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->88 Neues nicht bietet, der Unterschied, liegt nur darin, dass Herr Baatz mehr Wasser noch zur Vermehrung braucht als von mir angegeben. Die Factoren: günstiges Wasser, guter Sand oder Erde, Luftabschluss als zur Bewurzelung von Belang sind dieselben. Sonne kommt nur in Betracht, wenn welche vorhanden, auch hier wird Herr Baatz bei Vermehrung im Winter, wo man wochenlang keine Sonne sieht, zur Bodenerwärmung greifen müssen. — Wenn ich ferner angegeben, dass sein Verfahren sich nur auf Primelvermehrung und nicht auch auf die Vorkultur bezieht, so ergänzt eines das andre, denn um gute Erfolge zu erzielen, hat eine richtige Behandlung der Pflanze voraus zugehen um sie zur Vermehrung geneigter zu machen. Dieses Verfahren weicht von der Kultur, schöne Pflanzen zu ziehen, doch gewaltig ab. Ist es nun etwas Anderes, wenn ich die zur Vermehrung vorbereiteten Primelstecklinge in eine 3—4 Zoll hohe Lage Sand stecke, der mit Wasser so getränkt ist, dass ein Welken ausgeschlossen bleibt, oder ich nehme Schaalen, fülle sie mit Wasser und Sand, stecke die Steckling hinein und stelle sie in die volle Sonne, jedoch so dass sie nicht welken? Wie ist es aber nun, wenn es keine Sonne giebt? Dann wird auch hier Boden wärme erforderlich sein, damit die Stecklinge nicht leiden. Bei der von mir angegebenen Methode gehen auch ohne Sonne Stecklinge nicht zu Grunde und wachsen überhaupt sehr gut. Züchter, die Massenvermehrung betreiben, werden auch von ihren Methoden nicht abgehen, so lange als sie mit sicherem Erfolge arbeiten. Das Zugrundegehen von derartigen voll gesteckten Vermehrungen liegt lediglich an der Person selbst, die damit betraut ist, die unsauber arbeitet, der es nicht daraufankommt, wenn sie ihr anvertraute Steck linge einmal welken lässt und deren Ausrede dann ist, dass die Vermehrung nichts tauge. Wenn nun Herr Baatz infolge meiner Auseinander setzungen fragt: „was ich von ihm Anderes erwartet habe, etwa eine Vermehrung aus Wurzelenden?“ so stellt sich derselbe nur ein destimoniwn paupertatis damit aus, denn wenn ich mit der Behauptung auftrete, der Welt etwas Neues zu bieten und ich vermag den Standpunkt des noch nicht Dagewesenen nicht aufrecht zu erhalten, so ist die Behauptung eben hinfällig; wenn ich mich aber damit brüste und anfrage, ob man eine Vermehrung aus Wurzelenden erwartet habe, die ich selbst nicht kenne, so kann man nur darauf antworten, „wes das'Herz voll ist, fliesst der Mund über.“ Es giebt Pritnulaceen, die sich aus Wurzeln ver mehren lassen. — Betreffs der Rosen Vermehrung, so ist dieselbe bereits in den 70er Jahren in Erfurt, Leipzig-Abtnaundorf, Dresden, Köstritz etc. nach dieser Methode in Anwendung gewesen, zuerst aber wohl von Amerika zu uns gelangt, denn hier orts bezeichnet man das Verfahren als amerikanische Weise, Dass ich damals beim Beschluss im Verein Phönix meine Ansichten kund gab, dass ich nichts Neues erwarte, daher den Betrag anderweit verwendet wissen wollte, bezeugen mir sämmtliche anwesend gewesenen Mitglieder. Ich wurde aber von jüngeren Gärtnern überstimmt, die ein Geheimniss vermutheten. Als sie die Abhandlung vorgelegt erhielten, bestehend in einem Viertelbogen, auf dessen einer Seite hectographirt war: I. „Mein Verfahren bei Vermehrung von Rosen.“ 11. „Mein Vermehrungsverfahren bei gefüllten Primeln.“ „Wer II bestellt, erhält I zu und umgekehrt“, gaben Sie mir vollkommen recht. Da es immerhin nichts Neues ist, was in der Abhandlung enthalten, so ist dieselbe auch nach meiner Beurtheilung des Originals nicht werth. dass man einen solchen Preis dafür zahlt, wenn man andre Bücher dagegen vergleicht. Niederlössnitz, d. 19. Mai 1888. C. L. Hartmann. Bemerkung: Bezugnehmend auf vorstehende Mit- theilungen fühlen wir uns veranlasst, um nicht einen Streit um des Kaisers Bart aus diesen gegenseitigen Auseinander setzungen entstehen zu lassen, über die hauptsächlichsten Begründungen der in redestehenden, nach persönlichen An sichten scheinbar verschiedenen Vermehrungsweisen eine kurze Klarstellung beizufügen. Im grossen Ganzen handelt es sich bei der Baatz’schen Vermehrungsweise und dem Hartmann'sehen Standpunkte über diese Angelegenheit nur um zwei persönlich verschiedene Auffassungen und theilen wir vollständig die Ansicht von Hartmann, dass es sich bei der Baatz'sehen Vermehrungs weise um nichts Neues handelt, denn — es führen bekanntlich verschiedene Wege nach Rom, nur kommt es hier darauf an, welcher der kürzere und zugleich praktischere ist. Was die Vermehrung in Wasser anbelangt, so ist dieselbe, wie Herr Hartmann richtig bemerkt, schon sehr alt, aber der Vermehrung in Erde oder Sand in der Praxis nicht vorzuziehen, weil', wie Hartmann bemerkt, „die Wurzeln beim Einpflanzen oder Verschulen vielfach zurückgehen.“ — Diese Erscheinung ist darauf zurückzuführen, dass der Charakter einer in Wasser gewachsenen Wurzel verschieden ist von demjenigen einer Wurzel, welche in Sand oder Erde gewachsen ist. Die Zellen ersterer sind wasserreicher, stoff ärmer, dünnwandiger und daher weniger consistent und widerstandsfähig. Diese Beschaffenheit liegt in der Ver schiedenheit der Funktionen überhaupt, welche eine Wurzel bei der Stoffaufnahme im Wasser, gegenüber einer Wurzel bei der Stoffaufnahme im Boden (Sand oder Erde) zu ver richten hat. Die nur im Wasser sich bildende Wurzel findet mehr' bereits gelöste Nahrungsstoffe vor, während die im Boden befindliche Wurzel mehr durch ihre eigne Thätig- keif die aufzunehmenden Stoffe selbst mit zu lösen hat und andrerseits ein Widerstand bei der Bildung der zarten Zellen zu überwinden ist, welchen die Boden oder Sand- theilchen bieten. — Der praktische Vortheil der Vermehrung in Erde oder Sand besteht in der Hauptsache darin, dass sich die Wurzeln bereits den Verhältnissen des Bodens angepasst haben und deshalb für ihre spätere Existenz widerstandsfähiger beanlagt sind, was bei den in Wasser gebildeten Wurzeln nicht der Fall ist, später aber auf Kosten der gebildeten Wurzeln und selbstverständlich auch auf Kosten der ganzen Pflanze selbst geschieht. — Dass die Bildung der Wurzeln im Wasser überhaupt möglich ist, beruht auf dem Vorhandensein der Reserve stoffe im Stecklinge selbst. Hilfreich kommen hier die in jedem Wasser, sofern es nicht destilirtes ist, stets enthaltenen pflanzlichen Nährstoffe, sowie die Möglichkeit und Regelmässig keit der Wasseraufnahme zur Lösung der in dem Stecklinge vorhandenen Reservestoffe und die Verhütung einer zu starken Wasserverdunstung des Stecklings hinzu. — Wasser ist mithin, in grösserer oder geringerer Menge bei der Wurzelbildung sowie allen übrigen Vegetationsvor- gangen stets erforderlich und richtet sich die Menge mit nach den individuellen Ansprüchen der Pflanze selbst.- — Ein Gleiches ist es mit der Wärme. Die Vegetation der Pflanzen ist an eine gewisse Wärmemenge gebunden und sind die Ansprüche ebenfalls individuell. Bei einem Sinken unter ein gewisses Minimum hört die Vegetation auf, ebenso aber bei einem Steigen über ein gewisses Maximum. Im allgemeinen jedoch steigert sich der Vegetationsvorgang bei den Pflanzen mit zunehmender Wärme, wodurch erklärlich wird, dass bei dem Einwirken der vollen Sonne die Bildung neuer Zellen, beziehungsweise-Wurzeln eine schnellere ist. Ist eine Erwärmung der Luft, des Bodens oder Wassers in welchem sich der Steckling befindet durch die Sonne nicht gegeben, so muss sie eben durch andre Mittel geschaffen werden und ist mithin auch im Winter ohne den merk baren Einfluss der erwärmenden Sonnenstrahlen die Ver mehrung, resp. Wurzelbildung möglich. Von einem gänz lichen Fehlen der Einwirkung der Sonne kann auch an trüben Wintertagen keine Rede sein, da die Erscheinung des Tageslichtes eben auf der Sonnenwirkung beruht.