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Bericht der V. Hauptversammlung (les Ver- I Bandes der Handelsgärtner Deutschlands am 1. und 2. September 1888 zu Cassel., (Fortsetzung.) Zu Punkt 9 der Tagesordnung übergehend, erhalt der Antragsteller Peter-Fettweis-Uerdingen das Wort zu dem Anträge wegen erneuten Vorgehens des Verbandes in der Wildschadenfrage. — Der Referent motivirt seinen Antrag in folgender Weise: Derselbe, legt seinem diesbezüglichen Referat die zwei Hauptfragen zu Grunde: was ist bis jetzt geschehen in der Wildschadenangelegenheit? und was ist zu thun um eine j Aenderung des jetzigen unerträglichen Zustandes herbeizu- : führen etc.? und beginnt wie folgt: „Angeregt durch einen Artikel des Herrn B. v. Uslar, i Handeisgärtner in Hildesheim, Hannover, im Winter 1886 bis 1887: „über Wildschaden und Gärtnerei“, eihielt der ■ Vorstand des Verbandes aus allen Gegenden Deutschlands seitens geschädigter Handelsgärtner und Baumschulbesitzer i die Aufforderung, der Wildschadenfrage näher zu treten und geeignete Mittel zu deren Abhülfe zu ergreifen. In Dolge dessen hielt der Vorstand des Verbandes mittelst Fragebogen eine Umfrage bei sämmtlichen deut schen Handelsgärtnern und Baumschulbesitzern ab, welche : jedoch nur von 118 Interessenten beantwortet wurde. Leider gewährt diese mangelhafte Beantwortung nur ein sehr unvollständiges Bild über den Schaden, den die deutsche Gärtnerei alljährlich, als auch namentlich in dem vorletzten Winter 1886/87, erlitten. Dies war um so be dauerlicher, als die sachgemässe und gewissenhafte Beant wortung dieser- Fragebogen die Unterlage bieten sollte zu einem Vorgehen bei der deutschen Reichsregierung mit der Bitte um Abhilfe. Von den 118 Handelsgärtnern resp. Baumschulbesitzern, welche zusammen rund etwas über 600 Hectare oder circa 2400 preussische Morgen bewirthschafteten, wurde ein Ge- sammtschaden von 115,537 Mk. angemeldet, dies macht auf den Hectar ca. 192 Mk. oder per preuss. Morgen ca. 48 Mk., das ist also mehr, als in manchen Gegenden die Pacht summe oder der Reinertrag der Grundstücke beträgt. Unterm 25. Februar dieses Jahres richtete nun der Vorstand des Verbandes an den Bundesrath in Berlin eine Petition, worin unter Anführung alles einschlägigen Mate riales auf dem Wege der Gesetzgebung um Schutz der Baumschulen gegen Wildschaden gebeten, wurde. Diese Petition wurde unterm 11. Mai d. J. in lakoni scher Kürze, ohne Angabe von Gründen, ablehnend be- schieden. Diese Antwort wurde seiner Zeit in Nr. 9 und 10 des Verbandsorgans veröffentlicht. Meine Herren! Das wäre also das Ende unseres ersten Feldzuges in dieser Angelegenheit. Waren nun die Verluste durch Wildschaden im Winter 1886/87 noch verhältnissmässig gering, so waren diejenigen des Winters 1887/88, veranlasst durch den colossalen Schneefall in ganz Deutschland, wie er wohl seit Menschen gedenken nicht gewesen, so enorm, dass der, insbesondere dem Baumschulenbetriebe zugefügte Wildschaden nicht länger mehr ertragen werden kann. In unserer Gegend z. B. verhält sich ungefähr der Wildschaden von 188687 zu dem von 1887 88 wie 1 zu 6, stellenweise wie 1 zu 10. Es wäre nothwendig, jetzt noch, trotz der vorgeschrittenen Zeit, eine neue Umfrage wegen des Wildschadens im Winter 1887 88 abzuhalten. Wenn alle Gärtner und Baumschul besitzer ihren Schaden gewissenhaft angeben, so glaube ich, wenn ich die Verhältnisse in der Rheinprovinz zu Grunde lege, dass ein Verlust von mehreren Millionen Mark herauskommen wird, welche die deutsche Gärtnerei durch 'Wildschaden erlitten hat. Angesichts solcher Verluste entsteht nun die Frage: Wie können , wir uns nach den bestehenden Gesetzen davor schützen ? Ja, meine Herren, das ist das traurigste Capitel in meinem Vortrage. Ich habe hier die preussischen Jagd gesetze zur Hand, welche mit geringen Abweichungen so ziemlich in ganz Deutschland gelten, und will Ihnen hier einige Paragraphen daraus vortragen, welche über den Wildschaden und Schadenersatz handeln, sowie über das Jagdrecht auf eigenem Grund und Boden. § 2. Zur eigenen Ausübung des Jagdrechtes auf seinem Grund und Boden ist der Besitzer nur befugt a) auf solchen Besitzungen, welche in einem oder mehreren aneinanderliegenden Gemeindebezir ken einen land- öder forstwirthschaftlich benutzten. Flächenraum von wenigstens dreihundert Morgen einnehmen und in ihrem Zu sammenhänge durch kein fremdes Grundstück unterbrochen sind; b) auf allen dauernd und vollständig eingefriedigten Grundstücken. Darüber, was für dauernd und vollständig eingefriedigt zu er achten ist, entscheidet der Landrath. Zu § 2, Nr. 7. Eine Einfriedigung ist nur dann für vollständig zu erachten, wenn sie den Zutritt des Wildes verhindert. § 21. Durch Klappern, aufgestellte Schreckbilder, sowie durch Zäune, kann Jeder das Wild von seinen Besitzungen abhalten, auch wenn er auf diesen zur Ausübung des Jagdrechts nicht befugt ist. Zur Abwehr des Roth-,. Dam- und Schwarzwildes kann er sieh auch kleiner oder gemeiner Haushunde bedienen. § 22. Auf gemeinschaftlichen Jagdbezirken, auf welchen Wild schäden vorkommen, darf die Gemeindebehörde, wenn auch nur ein einzelner Grundbesitzer Widerspruch erhebt, die Ausübung, der Jagd nicht ruhen lassen. § 23. Wenn die in der Nähe von Forsten belegenen Grund stücke, welche Theile eines gemeinschaftlichen Jagdbezirkes bilden, oder solche Waldenclaven, auf welchen die Jagdausübung dem Eigenthümer des sie umschliessenden Waldes überlassen ist (§ 7) erheblichen Wildschaden durch das aus dem Forst übertretende Wild ausgesetzt sind, so ist der Landrath befugt, auf Antrag der beschädigten Grundbesitzer, nach vorhergegangener Prüfung des Bedürfnisses und für die Dauer desselben, den Jagdpächter' selbst während der Schonzeit zum Abschuss des Wildes aufzufordern. Schützt der Jagdpächter dieser Aufforderung ungeachtet die beschä digten Grundstücke nicht genügend, so kann der Landrath den Grundbesitzern selbst die Genehmigung ertheilen, dass auf diese Grundstücke übertretende Wild auf jede erlaubte Weise zu fangen, namentlich auch mit Anwendung des Schiessgewehrs zu tödten. Das Nämliche gilt rücksichtlich der Besitzer solcher Grundstücke, auf welchen sich die Kaninchen bis zu einer der Feld- und Garten- cultur schädlichen Menge vermehren in Betreff dieser Thiergattung. Wird gegen die Verfügung des Landraths bei der vorgesetzten Ver waltungsbehörde der Rekurs eingelegt, so bleibt erstere bis zur ein gehenden höheren Entscheidung interimistisch gültig. Das yon den Grundbesitzern in Folge einer solchen Genehmi gung des Landrathes erlegte oder gefangene Wild muss aber gegen Bezahlung des in der Gegend üblichen Schussgeldes dem Jagd pächter überlassen und die desfallsige Anzeige binnen 24 Stunden erstattet werden. § 25. Ein gesetzlicher Anspruch auf Ersatz des durch Wild verursachten Schadens findet nicht statt. Zu § 25, Nr. 1. Den Jagd Verpächtern bleibt dagegen unbe nommen hinsichtlich des Wildschadens in den Jagdpacht-Contracten vorsorgliche Bestimmung zu treffen. Zu§ 25.Nr.2. Werden in einem Jagdpacht-Contracte wegen Vergü tung des entstandenen Wildschadens Festsetzungen getroffen, so ist dadurch die Anwendung der §§ 23 und 24 nicht ausgeschlossen, denn jene sorgen nur für einen Ersatz des entstandenen Schadens, diese aber bezwecken die Verhütung eines künftigen. Das wäre das Wesentlichste, was uns bei der vorlie genden Frage interessirt. Die Lage des deutschen Gärtners und Baumschul besitzers ist also folgende: Wenn ihm die Hasen, wilden Kaninchen oder Reh- und Dammwild in seine Gärten ein dringen , so darf er sie wegjagen, auch darf er sich dazu kleiner Hunde bedienen, darf sie durch Klappern und Scheuchen vertreiben, er darf jedoch den Thieren nichts zu Leide thun. Ist der Schaden, den die Thiere nun anrichten derart, dass dem Baumschulbesitzer die Geduld ausgeht oder, wie der kautschukartige Ausdruck heisst, „erheblich“, so geht er zum Landrath und klagt demselben sein Leid. Ist die Sache nun sehr schlimm und der Schaden ist dem Land rath glaubhaft nachgewiesen, so wird der Jagdpächter resp. Jagdinhaber aufgefordert, das Wild stärker, sogar während der Schonzeit, abzuschiessen. Der Gärtner und Baumschul besitzer muss sich indessen dann gefallen lassen, dass der