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-> 98 -€- schiek fehlen lassen, und dass wir sogar oft lieblos und gleichgültig dem einzelnen Arbeiter gegenüber verfahren! I Wie oft lassen wir uns im Eifer der Geschäfte hinreissen zu einer Härte, die manchmal kaum wieder gut zu machen > ist! Und wir bedenken nicht, dass die Härte, die wir dem ■ einzelnen Arbeiter widerfahren lassen, und auch die Gleich- | gültigkeit, mit der wir ihn behandeln, dass diese Behänd- [ hing weiter wirkt in weite Kreise. Nicht der einzelne j Arbeiter ist es nur, der hierunter leidet, sondern es schlägt sofort, wie ein Steinchen, das ins Wasser fällt, Wellen in weite Kreise. Aber wenn dies der Fall ist, dann dürfen wir uns wenigstens auch des Trostes erfreuen, dass, wenn j wir jedem Einzelnen, mit dem wir zu thun haben, die nöthige Freundlichkeit, Geduld und Rücksicht widerfahren lassen, dass wir auch damit iniweite Kreise hinaus Gutes wirken, und dass man nicht besser den Glauben an die Besserung unserer Verhältnisse in den Menschen aufrichten kann, als dass man sich für ihre kleinere oder grössere Noth auch nur wenigstens mit dem Herzen willfährig zeigt. Ich glaube gewiss, und ich empfinde das auch an mir. dass wir bei der Anstellung und bei der Entlassung unserer Arbeiter nicht genug in unserem Herzen die Frage und den Umstand erwägen, dass jeder solche Schritt eine Existenzfrage für den Einzelnen ist. Wir sollen nicht bloss vorsichtig sein in der Behandlung dieses Theils unserer Aufgabe und un- | seres Verkehrs, wir sollen es nicht nur nicht leicht neh men, wie wir hier handeln; sondern wir sollen es uns auch nicht verdriessen lassen, soweit es überhaupt möglich ' ist, dem Arbeiter die nöthige Belehrung und Vorstellung । zu Theil werden zu lassen, was jeder Wechsel der Arbeit auch für ihn an Wichtigkeit bedeutet, und was es für ihn und seine Familie dabei auf sich hat. Und wenn ein Ar- i heiter sich ungeschickt, roh und grob gegen uns benimmt, so verschlägt es unserer Ehre immer noch nichts, wenn i wir geduldiger sind und es an der nöthigen Vorstellung i nicht fehlen lassen. Wir können häufig erfahren, dass es ! uns die Arbeiter später danken, wenn wir auf ihren Leicht sinn. auf ihre Heftigkeit und alle solche Eigenschaften, die uns nicht angenehm sind, und denen wir im Verkehr mit ihnen begegnen, nicht so leicht eingegangen sind, und haben es uns nicht verdriessen lassen, sie an die Folgen ihres Leichtsinns lebhaft zu erinnern. Wir denken zu sehr daran, dass mit dem Lohne, mit dem wir den Arbeiter bezahlen, dem gegenseitigen Ver- hältniss zwischen uns und seinen Leistungen Genüge ge- than sei. Dem ist nicht so. Wir verlangen von dem Ar beiter in seinem Berufe und in seiner Arbeit für uns, dass er sparsam mit dem Material verfahre, dass er geschickt, eifrig und fleissig sei. Als eine Gegenleistung dafür sehen ' wir den Lohn mit an. Wir verlangen aber auch von un sern Arbeitern — und es wird überall gerühmt, wenn es so ist — dass sie eine anhängliche und treue Gesinnung j an unser Geschäft, an unser Ergehen, an unsere Familie, an unsere ganze Thätigkeit mit beweisen sollen. Dafür können wir sie mit dem Lohne nicht abfinden. Dafür sind wir ihnen etwas mehr schuldig. Wir sind ihnen dafür auch eine Freundlichkeit der Gesinnung schuldig und ein wohlwollendes Eingehen auf ihre kleine und grosse Noth und auch auf ihre Eigenheiten nnd Schwächen. Wir wissen alle, dass auch auf dem Arbeitsmarkte der Preis bestimmt wird durch das Angebot und die Nach frage. Es ist aber ein grosser Fehler, und er schadet unserm Verhältniss zu den Arbeitern und der ganzen Be wegung in der Arbeiterwelt ungeheuer, wenn wir der Mei nung sind, dass wir den Arbeiter zu schätzen hätten nach Massgabe des Standes auf dem Arbeitsmarkte. Deshalb, weil die Arbeiter weniger leicht zu bekommen sind, und weil sie theuer bezahlt werden müssen, sollen wir sie nicht hoch und höher schätzen; und wir sollen sie vor Allem deshalb nicht geringer schätzen, weil sie zahlreich zu be kommen sind, und weil der Lohn ein niedriger ist, und weil jeden Augenblick an die Stelle eines, der fortgeht, wieder ein anderer tritt. Unsere Arbeiter sind in einem gewissen Sinne Ge nossen unserer Arbeit. Sie sehen mit in unseren Ge- schäftsbetrieb soweit herein, und sie lernen uns auch so weit kennen, dass sie wohl ein Urtheil darüber bekommen, ob wir in unserem geschäftlichen Verkehr überall der Wahr heit und Redlichkeit die rechte Ehre erweisen. Ich kann und will mich nicht zum Richter hier aufstellen, aber das Eine ist sicher, dass unserem geschäftlichen Verkehr viel mehr Unwahrheit und Täuschung anhängt, als wir je ver- antworten können, und dass diese Unwahrheit und Täu schung auch einen erheblichen Rückschlag auf die Werth- Schätzung hat, welche die Arbeiter uns, ihren Arbeitgebern, widmen. Diese Verhältnisse, diese Versehen, diese Unterlassungs sünden greifen viel tiefer ein in alle einzelnen Verhältnisse, welche massgebend sind für die Beurtheilung und Lösung der sozialen Frage. Es wäre ein ungeheurer Irrthum, wenn man nur reden wollte von den Industriebetrieben oder den Betriebs- und Berufszweigen, in welchen grosse Mengen von Arbeitern, Massen von Arbeitern beschäftigt werden. Diese Verhältnisse greifen ein in das einzelne Haus, sie greifen ein vor Allem in das Leben des Handwerkers, in die Familien. Unser Dienstbotenwesen ist nicht bloss durch die Schuld der Genusssucht der Dienstboten etwa so verfahren, sondern auch durch die Schuld der Herrschaft, und unsere Gehilfen und Lehrlinge sind nicht durch ihre eigene Schuld oft so rebellisch und ungezogen, und die Klagen der Handwerker haben nicht nur ihre Berechtigung in der Art und Weise, wie die Lehrlinge und Gehilfen sich zu ihrer Arbeit mit stellen; sondern sie sind nicht zum geringsten Theile begründet durch die Art und Weise, wie der Lehrherr, wie der Meister sich selbst mit zu seinen Gehilfen und Lehrlingen stellt. Die soziale Frage, das können wir uns nicht genug vergegenwärtigen, sie will im Einzelnen bearbeitet und abgemacht sein, und wer nicht denkt, dass er an seiner Stelle auch einen besonderen Be ruf habe, und dass er auch befähigt sei, etwas zu leisten, der ist dem Soldaten gleich, welcher, wenn es in die Schlacht geht, am Wege liegen bleibt und denkt, ohne ihn gehe es auch. Und dann müssen wir uns auch bekennen, dass wir vielfach vielmehr um unser selbst und um des Gewinnes willen unsere Arbeit treiben, und dass wir zu wenig daran denken, dass wir mit Dem, was wir arbeiten, wie wir arbeiten und was wir dabei erwerben. Haushalter sind für Die, welche mit uns arbeiten, für die wir mit unserem Berufe und unserer Thätigkeit verpflichtet sind. Deshalb dürfen wir uns der Erfolge unserer Thätigkeit gleichwohl erfreuen; aber den Gedanken müssen wir in Alles mit hin eintragen — ich wiederhole es — dass wir Haushalter sind der mancherlei Gaben, die uns von Gott gegeben sind, Sie würden mir entgegenhalten. was alles geschieht auf sozialem Gebiete in jeder Weise; und ich würde eine lange Zeit gebrauchen, wenn ich alles Das aufführen wollte, die Vereinsthätigkeit und die Einzelthätigkeit, welche in der ernstesten und wirklich verdienstlichsten Weise bemüht ist, den sozialen Nothständen abzuhelfen. Sie werden mir auch entgegenhalten, wie grossartig das Interesse für die Arbeiter von vielen Arbeitgebern durch grosse Stiftungen bethätigt wird. Gewiss, das dürfen wir nie vergessen, und wir dürfen uns blos noch die Mahnung .mitnehmen, dass wir uns bei allen diesen Bestrebungen auch mit Interesse und werkthätig betheiligen. Aber es ist leichter — daran möchte ich auch noch erinnern — von einem grossen Ver mögen eine Summe hinzugeben, als Tag für Tag in der Arbeit zu stehen, zu der wir als Menschen und nach dem Gesetz der Nächstenliebe verpflichtet sind.