters. Von Justizrat W. 5artwich in Berlin. (Schluss.) Gleichgiltig ist es für die Haftpflicht des Tierhalters, ob das Tier' den Schaden unmittelbar mit seinem Körper anrichtet, oder ob es erst einen anderen Gegenstand in Bewegung setzt, durch den der Schaden geschieht; der Tier halter muss den Schaden ersetzen, mag nun sein Pferd einem Menschen direkt mit dem Huf ins Auge geschlagen, oder einen Stein in die Höhe geschleudert und damit den Menschen getroffen haben. Durch ausgehängte, aufflattrnde Wäschestücke wurden Wagenpferde scheu, drängten den Wagen gegen einen Tor flügel, dieser fiel auf den Torpfeiler, der Torpfeiler stürzte ein und erschlug eine Frau. Der Tierhalter ist auf die Klage des Witwers zum Schaden verurteilt worden. Wenn ein grosser Hund durch Aufspringen ein Pferd scheu macht, so wird für den Schaden, den das davonlaufende Tier anrichtet, nach obigen Ausführungen der Pferdebesitzer in Anspruch genommen werden können; aber auch der Eigentümer des Hundes ist haftbar. Denn „durch“ den Hund ist der Schaden angerichtet worden. Der Geschädigte kann beide, den Pferdebesitzer und den Hundeeigentümer, auf Schaden ersatz verklagen, und zwar beide auf die volle Summe als Gesamtschuldner, dergestalt, dass, wenn einer von ihnen bezahlt hat, der Ersatzberechtigte befriedigt ist; die beiden Eigentümer sind nach § 426 B. G.-Bs. im Verhältnis zu ein ander zu gleichen Anteilen verpflichtet. Wenn also einer von ihnen die Forderung bezahlt, so muss ihm der andere die Hälfte erstatten. III. Mitwirkendes Verschulden des Verletzten und dritter Personen. Der § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuches bestimmt: „Hat bei der Entstehung eines Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersätze sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teile verursacht worden ist“. Dieser Paragraph ist auch bei der Haftung für den durch ein Tier angerichteten Schaden anwendbar, wenn sich der Verletzte selbst einer Fahrlässigkeit schuldig gemacht hat, durch die der Unfall mit verursacht worden ist. Die Beurteilung der Frage, ob der Verletzte den ganzen Schaden selbst zu tragen hat, oder nur einen Teil davon vom Tierhalter erstattet verlangen kann, und wie gross dieser Teil sei, hängt davon ab, wie gross die Fahrlässigkeit des Verletzten gewesen ist. Ein Gärtner hatte wegen der Bissigkeit seines Hundes einen Anschlag an seinen Hofzaun gemacht, dass er den Eingang über seinen Hof verbiete und die Besucher durch den Garten kommen müssten. Ein Bekannter, dem dies Verbot und seine. Ursache bekannt war, ging durch den verbotenen Eingang und wurde von dem Hund gebissen. Das Reichsgericht hat seine Klage ganz abgewiesen, weil ihn die volle Verantwortlichkeit trifft, und seine fahrlässige Handlungsweise allein den Schaden verschuldet habe. — Wenn jemand einen Hund reizt und dann von ihm gebissen wird, hat er seinen Schaden selber verschuldet; er wird deshalb vom Eigentümer des Hundes nichts fordern können und muss die Folgen allein tragen. — Ein Pferd, das einen Maulkorb trug, hatte mit dem Maulkorb einen Mann ge stossen oder geschlagen. Der Klageanspruch des Verletzten ist nur zu einem Drittel für gerechtfertigt erklärt worden, weil der Verletzte ohne Not an einem fremden Pferd vorbei gegangen war und sich dadurch dem Schlagen mit dem Kopfe und dem Bisse ausgesetzt hatte. Hat das von einem Menschen vorsätzlicher- oder fahr lässigerweise zu einer Schadenshandlung veranlasste Tier nicht dem Schuldigen selber, sondern einer anderen Person einen Schaden zugefügt, so haftet dem Verletzten allerdings der Tierhalter, aber nicht er allein, sondern auch der schuldige Anstifter ist mitverantwortlich. Erhält der Verletzte von dem Schuldigen Ersatz seines Schadens, so ist die Sache erledigt. Nimmt er aber den Tierhalter in Anspruch, so kann dieser m. E. alles, was er zahlen muss, nicht etwa blos einen Teil davon, von dem Schuldigen erstattet verlangen. IV. Tierschaden, durch Kinderveranlasst. Viele Schäden werden durch Bosheit oder Neckereien von Kindern verursacht. Ueber die Folgen der von Kindern begangenen unerlaubten Handlungen bestimmt, der § 828: „Wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist für einen Schaden, den er einem andern zufügt, nicht ver antwortlich. Wer das siebente, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, ist für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich, wenn er bei Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Ver antwortlichkeit erforderliche Einsicht hat.“ Das Gesetz macht also einen Unterschied zwischen Kindern bis zu 7 Jahren einerseits und Kindern resp. jungen Leuten zwischen 7 und 18 Jahren andererseits. Kinder von noch nicht sieben Jahren haften überhaupt nicht für einen Schaden, den sie anrichten, ältere haften dann nicht, wenn sie noch nicht die Einsicht haben, dass die von ihnen begangene Tat unzulässig oder unerlaubt war. Ich würde übrigens annehmen, dass schon Kinder von 7 Jahren wissen, dass sie nicht mit Steinen nach Hunden werfen, oder dass sie nicht einem Pferde Haare aus dem Schwänze reissen dürfen. Bei Schäden, die ein von einem Kinde gereiztes oder sonstwie vom Kinde zu der Schadenshandlung veranlasstes Tier angerichtet hat, ist ebenfalls zu unterscheiden, ob das Kind selbst beschädigt ist, oder ob andere Personen und deren Sachen beschädigt sind. Wird das Kind selbst verletzt, so will das Reichsgericht die Anwendung des § 254, der von der mitwirkenden Ver schuldung des Verletzten handelt, ausschliessen, und dem Vertreter des Kindes das Recht gewähren, vollen Ersatz für den dem Kind zugefügten Schaden vom Tierhalter zu ver langen. Angenommen, ein sechsjähriges Kind wirft und trifft einen Hund mit einem Stein und wird von ihm gebissen; oder es schlägt mit einem Stock solange auf die Hinterbeine eines Pferdes, bis das Pferd ausschlägt und dem Kind die Armknochen zerschlägt. Dem Reichsgericht zufolge müsste der Tierhalter dem Kinde den ganzen Schaden ersetzen, unter Umständen also eine Rente bis zum Tode des Kindes zahlen. Es ist aber sehr wohl möglich, dass das Reichsgericht später wieder von seiner Ansicht abgehen wird. Die Ansicht des Reichsgerichts ist von namhaften Rechtsgelehrten an gefochten und als irrig bezeichnet worden. Der Gärtner, der ein Kind überfährt, das ihm geradezu unters Pferd ge laufen ist, oder dessen Hund oder Pferd ein Kind gebissen oder geschlagen hat, mag daher, wenn der Unfall vom Kinde veranlasst worden ist, trotz entgegen stehender Reichsgerichts entscheidung den Anspruch des Kindes auf Schadensvergütung als unberechtigt zurückweisen, falls der Unfall durch Mut willen oder grobe Fahrlässigkeit des Kindes verschuldet ist. Für vorkommende Fälle verweise ich auf das Gutachten des Oberlandesgerichtsrats Marwitz und auf das des Professors Träger in den „Verhandlungen des Deutschen Juristen tages“, Band 2, S. 56 und S. 153. Ist durch das Verhalten eines noch nicht siebenjährigen Kindes ein Tier dazu getrieben worden, einer anderen Per son Schaden zuzufügen, so kann der Verletzte allerdings vom Tierhalter Ersatz verlangen. Der Tierhalter aber kann seiner-