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No. 30 Handelsblatt für den deutschen Gartenbau usw. 276 Antwort. Unser Rechtsanwalt schreibt: Fragesteller giebt an, ihm seien vor 6 Jahren verschiedene Ländereien durch die Kleinbahn durchnitten ; der dazu genommene Boden sei vermessen und enteignet worden, die Einspruchsfrist über die Entschädigung sei abgelaufen. Er wünscht zu wissen, „ob die Besitzer die ge richtliche Auflassung verlangen können, desgleichen die Zahlung ohne Kündigung.“ Hierbei muss sich Fragesteller insofern im Irrtum befinden, als ihm das Land noch nicht enteignet sein kann. Ich nehme nach seiner Darstellung an, dass der Unternehmer den Antrag auf Feststellung der Entschädigung bei dem Regierungs präsidenten gestellt hatte, dass darauf die kommissarischen Ver handlungen stattgefunden hatten, dass schliesslich durch die Ent scheidung des Bezirksausschusses die Höhe der dem Eigentümer zu gewährenden Entschädigung festgesetzt worden ist und dass gegen diese Entscheidung weder der Unternehmer der Kleinbahn, noch der Eigentümer innerhalb sechs Monaten Klage erhoben hat. Jetzt hätte nun, nach dem gewöhn liehen Gange solcher Unternehmen, der Unternehmer beim Bezirksausschuss den Antrag zu stellen, dass das Grundstück zu enteignen sei (einer Auflassung bedarf es nicht) und der Bezirksausschuss müsste die Enteigung aus sprechen, wenn der Unternehmer nachweist, dass er die festge stellte Entschädigungssumme gezahlt oder hinterlegt hat. Auf Grund dieses Beschlusses könnte sich erst der Unter nehmerin den Besitz des Grundstücks setzen, und nur in dringenden Fällen kann der Bezirksausschuss auf Antrag des Unternehmers anordnen, das die Enteignung noch vorErledigung des Rechtsweges, also vor Ablauf der 6 Monate erfolgen solle. Wenn ein solcher Beschluss auf Grund eines dringlichen Falles erlassen sein sollte, so muss die vom Bezirksausschuss festgesetzte Summe schon hinterlegt sein, und es muss auch das Eigentum am Grundstück schon längst auf die Kleinbahn übergegangen sein. Hierauf liesse allerdings die Angabe des Fragestellers, dass der zur Kleinbahn genommene Boden schon enteignet sei, schliessen; doch ist mir dies aus anderen Gründen wieder unwahrscheinlich, und ich nehme deshalb an, es sei nur, wie gewöhnlich, die Entschädigung fest- gestellt worden, ohne aber hinterlegt zu sein, uud der Unter nehmer rühre sich nicht. Für diesen Fall trifft das Gesetz keine Entscheidung. Das Enteignungsgesetz bestimmt im § 42 Abs. 2 nur, welche Rechte der Eigentümer hat, wenn der Unternehmer nach Feststellung der Entschädigung ausdrücklich seinen Rück- I tritt erklärt; dort ist bestimmt: Tritt der Unternehmer zurück, nachdem bereits die Fest stellung der Entschädigung durch Beschluss der Regierung erfolgt ist, so hat der Eigentümer die Wahl, ob er lediglich Ersatz für die Nachteile, welche ihm durch das Enteignungsverfahren er wachsen sind, oder Zahlung der festgestellten Entschädigung 1 gegen Abtretung des Grundstücks geeignetenfalls nach vorgängiger Durchführung des im § 30 gedachten Prozessverfahrens, im Rechts wege beanspruchen will. Wie es sich aber stelle, wenn der Unternehmer seinen Rück tritt vom Unternehmen nicht erklärt, aber auch keine Anstalten macht, das Enteignungsverfahren zum Abschluss zu bringen, viel mehr die zur Enteignung erforderliche Zahlung oder Hinterlegung der Entschädigungssumme nicht vornimmt, das sagt das Gesetz nicht. Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, dass der Eigen tümer die festgesetzte Entschädigung von dem Unternehmer ein klagen kann, und er braucht, wern er sein Recht geltend macht, noch nicht einmal die Auflassung anbieten, kann es vielmehr dem Unternehmer überlassen, ob dieser die Enteignung durch den Bezirksausschuss bewirken lassen wird. Jedenfalls kann er den Unternehmer auf Zahlung der festgesetzten Entschädigung verklagen, und zwar sofort. Eine Kündigung ist nicht erforderlich. Der Klage braucht höchstens eine Aufforderung zur Zahlung vor auszugehen. Zinsen braucht meines Erachtens der Unternehmer erst vom Tage der Mahnung oder der Klagezustellung zu bezahlen. Deshalb müsste sich der Eigentümer beeilen, damit der Zinsen- lauf beginnen kann. Gehaltszahlung während militärischer Hebungen. Mein Gehilfe wird zu einer 36 tägigen militärischen Uebung zum Kaiser-Manöver eingezogen. Der Gehilfe ist verheiratet. Muss ich demselben während der Uebungszeit sein volles Gehalt weiter zahlen ? CF. Antwort. Unser Rechtsanwalt schreibt: Der Gehilfe des Fragesstellers ist zu einer 36 tägigen Uebung einberufen. Einen Anspruch auf Gehalt für die Dauer der Uebung hat er nicht. § 616 des B. G. B. bestimmt: Der zur Dienstleistung Ver pflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismässig nicht erhebliche Zeit durch einen nicht in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Regel ist bei Dienstverträgen wie bei allen anderen, dass ein Teil vom anderen nur Erfüllung verlangen kann, wenn er selber die ihm obliegende Leistung bewirkt hat. Der Gehilfe kann also in der Regel nur dann für diejenige Zeit sein Gehalt fordern, die er gearbeitet hat. Ausnahmeweise kann er es nach § 616 auch dann fordern, wenn er nicht gearbeitet, sofern er ohne sein • Verschulden an der Dienstleistung verhindert war, und b), sofern die Verhinderung nur „eine verhältnissmässig nicht erhebliche Zeit“ dauert. Ich bin der Ueberzeugung, dass jedermann, auch jeder Richter, 36 Tage nicht als „eine verhältnissmässig nicht erhebliche Zeit“ ansehen, sondern diesen Zeitraum für verhältnissmässig recht erheblich halten wird. Deshalb braucht also der Prinzipal dem Gehilfen für die gedachte Zeit überhaupt kein Gehalt zu zahlen. Entscheidungen deutscher Gerichtshöfe. Kinderschutz in Gärtnereien. Wegen des Vergehens gegen das Kinderschutzgesetz vom 30. März 1903 war der Gärtnereibesitzer Müller aus Lichtenberg b. Berlin angeklagt. Dem An geschuldigten wurde zur Last ge legt, einen noch nicht 14jährigen Schulknaben, ein zum Besuch der Schule verpflichtetes Kind, in seinem gewerblichen Betriebe unter üeberschreitung der gesetzlich erlaubten Arbeitszeit und ohne eine Arbeitskarte für ihn gelöst zu haben, beschäftigt zu haben. Müller ist Besitzer einer grossen Gemüsegärtnerei in Lichtenberg. In dieser wurde der zwölfjährige Knabe damit be schäftigt, Mohrrüben zu ziehen und zu säubern, Petersilie und Radieschen zu binden und Unkraut aus den Gemüsebeeten heraus zuziehen. in dieser Tätigkeit erblickte die Anklagebehörde eine nicht erlaubte Kinderarbeit in einem gewerblichen Betriebe und veranlasste das jetzige Strafverfahren. Der Staatsanwalt beantragte 50 M. Geldstrafe. Das Schöffengericht erkannte auf Freisprechung, weil die betrf. Gärtnerei als landwirtschaftlicher Betrieb zu er achten sei. Zur Lohnbewegung in Dölitz und Markkleeberg. Mein im Handelsblatt Nr. 28 veröffentlichter Stimmungs bericht über die scheinbare Lohnbewegung der Gehilfen zu Dölitz und Markkleeberg wird von Seiten der Allgem. Deutsch. Gärtner zeitung einer Kritik unterworfen und mir die fragliche Nummer jenes Blattes zugestellt. Bezeichnend ist, dass man die von mir in meinem Bericht angeführte entgegengesetzte Wirkung der scheinbaren Lohn bewegung, und auch den Hinweis auf die in Nr. 26 der Allgem. Deutsch. Gärtnerzeitung enthaltenen Unrichtigkeiten, bei der Kritik übersieht. Man begnügt sich, mir zu erklären, dass der Spruch von den bösen Buben, auf den ich hinwies, ein Bibelvers und kein Sprichwort sei, und dass mein frommer Wunsch betr. die Be wahrung unserer Gehilfenschaft vor den Gefahren der Sozial demokratie wohl nicht in Erfüllung gehen würde, denn es gäbe noch so wenig gute Väter und so viel böse Buben. Der Umstand, dass man solche Nichtigkeiten beleuchtet und die Hauptsache übergeht, veranlasst mich, die Arbeits- und Lohn verhältnisse in den Orten Dölitz und Markkleeberg etwas näher zu betrachten. Man zahlt hier bei freier Wohnung, Heizung und Licht per | Monat M. 52—58 für junge Leute, die eben aus der Lehre kommen j oder als tüchtig nicht bezeichnet werden können. Tüchtige Leute, die ein Jahr oder länger in ihrer Stellung sind, und die mit Lust und Liebe und Interesse arbeiten, bekommen p. Monat I M. 70—90 bei freier Wohnung, Heizung und Licht. Wo volle freie Station gewährt wird, geschieht es meist auf Wunsch der An gestellten selbst und sicher zu deren Vorteil. Die Arbeitszeit in Markkleeberg ist fast in allen Geschäften geregelt und zwar im Sommer von 6— 81/2 Uhr mit 2 Stunden Pausen, im Winter von 7—7 Uhr mit ebenfalls 2 Stunden Pausen. Wenn nun vom Allgemeinen Deutschen Gärtnerverein tarif- J mässige Regelungen gefordert werden, die man freiwillig schon | seit 10 Jahren gewährt hat, so wäre es doch töricht, sich in solche | Verhandlungen einzulassen und den bösen Buben zu dem vermeint lichen Triumph zu verhelfen, sie hätten der Gehilfenschaft Nutzen i ; gebracht. Ich habe die Ueberzeugung, dass eine Menge junger | Leute sich gar nicht bewusst sind, dass sie das, was ihnen der I A. D. G. V. aufgibt zu fordern, bereits schon haben. Möchten doch unsere jungen Leute sich ihren Prinzipalen mehr anschliessen, mehr Vertrauen zu diesen haben und nicht nur 1 sondern mindestens 2—3 Jahre auf einer Stelle bleiben, dann würden sie sich ihre Lage ganz von selbst verbessern, und die bösen Buben würden bald gezwungen sein, wieder zum Spaten zu greifen und ihr Brot im Schweisse des Angesichts, aber in || Ehren, zu verdienen, denn die jungen Leute würden bald zu fier Einsicht kommen, dass es ihre Prinzipale unendlich viel besser I mit ihnen meinen, und dass sie von diesen sehr, sehr viel mehr [ Gutes zu erwarten haben, als von den bösen Buben. II Markkleeberg. C. Rauch.