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-> 183 -- Wissenschaft lernen, deren Beweisführung auch der Un- | gläubigste zu respectiren pflegt, der Statistik. Was schein- । bar Zufälligeres, was Willkürlicheres kann es wohl geben, als die Zahl der tödtlichen Unglücksfälle durch Ertrinken, Verbrennen, Erfrieren etc., mit deren detaillirter Beschrei bung ein grosser Theil unserer Tagespresse die Kosten der Unterhaltung, die sie ihren Lesern schuldig zu sein glaubt, tagtäglich bestreitet? Und doch — sehen wir genauer zu — welche Gesetzmässigkeit waltet doch auch hier bei aller scheinbaren Willkür. So bestimmt, so unbarmherzig waltet auch hier eine festgegründete Ordnung, dass allen jenen Unglücksfällen durch alle die Jahre hindurch in dem klei nen Sachsen wie in seinem grossen Nachbarstaate Preussen bis auf die Decimaistellen genau derselbe Procentsatz Männer und derselbe Procentsatz Frauen zum Oper fällt, und dass die Verhältnissziffern zwischen den einzelnen Todesarten, wie zwischen den einzelnen Berufsgruppen, zwischen den einzelnen Jahrgängen, wie zwischen den einzelnen Ländern nahezu constant bleiben. Finden sich Abweichungen im Einzelnen, so haben sie ihren guten Grund; der nach folgende Versuch, auch auf diesem Gebiete dem schein bar Willkürlichen sein Gesetz abzugewinnen, mag daher für Diejenigen, die dem Bleibenden im ewigen Wechsel der Dinge nachzuspüren gleich uns für eine dankbare Auf gabe halten, nicht ohne Interesse sein. Die Zahl der tödtlich Verunglückten betrug in Sachsen im Jahre 1887: 703, das sind 2, auf je 10000 Lebende. Es ist dies die niedrigste Verhältnissziffer im Laufe der 1 letzten 25 Jahre. Nur einmal im Laufe dieses Zeitraums ; hat sie sich auf 3,0 und einmal auf 3,6 erhoben; in den üb- : rigen 23 Jahren hat sie zwischen 2, bis höchstens 2 W ge- : schwankt — gewiss eine geringfügige Differenz gegenüber der Summe von „Zufälligkeiten“, die zusammen wirken müssen, um einen solchen Unglücksfall zu ermöglichen. Dessenungeachtet mag constatirt werden, dass diese Ver hältnissziffer in Preussen gerade doppelt so hoch ist. Im Durchschnitt der Jahre 1883 bis 1885 (nur bis dahin reicht die uns zugängliche Statistik Preussens) betrug dort die Zahl der tödtlichen Unglücksfälle 12 809, d. i. 4, 5 auf 10 000 Bewohner. Den Grund dieses auffallenden Unterschieds zu ermitteln, liegt ausserhalb des Bereichs unserer Aufgabe. Annähernd dieselbe Gesetzmässigkeit wie in der Ge- sammtzahl zeigt sich in der Art der Verunglückung. Es sind nämlich in Sachsen procentual in den Jahren 1863—1887 absolut im Jahre 1887 1886 1885 1884 1883 ertrunken 34,, °/. 233 241 193 254 243 gefallen, gestürzt . . 14, » 108 128 111 89 107 erschlagen, verschüttet, erdrückt .... 13, 6 „ 58 79 107 62 84 überfahren .... 10,3 „ 97 74 74 ’ 78 74 verbrannt, erstickt 58 42 61 57 50 „sonstige Unglücks arten“ 7, » 40 36 35 46 67 erfroren 37 47 34 18 25 vom Blitz erschlagen 13 21 27 14 9 erschossen 4 8 13 13 7 vergiftet 1,o ,, 9 5 8 4 9 Mit nur ganz wenigen Ausnahmen bleibt sonach die Reihenfolge der Todesarten in allen diesen Jahren dieselbe; die grösste Zahl aller Verunglückten findet ihren Tod durch Ertrinken, dann durch Fall und Sturz, dann durch Er schlagen-, Erdrückt werden u. s. f. Die Wenigsten gehen durch Gift und Schusswaffen zu Grunde. Noch viel auffälliger ist die Gesetzmässigkeit, mit wel cher sich die tödtlichen Unglücksfälle auf die Geschlechter vertheilen. Von den Verunglückten waren: männlichen weiblichen Geschlechts in Sachsen 1887: 566 128 1886: 643 137 1885: 578 121 1884: 535 139 1883: 598 123 im Durchschnitt 580 129 d. i. procentual 82 % 18% in Preussen 1885: 10633 2441 1884: 10125 2348 1883: 10358 2523 im Durchschnitt 10372 2437 d. i. procentual 820/ 18% Genau wie in Sachsen waren daher in Preussen unter 100 tödtlich Verunglückten l 82 männlichen und 18 weiblichen Geschlechts. Ordnen wir die Verunglückten schliesslich nach dem Berufe, so ergiebt sich folgende Reihenfolge: Beruf Zahl der Verunglückten in Sachsen im Jahre in Preussen im Jahre 1887 1886 1884 1885 1884 Landwirthsch., Forstwirthsch. Verkehrsgewerbe .... 83 101 87 3022 2711 83 66 58 739 722 Baugewerbe 60 66 52 692 650 Textilindustrie 43 48 55 111 126 Bergbau 41 35 48 1099 990 Nahrungsmittelindustrie . . 32 26 25 390 388 Industrie d. Steine u. Erden 28 .35 29 274 262 Handelu. Versicherungswesen 25 45 25 279 255 Bekleidung u. Reinigung . . 19 33 23 271 286 Metallverarbeitung .... 16 35 20 238 221 Holz- u. Schnitzstoffe . . . 16 19 17 200 18) Maschinenindustrie .... 12 12 9 117 121 Pers. Dienstleistungen. . . 9 15 21 817 913 Stehendes Heer 8 8 6 92 96 Schank- u. Gastw 7 . 5 6 81 51 Papier- u. Lederindustrie 6 9 9 61 60 Oeffentl. Dienst 5 11 4 63 52 Chemische Industrie . . . 4 2 4 44 46 Erziehung u. Unterricht . . 3 1 32 12 Kunst, Literatur Polygr. Gewerbe 3 — 4 17 5 2 2 2 12 11 Kunstgewerbe...... 2 — 1 2 8 Kirche, Todtenbestattung . 2 — 2 ' 4 3 Heiz- und Leuchtstoffe . . 1 3 3 20 10 Gesundheitspflege .... 1 2 i — 13 1 9 Die Reihenfolge ist also in Sachsen in den Jahren 1887, 1886 und 1884 (das Jahr 1885 fehlt in der amtlichen Statistik) fast genau dieselbe wie in Preussen während der Jahre 1885 und 1884, in der Hauptsache nur mit drei allerdings sehr bemerkenswerthen Ausnahmen: es sind die Textilindustrie, der Bergbau, der in Sachsen erst an fünfter Stelle rangirt, nimmt in Preussen die zweite Stelle ein; ihm folgen in Preussen die persönlichen Dienstleistungen, die in Sachsen erst in der dreizehnten Gefahrenklasse stehen; der Textilindustrie endlich, die als Hauptindustrie Sachsens hier in vierter Reihe steht, kommt in Preussen erst die zwölfte Stelle zu. In allen übrigen Beziehungen deckt sich die Reihenfolge der einzelnen Berufsarten durch die ein zelnen Jahre hindurch in den beiden Ländern fast voll ständig. Für die eigentliche Berufsgefahr giebt freilich diese Statistik, was Sachsen betrifft, keinen Anhalt; denn die sächsische Statistik unterscheidet nicht zwischen denjenigen Unglücksfällen, die durch den Beruf verursacht sind, und den nicht durch den Beruf herbeigeführten. Die preussische Statistik thut dies und gelangt zu dem Ergebniss, dass von allen tödtlich Verunglückten im Berufe verunglückten im Jahre 1883: 45, ä0 pCt, im Jahre 1884: 45,67 pCt, im Jahre 1885: 45,51 pCt. An der Spitze der Berufsarten, welche die meisten auf den Beruf zurückzuführenden Unglücks fälle aufweisen, steht hier der Bergbau (im Jahre 1885 von