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No. 44. Berlin, den 1. November 1900. XV. Jahrgang. Eigenthum des Verbandes der Handelsgärtner Deutschlands, Organ des Gartenbau-Verbandes für das Königreich Sachsen, herausgegeben unter Mitwirkung der hervorragendsten Fachmänner des In- und Auslandes. Das „Handelsblatt für den deutschen Gartenbau etc.“ erscheint am Donnerstag jeder Woche. Abonnementspreis für Nicht-Verbandsmitglieder in Deutschland u. Oesterreich-Ungarn pr. Jahrgang 8 M. 50 Pf., für das übrige Ausland IO M., für Verbandsmitglieder kostenlos. Verantwortlicher Redakteur: F. Jolis. Beckmann in Steglitz-Berlin. Verlag: Verband der Handelsgärtner Deutschlands, eingetragen auf Seite 179, Band IV, des Genossenschaftsregisters des Königl. Amtsgerichts zu Leipzig Zur Gehilfenbewegung. Vortrag, gehalten in der Verbandsgruppe Berlin von dem Obmann, Otto Neumann, Handelsgärtner in Zehlendorf, am 19. Oktober er. Wir leben in der Zeit der Arbeiterbewegungen, und sind diese Früchte aus der Gründerzeit. Als Anfang der sieben- ziger Jahre der sogenannte wirthschaftliche Aufschwung begann, erschienen die Arbeiterbewegungen auf der Bild fläche, zahlreicher als vorher. Zunächst wurde das Baugewerbe davon betroffen, die in demselben vorhandenen Arbeitskräfte reichten nicht aus, die Folge davon waren Arbeiter- und Lohnbewegungen; anschliessend hieran folgten alle übrigen Gewerbe und Berufszweige, so dass bis heute wohl kaum einer davon verschont geblieben ist. Wenn wir uns heute mit der Bewegung der Gärtner gehilfen beschäftigen, so ist es weniger die Bewegung selbst, als die Ursachen und Wirkungen im gärtnerischen Beruf überhaupt einer Besprechung zu unterwerfen. Seit einigen Jahren macht sich ein Mangel an Gärtner gehilfen bemerkbar, dafür müssen Gründe vorhanden sein. Wenn ich mir nun keineswegs einbilde, durch meinen Vortrag die Gehilfenfrage zu lösen, so gebe ich mich doch der Hoffnung hin, dass durch gegenseitige Aussprache Mängel beseitigt und Vorschläge zur Besserung gemacht werden können. Die Gärtnergehilfenbewegung ist nicht neu, sie stammt auch aus der Gründerzeit, schon im Jahre 1871 tauchten mit einem Male unter den Gärtnern Agitatoren auf, welche die Gehilfen zu Versammlungen einluden; die Einberufer standen unter dem Einfluss von Agitatoren anderer Berufs zweige. Schon in der ersten Versammlung belehrten diese Agitatoren die zahlreich versammelten Gärtnergehilfen, indem sie ihnen sagten: „ja meine Herren! wie Sie sich die Sache denken, so leicht ist es nicht, Sie sind ja nicht organisirt! Wenn Sie sich organisirt haben, dann sind wir gern bereit, Ihnen zu helfen“. Eine fernere Versammlung beschäftigte sich mit der Organisationsfrage, es wurde ein Vorstand gewählt und auch Mitglieder aufgenommen. Die dritte Versammlung zeigte nur noch den gewählten Vorstand und einige Ver sammlungsbesucher auf der Bildfläche, die Sache war damit vorläufig beendet, aber nicht für immer aufgehoben. In verschiedenen grösseren Städten bestanden schon damals Gärtnergehilfenvereine, diese schlossen sich nach und nach mehr unter sich zusammen, auch die Einführung des Krankenkassengesetzes wirkte zum weiteren Zusammen schluss mit, dadurch wurde die grosse gärtnerische Ver einigung über ganz Deutschland ermöglicht, unten deren Schutz die ferneren Agitationen fortgesetzt wurden. Um das Für und Wider der Bewegung gründlich zu behandeln, erscheint es nothwendig, um verständlich zu werden, dass man einen gewissen Zeitabschnitt wählt, um die früheren Verhältnisse mit den jetzigen zu ver gleichen, ein Zeitraum von dreissig Jahren dürfte hierzu ausreichend sein; besonders bemerken möchte ich, dass sich meine Betrachtungen auf Berliner Verhältnisse be ziehen, sollten sie von denen anderer Grossstädte ab weichen, so hoffe ich, dass von dort weitere Kundgebungen erfolgen werden. Unsere Gehilfen. Sehen wir uns nun unsere Gehilfen selbst an, aus welchen gesellschaftlichen Klassen der Bevölkerung stam men sie? Diese Frage kann man wohl kurz damit beantworten: „Die Gärtnergehilfen gehören den verschiedensten Be völkerungsklassen an.“ Hieraus ergiebt sich, dass man sie in verschiedene Klassen eintheilen kann, ich theile sie in fünf Klassen. 1. Der bei weitem grösste Theil unserer Gehilfen kommt vom Lande, es sind Söhne von grösseren und klei neren Grundbesitzern, Handwerkern, Beamten u. s. w.; es ist dies derjenige Theil unserer Gehilfen, mit dem wir am meisten zu rechnen haben. 2. Ein anderer Theil stammt aus den Städten, eben falls aus den unteren und mittleren Klassen. 3. Dann folgt eine Gruppe von sogenannten besser situirten und wohlhabenden Leuten. 4. Ein kleiner Theil setzt sich aus Gärtnersöhnen zusammen.