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Vorschläge zur zeitgemässen Reform des gärtnerischen Unterrichtswesens. Der Hauptfehler der meisten bisherigen gärtnerischen Privat-Lehranstalten besteht darin, dass sie- keine, resp. ungenügende Subvention erhalten, sodass also die Be sitzer resp. Leiter derselben gezwungen sind, mehr auf die pecuniäre Seite des Unternehmens, als auf die eigentliche, d. h. erziehende desselben zu sehen, da wohl kein Privatmann auf die Dauer im Stande ist, bei noch so regem Interesse für die Sache, fortwährend so grosse pecu niäre Opfer zu bringen, wie sie der Betrieb einer richtig geleiteten fachlichen Lehranstalt erfordert. In Folge dessen wird im Laufe der Zeit fast jeder Besitzer einer derartigen gärtnerischen Privat-Lehranstalt, selbst beim besten Willen, schon durch den Selbsterbal- tungstrieb gezwungen werden, auf andere Hilfsmittel zu sehen und das Nächste ist, dass, er auf Handelsgärtnerei verfällt, welche ihm in Folge der billigen Arbeitskräfte seiner Schüler'bedeutende Vortheile*) gegenüber den eigent lichen Handelsgärtnereien bietet und wodurch lezteren eine gefährliche Concurrenz erwächst. Da bei einer solchen „Schul-Handelsgärtnerei" die Kräfte zwischen Schule und Handelsbetrieb getheilt, also zersplittert sind, werden in den meisten, wie ja auch die Erfahrung lehrt, selten so gute Handelsprodukte gezogen, wie in einer normalen Handelsgärtnerei, wo alle Kräfte auf das eine Ziel — möglichst gute und preiswürdige Pro dukte zu erhalten — gerichtet sind. Erstere, d. h. die „Schul-Han delsgärtnereien", werden deshalb versuchen, ihre Artikel zu jedem Preise loszu schlagen, wodurch die ohnehin niedrigen Preise noch mehr gedrückt werden, ganz abgesehen von dem moralischen Nachtheil auf die -Schüler. Und gesetzt der Fall, es wür den in solchen „Schul-Handelsgärtnereien" wirklich voll- werthige Produkte gezogen, so können sie dieselben doch weit billiger hergeben, als die eigentlichen Handelsgärtne reien, da ja ihie Betriebskosten weit geringer sind in Folge der billigen Arbeitskräfte ihrer Schüler.**) Es herrscht wohl kein Zweifel mehr darüber, dass die meisten fachlichen Privat-Anstalten der Gärtnerei eher schaden, wie nützen, und dass in fast jedem derartigen Privat-Institut die physische Kraft der Zöglinge in un verantwortlicher Weise ausgenützt wird, auf Kosten der theoretischen Ausbildung, da sonst die Privat- Anstalten die Unkosten nicht aufbringen können. Wohl aber könnte dies der Staat thun, da für das Land die nothwendige, verhältnissmässig geringe Summe für die Unterstützung eines wissenschaftlich so werthvollen Erwerbszweiges kaum in Betracht kommt. Sehen wir als Beispiel die gewerblichen Fortbildungs schulen, die technischen und landwirthschaftlichen Schulen etc. an, die meist vollständig vom Staat erhalten werden und deren Besuch dem Schüler nicht nur vielfach sehr wenig oder gar- nichts kostet.' sondern oft noch durch Sti pendien etc. bedeutend erleichtert wird, damit auch Unbe mittelte diese wohlthätigen Staatseinrichtungen geniessen können. Und die Gärtnerei, welche jährlich enorme Summen dem Lande einbringt, viele Staatsbürger ernährt und un- gemein viel zur Landescultur beiträgt, wird in dieser Hin sicht sehr stiefmütterlich behandelt, da von Seiten des Staates wenig bis jetzt geschehen ist, trotzdem wir nach der Statistik etwa 9000 Handelsgärtner, ca. 20,000 Besitzer und Leiter von grösseren Pr iv at-Gärten und etwa 35,000 Gehilfen und Lehrlinge in Deutsch land haben. *) [st z. Zt. auch bei Staatsanstalten der Fall. D. Red. *) Und ausserdem der Vertrieb von Behörden und Vereinen ganz wesentlich unterstützt wird. D. Red. Ein zweiter Grund für die mangelhafte Ausbildung der Zöglinge in den gärtnerischen Privat-Anstalten liegt in der so vielfach verschiedenen Vorbildung der jungen Leute. Sehen wir uns dieselben beim Eintritt näher an, so finden wir viele darunter, welche oft kaum die nöthigste allgemeine Schulbildung, genossen, andere, die wieder eine Volksschule vollständig besucht, wieder andere, die das Gymnasium oder die Realschule frequentirt haben und das Einjährigen-Zeugniss besitzen u. s. f. Eine alte Erfahrung aber lehrt, dass fast die Hälfte, oft zwei Drittel nicht orthographisch schreiben können und mit den anderen Fächern ist es dann ähnlich bestellt. Vornehmlich im Rechnen und Mathematik sind die Meisten noch sehr schwach. — Und alle diese jungen Leute sollen trotz ihrer so verschiedenen Vorbildung nun auf einmal einem gemeinsamen Ziel entgegengeführt werden. Dass dies sehr schwierig, oft ganz unmöglich ist, muss jeder Unparteiische einsehen und wird jeder Lehrer bestätigen. Ein grosser Theil wird gar nicht folgen können, wäh rend eine andere geringere Anzahl sich gelangweilt fühlt, da ihr diese Sachen vielfach bereits bekannt. Am mei sten tritt dies in den allgemeinen Fächern, wie Rech nen, Mathematik. Correspondenz, Physik etc. hervor, wäh rend in den speciell gärtnerischen Fächern es sich mehr ausgleicht. Doch ist auch in diesen ein nachtheiliger Einfluss be merkbar. Darum muss bei einer event. Staats-Anstalt für Gärtner darauf hingewirkt werden., dass in der ersten Zeit, vielleicht im ersten Semester, die Schüler auf eine möglichst gleichmässige, allgemeine Bil dungsstufe. gebracht werden, während im zweiten Seme ster dann erst die eigentlichen Fach gegenstände gelehrt werden. Ein dritter Fehler wohl sämmtlicher bisheriger Gärtner- . Lehranstalten ist der, dass zu viel von ihnen in der ver hältnissmässig kurzen Zeit verlangt wird. Neben der praktischen Ausbildung wird von einem Gärtner, und vor Allem von einem Landschaftsgärtner, der auf der Höhe der Zeit steht, heutzutage auch eine wissenschaftlich künstlerische Ausbildung verlangt, doch ist es ganz unmöglieh , die letztere ohne die erste, d. h. die künstle rische ohne die wissenschaftliche Bildung zu erhalten — einzelne Genies sind nicht massgebend und Ausnahmen j bestätigen nur die Regel — und doch versuchen die Lehr anstalten dies Alles zusammen in der kurzen Zeit von ; 2 Jahren, von denen die Hälfte, also 1 Jahr, noch für die ■ praktischen Arbeiten abgeht, zu lehren. Es ist dies zuviel verlangt und die nothwendige Folge, dass die Schüler von Allem etwas, nichts aber i gründlich lernen. Nebenbei muss auch berücksichtigt . werden, dass ein kleinerer Handels- oder Herrschaftsgärtner j viele von den Sachen niemals braucht, die ihm auf den bisherigen Lehranstalten vorgetragen werden, die Zeit hier- | für also vergeudet ist, während für einen Landschaftsgärtner ■ gerade in künstlerischer Hinsicht von den bisherigen Lehr- I anstalten zu wenig geboten wird, resp. geboten werden kann, wegen der Kürze der Zeit. Für diejenigen Schüler, welche event. später nur klei nere Handels- oder Herrschaftsgärtner werden wollen, reicht ein Jahr aus zur Erwerbung der nöthigen theoretischen Kenntnisse, wenn diese entsprechend vorgetragen werden, während für einen zukünftigen Landschaftsgärtner (im rich tigen Sinne des Wortes) 2 Jahre nicht zuviel sind, um sowohl in wissenschaftlicher, wie künstlerischer Hinsicht auf die Höhe seines Berufes zu gelangen resp. die nöthige Grundlage dazu zu erhalten. Aus diesen Ausführungen geht aber nun auch hervor, dass es deshalb fehlerhaft ist, die Ausbildung aller dieser jungen Leute, die sich später so verschiedenen Zweigen ihres Berufes widmen wollen und sollen, in einem Insti-