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434 Handelsblatt für de deutschen Gartenbau usw. No. 41 der Handelsgärtner auf dem Standpunkt: Prinzipiell haben wir gegen die Unterstellung der Gärtnereiangestellten unter' die Reichs gewerbeordnung nichts einzuwenden, aber wir verlangen, dass die Reichsgewerbeordnung eine derartig genaue Fassung-für die Verhältnisse der Gärt nerei enthält, dass unser Beruf, der so eigenartig von der Natur beeinflusst ist, sich vollständig frei ent falten kann und ihm durch die Reichsgewerbe ordnung auch nicht die geringsten Fesseln auf erlegt werden. Diese Eigenart unseres Berufes muss ge wahrt bleiben. Wenn nun in absehbarer Zeit diese Frage von der Reichs- regierung angeschnitten wird, dann müssen wir — und das müssen wir heute zum Ausdruck bringen — verlangen, dass nicht etwa die ganze Frage vom grünen Tisch aus gelöst werde, sondern dass man in dieser ungeheuer wichtigen Frage unbedingt Männer aus der Praxis in grosser Zahl zur Begutachtung heranzieht. Das müssen wir verlangen und das werden wir auch verlangen. Wir müssen aber in dieser Frage einig und geschlossen vorgehen, und, M. H.l die heutige Tagung, die unter so überaus günstigen Anzeichen begonnen hat, die möge auch den Erfolg haben, dass wir diese wichtige Frage in voller Einigkeit gemeinschaftlich ver treten, damit sie so behandelt werde, wie wir es wünschen müssen im wahren und aufrichtigen Interesse unserer gesamten deutschen Handelsgärtnerei! (Lebh. Beifall.) Der Vorsitzende dankte dem Referenten für seine interessanten Ausführungen und schlug nachstehende Resolution vor: „Der Allgemeine Deutsche Handelsgärtnertag zu Mann heim erklärt bei der Frage der Zugehörigkeit der Gärtnerei diese . als einen untrennbaren Teil der Landwirtschaft, ohne aber in den bestehenden Vertretungen der letzteren eine aus reichende Vertretung der Interessen auch der Gärtnerei zu erblicken. Der Handelsgärtnertag hält die Schaffung eigener selbständiger Vertretungen für notwendig, um die vielsei tigen Fragen des Berufs zweckentsprechend behandeln und lösen zu können. Gegen die Unterstellung der gärtnerischen Arbeitnehmer unter die Reichsgewerbeordnung müssen wir uns so lange erklären, bis nicht durch genau festgelegte Zusatz bestimmungen die berechtigten Eigentümlichkeiten des gärt nerischen Berufs vollständig gewahrt worden sind." Reichstagsabgeordneter Franz Behrens - Essen versichert zunächst,- dass er, seit er im öffentlichen Leben auch die gärt nerischen Interessen vertrete, stets an der Behandlung der wich tigsten Fragen, wie der Zugehörigkeitsfrane und anderer, die weitere Entwicklung der Gärtnerei berührende Fragen eifrig mitzuarbeiten versucht habe, und fuhr dann fort: Alles das, was der Referent ausführte, und was zwei Jahre und früher zurück liegt, wie die Forderung, die Gärtner dem Handwerk anzuglie dern, betrachte ich heute gewissermassen als Studienmaterial. Was diese wichtige Frage betrifft, so habe ich mich davon über zeugt. dass es unzweckmässig ist, die Gärtnerei dem Gewerbe voll anzugliedern. Ich stehe in den allerwichtigsten und prinzipiellen Punkten auf dem Standpunkt des Herrn Referenten und kann seinen Ausführungen nur beipflichten. Drei Dinge sind es, auf die es ankommt: erstens, dass die Gärtnerei sehr viele Ver bindungspunkte gemeinsam mit der Landwirtschaft hat und dass diese mit der Landwirtschaft gemeinsam geregelt und gefördert werden müssen. Dazu gebrauchen Sie, dass Ihr Gewerbe als zur Landwirtschaft gehörig betrachtet wird. Der zweite Punkt ist der, dass Ihr Beruf eine richtige Vertretung, in der auch die Gärt nerei genügend zum Ausdruck kommt, erhält. Und da teile ich auch den Standpunkt des Referenten, dass besondere Organi sationen, oder in den landwirtschaftlichen Vertretungen Stellen geschaffen werden, wo der Gärtner, Arbeitgeber und Arbeit nehmer genügend zum Ausdruck kommen kann. Wie dies ge schieht, darüber wollen wir uns heute den Kopf nicht zerbrechen. Die Herren in der Regierung sollen praktische Vorschläge machen, dann werden wir schon sagen, was recht und was nicht recht ist. Drittens, auch in der Rechtsfrage teile ich den Standpunkt des Referenten. Prinzipiell müssen sich die deutschen Gärtner einem modernen Arbeitsverhältnis ebenfalls anpassen. Die ver alteten Gesindeordnungen darf man niemand zumuten. Einheit liche, klare und einfache Bestimmungen nützen dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Gewiss bietet die Kompliziertheit der ver schiedenen Paragraphen der Gewerbeordnung manchmal unan genehme Begleiterscheinungen. Aber mit meinem Antrag-im Reichs tag ist noch kein Gesetz fertig. In dem Augenblicke, wo in dem Parlament oder in den Kommissionssitzungen über diese Frage verhandelt wird, werden wir selbstverständlich den Wünschen der Gärtner das weitgehendste Interesse entgegenbringen. Ich bin überzeugt, dass auch die Organisationen der Gärtner, Arbeit geber und Arbeitnehmer, dann rechtzeitig, auf dem Plan erscheinen und uns mit Unterlagen und Material versorgen. Es ist bisher an der Gewerbeordnung sehr viel geändert worden; alle Jahre hat der Reichstag, sieh mit ein paar Novellen zur Gewerbeordnung zu befassen. Ich stehe auf dem Standpunkt, wonn die verbündeten Regierungen anerkennen, ein modernes' Recht muss der Gärtner haben, dann erreichen wir schnell auch die nötigen Abänderungen der Gewerbeordnung, so dass der Eigentümlichkeit des Gärtner berufes vollständig Rechnung getragen werden kann. Ferner sage ich Ihnen meinen Dank, dass Sie mich zu dieser Versammlung geladen und mir Gelegenheit gegeben haben, meinen Standpunkt darzutun. Die Fraktion, der ich im Reichstage angehöre, die Wirtschaftliche Vereinigung, bringt Ihren Bestrebungen das grösste Interesse entgegen, und ich kann Sie versichern, dass Sie in uns stets' warme Freunde der gärtnerischen Interessen im Reichstag finden werden. Je mehr sich die Gärtner als Organisation zu sammenschliessen und eine feste Einheit bilden, desto mehr werden Sie sich und Ihre Interessen auch im öffentlichen Leben zum Ausdruck bringen können und Ihre Beratungen im sozialen und volkswirtschaftlichen Leben auch zur Geltung kommen. (Lebh. Beifall.) Emil B e c k e r-Wiesbaden sprach über „Gärtnerei und landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften“. Dieses Thema, so führte der Redner aus, ist wichtig genug, von einer so stattlichen Versammlung, behandelt zu werden, wie dies heute der Fall ist. Die meisten Kollegen betrachten die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft von ihrem Standpunkt als zahlendes Mitglied der Genossenschaft aus. Ich versuche nun, Ihnen ein Bild darüber zu machen, was die Berufsgenossenschaft will. Bisher hörte man über die Berufsgenossenschaft nur schimpfen: warme Freunde hat sie nur sehr wenig. Die land wirtschaftliche Berufsgenossenschaft ist die einzige bestehende Organisation, die alle einzelnen Zweige unseres Berufes obliga torisch zusimmenfasst. Noch unter dem alten Kaiser Wilhelm I. ist 1886 die Fürsorgegesetzgebung erlassen und im Jahre 1887 wurde sie eingeführt. Wir würden also in diesem Jahre Gelegen heit haben, das zwanzigiährige Bestehen der Berufsgenpssenschaft zu feiern. Wenn das Gesetz damals nicht entstanden wäre, so würden wir nach Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches un bedingt dazu gezwungen worden sein, ein derartiges Gesetz einzu führen. Wenn man das Gesetz näher betrachtet, so müsse man sich' mit ihm befreunden. Ich kann nicht verstehen, dass es noch Kollegen gibt, die sich der Beitragszahlung dieses Gesetzes so entgegensetzten. Die soziale und Fürsorgegesetzgebung ist noch lange nicht erkämpft. Sie wissen alle, dass unser Kaiser, dem das Wort in den Mund gelegt wurde: ..Die Kompottschüssel ist nun endlich voll", — es wird wohl nicht richtig sein — stets für eine Erweiterung und Verbesserung der Fürsorgegesetzgebung, eintritt. । Was lehrt nun die zwanzigjährive Erfahrung bei der Berufs- genossenschaft. die. wie Sie wissen, die Landwirte und die Gärtner vereinigt. Das hat schon zu scharfen Kämpfen geführt. Die Gärtner haben sich auf eigene Füsse zu stellen angestrebt, um eine eigene. Organisation zu schaffen. Sie glaubten dabei besser zu fahren, weil die Gärtnerei so wenig Unfälle zu verzeichnen hat Dieser Gedanke ist jedenfalls ein sehr wichtioer und es liegt viel Wahrheit darin, wie die Statistik lehrt. Die Zusammen gehörigkeit mit den Landwirten ist uns von dem Herrn Vorredner so deutlich vor Augen geführt worden, dass zu dem Punkte wohl nichts mehr zu sagen ist. Die Gärtner sind mit den Landwirten untrennbar verbunden. Wir sind leichherechtiste Geschwister. Die .Landwirtschaft als unser stär- kerer Bruder lässt uns ja manchmal fühlen, dass wir der schwache Teil sind. Die Regierung hat für die Gärtner als solche nicht sonderlich viel vetan. Für andere Berufe hat sie mehr übrig gehabt. Für den Handel hat sie die Handelskammern ins Leben gerufen, für die Landwirtschaft die Landwirtschaftskammern geschaffen. Für unseren Beruf hat sie nichts getan und es liegt teilweise an uns selbst, denn wir waren bisher nicht so organisiert, dass wir ein derartiges Verlangen an unsere Regierung stellen konnten! Und unsere Regierung wusste selbst nicht, wie stark wir sind. Wir wünschen und erstreben von der Revieruno. dass sie dieselben Aufwendungen für unseren Gärtnerberuf macht, wie für die an deren Berufsarten. Ein an sich so gesunder Beruf wie der der Gärtner ist, ist jedenfalls bofust und imstande, sich zweckmässige Organisationen selbst zu schaffen. Man kann es den Landwirten nicht übel nehmen, wenn sie für eine günstige Stellung der Gartner die Hand nicht bieten. Tede Verbesserung bei den Gärtnern würde zur Folge haben, dass die Unkosten bei den Landwirten höhere würden. Ich habe mir alle Mühe gegeben und das lan-wir’schaftliche Berufsgenossen- schaftsesetz genau daraufhin peprüft. ob es nicht Punkte ent- habe, die wir .gern abgeändert haben würden: ich habe aber nichts gefunden. Di? Ansführunosbestimmungen lauten so, dass iede Provinz oder Bundesstaat ihre eigene selbstverwaltete Be- rufsoenossenschaft hat und organisiert, sowie ihre eigenen Statuten aufstellen. Im vanzen gibt es 65 gewerbliche und 48 land- und forstwirtschaftliche Rerufsgenossenschaften in über 6296 Betrieben und rund 20 Millionen versicherten Personen. Diese 20 Mil- lionen Versicherte haben im Jahre 1906 über eine Million Unfälle gemeldet. Bezahlt wurden als Entschädigung 143 Millionen. Die meisten Unfälle entfallen auf die Landwirt-