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Gartenbau-Ausstellung zu Cassel vom 31. August bis 6. September 1888 veranstaltet von dem Verein zur Beförderung des Garten-, Obst- und Weinbaues im Regierungsbezirk Cassel. Diese Ausstellung fand unter dem Protektorat des König!. Oberpräsidenten der Provinz Hessen-Nassau, Staatsministers Herrn Grafen Eulenburg, Excellenz, welcher die Eröffnung mit seiner Anwesenheit beehrte, gelegentlich der V. Haupt versammlung des Verbandes der Handelsgärtner Deutsch lands statt. Der, diese Ausstellung unternommen habende Verein gehört nicht nur zu den ältesten und seiner Personenzahl nach mit zu den stärksten Gartenbau-Vereinen Deutschlands, sondern hat auch durch die in allen einzelnen Theilen wohlgelungene Ausstellung bewiesen, dass er die Ziele, welche er sich selbst .gesteckt hat mit Ernst und voller Hingabe verfolgt. Obgleich dieser Verein in seiner Mehrzahl aus Privatper sonen besteht, so ist er doch weit erhaben über blosse Dille- 1 tantenspielereien, welche in .so vielen anderen derartigen ! Vereinen das Hauptgepräge oft bilden. Wie bei allen Körper- , schäften die Geschicke derselben und die ausübende Thätig- keit von einer umsichtigen und verständnissvollen Leitung mit abhängt, so sind die Verhältnisse des Casseler Vereins zweifellos . mit auf diejenigen Personen ' zurückzuführen, welche das Vertrauen der Mitglieder an die Spitze der Vereinigung gestellt hat. — Jedem, welcher der Casseler Gartenbau-Ausstellung mit ihren festlichen, sowie der ernsten Arbeit gewidmeten Veranstaltungen beigewohnt und Rede und Gegenrede bei diesen Veranlassungen gehört hat, wird sich der Gedanke aufgeprägt haben, dass der Vorsitzende des Casseler Vereins, Herr Dr. Möhl, die Bedeutung des Gartenbaues und dessen wichtige Stellung im Staate so wohl, als auch den - Werth der Berufsverbindungen klar und verständnissvoll durchschaut und im vollen Um fange zu würdigen weiss. Das Vorhandensein derartiger Männer im Kreise der Gartenbauvereine wird stets einen günstigen Einfluss auf die gesammte Wirksamkeit der, mit bestimmten Zielen versehenen Vereinigungen ausüben und mit dazu beitragen, dass sich der Gartenbau endlich zu der Achtung und Anerkennung herausarbeitet, welche ihm bis her noch vielfach versagt worden ist. In gleich ernster Weise hatten die Gärtner Cassels ihre sich selbst gestellte Aufgabe erfasst'und es-war eine Freude eine so allgemeine und einmüthige Betheiligung bei dieser Ausstellung -von Seiten der dortigen Collegen wahrzunehmen. Der Verlauf dieser Ausstellung und die vorgeführten Leistungen sowie die Gesammtwirkung haben zweifellos dazu beigetragen, die Achtung vor Cassels Garten bau nach Innen und Aussen zu wahren und wird diese Ausstellung, gerade durch ihren vorwiegend lokalen Cha rakter, einen Denkstein in der Geschichte des gesammten deutschen Gartenbaues für alle Zeit bilden. Die Eröffnung fand Sonnabend den 1. September Vormittags 11 Uhr im Weinbergsparke statt. Hierzu hatten sich, äusser' den Vorstandsmitgliedern des Vereins, die Spitzen der staatlichen, communalständischen und städtischen Behörden eingefunden und empfingen um 11 Uhr den Protektor der Ausstellung. Hierauf hielt der Vorsitzende des Gartenbauvereins und des Comites, Herr Dr. Möhl, eine Ansprache an die zur Eröffnungsfeierlichkeit Versam melten, welcher wir Folgendes entnehmen: Die ersten Worte, welche ich im Namen unseres Vereins an die Theilnehmer bei der Eröffnung richte, sind: Ihnen den Dank desselben auszusprechen und damit der Freude Ausdruck zu geben, dass Sie dem Vereine die hohe Ehre erwiesen haben, auf unsere ehrerbietigste und ergebenste Ein ¬ ladung hier zu erscheinen, um der Eröffnungsfeier der dies jährigen Ausstellung durch Ihre Anwesenheit die höhere Weihe zu verleihen. Weder Diamanten noch Edelsteine, weder Gold noch Silber haben unser Culturleben zur jetzigen Höhe gebracht, haben uns die Annehmlichkeiten des Lebens verschafft, wie wir sie geniessen, haben den Menschen zum wirklichen — homo sapiens — gemacht, sondern die Bearbeitung des Bo dens hat das Alles bewirkt. Nachdem die Landwirthschaft im Allgemeinen die erste Bedürfnissfrage nach Nahrung und Kleidung gelöst, wurden auch sofort höhere Ansprüche au das Leben gemacht, denen der Gartenbau Rechnung trägt und die die Gartenbauvereine streben, in immer vollkommnerem Maasse zu realisiren. Die Bestrebungen in Hebung des Obst-, Gemüse- und Weinbaues haben nicht nur eine hohe volkswirthsehaftliche und sanitäre Bedeutung, sie huldigen auch dem feineren Ge- schmacke; die künstlerischen Schöpfungen in Landschafts- und Blumengärtnerei vereint mit der Binderei verschönern und versüssen das Leben, veredeln das Gefühl, sind ein ästhetisch, sittlich und moralisch wirkendens, wahre Humanität fördern des Bildungsmittel. Wenn schon der roheste Wilde gewisse Gefühle sym bolisch durch Pflanzenerzeugnisse anzudeuten sucht, wie viel mehr spielen die Erzeugnisse der Gartenkunst bei dem Cul- turmenschen, und zwar in fort und fort gesteigertem Maasse eine hervorragende Rolle von der Geburt bis über das stille Grab hinaus. In Freud und Leid sind Blumen und Pflan zen Symbole tiefempfundenen Mitgefühls; der Lorbeer des Staatsmannes, Gelehrten, Dichters, 'Künstlers, wie des ruhm vollen Siegers ist das Symbol der höchsten Ehre, der Myrten kranz der Braut, das Zeichen reinster Tugend, die weisse Lilie, die holde Rose, die duftende Nelke, das bescheidene Veilchen, der stolze Palm wedel und so vieles Andere hat stillschweigend seine symbolische Bedeutung. Wenn so die Erzeugnisse der Pflanzenwelt, besonders die der Gartenkunst, eine hervoragende Rolle im menschlichen Leben spielen, so kann nicht in Frage kommen, dass die Gartenbauvereine eine hochwichtige Aufgabe haben und ein hehres Ziel verfolgen. Dies kann aber nur dann sein, wenn im Verein vor Allem der Gemeinsinn und gegenseitige Duldung gepflegt wird, wenn in Frieden neben einander ge wirkt und immer bedacht wird, dass der Verein den Platz einnimmt, eine gewerbliche Kunst zu reprä- sentiren, von der zu wünschen ist, dass ihre Erfolge im Verein selbst zum Ausdruck gebracht werden und dass sie Hand in Hand gehen mit der Redlich keit und.Tüchtigkeit in den Geschäften des gross artigen Verkehrs, der von hier aus zum Wohlsein und zur Annehmlichkeit des menschlichen Lebens die’ wichtigsten Beiträge liefert. Dieses Ziel hat den Gründern unseres Vereins, von denen zu unserer grossen Freude noch drei am Leben sind, vorgeschwebt und der nun im 33. Jahre bestehende Verein hat es stets mit aller Energie und allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln zu verfolgen gesucht. Zunächst sucht der Verein durch Vorträge, Demonstra tionen, Belehrungen und gegenseitigen Gedankenaustausch seine Mitglieder für die Vereinsbestrebungen zu interessiren und in den Sitzungen den Mittelpunkt zu erblicken, von wo aus die Anregung in immer weitere Kreise verbreitet wird. Sodann sucht er durch Ausstellung und Verloosung von Pflanzen, eigene Culturen auf seinem Versuchsfelde Neues und Besseres einzuführen und zu verbreiten, endlich will er durch grössere öffentliche Ausstellungen Zeugniss ablegen von den Fortschritten, welche inzwischen gemacht sind, und ist dabei stets von dem Gesichtspunkte ausgegangen, dass Aus stellungen in beschränktem Umfange der localen Entwickelung des Gartenbaues sich nützlicher er-