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No. 37. Berlin, den 13. September 1900. XV. Jahrgang. Eigenthum des Verbandes der Handelsgärtner Deutschlands, Organ des Gartenbau-Verbandes für das Königreich Sachsen, herausgegeben unter 5 Mitwirkung der hervorragendsten Fachmänner des In- und Auslandes. Das „Handelsblatt für den deutschen Gartenbau etc.“ erscheint am Donnerstag jeder Woche. Abonnementspreis für Nicht-Verbandsmitglieder in Deutschland u. Oesterreich-Ungarn pr. Jahrgang 8 M. 50 Pf., für das übrige Ausland 10 M., für Verbandsmitglieder kostenlos. Verantwortlicher Redakteur: F. Johs. Beckmann in Steglitz-Berlin. Verlag: Verband der Handelsgärtmer Deutschlands, eingetragen auf Seite 179, Band IV, des Genossenschaftsregisters des Königl. Amtsgerichts zu Leipzig Die gärtnerischen Verhältnisse nach dem neuen Bürgerlichen Gesetzbuch. Von W. Hartwich, Rechtsanwalt in Berlin. (Fortsetzung.) Rechtsverhältnisse zwischen Gärtnern und ihren Gehilfen. Vor einigen Jahren vertrat ich einen Berliner Handels gärtner vor Gericht, welcher einen als Gehilfen einge stellten Arbeiter ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist entlassen hatte, und von ihm wegen Zahlung des Lohnes für die nächsten 14 Tage seit der Entlassung verklagt war. Der Gärtner erhob mehrere Einwendungen thatsächlicher Art, auf die er sein Recht zur sofortigen Entlassung des Gehilfen stützte. Das Amtgericht ging auf diese Ein reden erst gar nicht ein, sondern wies die Klage ohne Weiteres mit der Begründung ab, dass ein Gärtner kein Gewerbe, sondern Feldbau betreibe, seine Gehilfen als ge wöhnliche Tagearbeiter anzusehen wären, welche gesetzlich jederzeit ohne Kündigungsfrist entlassen werden könnten. (Damals galt noch Preussisches Landrecht.) Der Kläger legte die Berufung ein; das Berufungsgericht war der An sicht, dass ein Handelsgärtner Gewerbetreibender sei, da her die Bestimmungen der Gewerbe-Ordnung Anwendung finden müssten und der Gehilfe einen Anspruch auf Lohnent schädigung für 14 Tage hätte; es wies aber die Berufung zurück, weil der ordentliche Prozessweg gar nicht zulässig wäre, der Kläger sich vielmehr an das Berliner Gewerbe- Gericht hätte wenden müssen. Später erfuhr ich, das der Kläger — was er im Prozesse nicht angeführt hatte, — seinen Anspruch zuerst bei dem Gewerbe-Gericht einge klagt, dass aber dies Gericht ihn abgewiesen hatte, weil es nicht zuständig wäre, der Rechtsstreit vielmehr vor das Amtsgericht gebracht werden müsste. Ob der Gehilfe späterhin nochmals vor dem Amtsgericht seinen Anspruch geltend gemacht hat, oder ob er an den drei einander widersprechenden Entscheidungen genug hatte, ist mir nicht bekannt. Ich führe diesen Fall nur au, um "zu zeigen, wie sehr die Ansichten über das Rechtsverhältniss zwischen Gärtnern und Gehilfen von einander abweichen. Ich will noch vorausschicken, dass sehr wohl die Gärtner in einer Hinsicht z. B. im Verhältniss zu ihren Gehilfen als Feld bau Treibende, in anderer Hinsicht aber als Gewerbe Treibende angesehen werden könnten, z. B. von den Steuergesetzen; so dass sie zur Zahlung der Gewerbesteuer verpflichtet wären. Wer solche verschiedene Beurtheilung und Behandlung als Unbilligkeit empfindet, mag versuchen, durch Einwirkung auf die Gesetzgebung eine Einheitlichkeit in den Rechtsverhältnissen der Gärtner herbeizuführen. Wen der Schuh drückt, der schreit, oder stöhnt; und wenn andere Berufszweige vor Schmerzen recht laut stöhnen, so wird man es den Gärtnern nicht verargen können, wenn sie es ebenso machen. — Für die Frage, ob ein Gärtnergehilfe als Gewerbe gehilfe zu erachten und ob auf das Rechtsverhältniss zwischen ihm und seinem Prinzipal die Bestimmungen der Gewerbeordnung Anwendung finden oder nicht, kommt es darauf an, welche Thätigkeit der Gehilfe hauptsächlich auszuüben hat. Die Bodenbearbeitung sowie jede andere Thätigkeit, welche nothwendig ist und dazu dient, die Erzeugnisse des Bodens: Pflanzen, Sämereien, Blumen zu schaffen, ist keine gewerbliche Thätigkeit; die eigentlichen Gärtner, die solche Thätigkeit hauptsächlich ausüben, sind m. E. daher niemals Gewerbegehülfen, gleichviel, ob sie die Gärt nerei erlernt haben und als Beruf ausüben, oder ob sie nur zeitweise oder auch dauernd als Arbeiter in einer Gärtnerei beschäftigt werden. Werden solche Gehilfen, die haupt sächlich zur Bodenbearbeitung und zur Produktion der Gartenerzeugnisse angenommen sind, auch noch zur Be arbeitung der schon gewonnenen Garten-Erzeugnisse ver wendet, so werden sie dadurch nicht zu Gewerbegehilfen; sie bleiben „Gärtner“, selbst wenn sie, in Diensten eines Handelsgärtners stehend, z. B. auch die Umformung der selbsterzeugten Blumen in Kränze, Bouquets u. s. w. vor zunehmen haben, oder wenn sie die Sämereien zu sortiren