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No. 5. Berlin, den 2. Februar 1896.XI. Jahrgang. Eigenthum des Verbandes der Handelsgärtner Deutschlands, Organ des Gartenbau-Verbandes für das Königreich Sachsen, herausgegeben unter Mitwirkung der hervorragendsten Fachmänner des In- und Auslandes. Das „Handelsblatt für den deutschen Gartenbau etc.“ erscheint am Sonntag jeder Woche. Abonnementspreis für Nicht-Verbandsmitglieder in Deutschland u.Oesterreich-Ungarn pr. Jahrgang SM. 50 Pf., für das übrige Ausland IO M., für Verbandsmitglieder kostenlos. ... Verantwortlich: C. Junge, Steglitz-Berlin. Geschäftsführer des Verbandes der Handelsgärtner Deutschlands. Redaktion: F. Johs. Beckmann, Steglitz-Berlin. M's Verlag: Verband der Handelspartner Deutsehlands, eingetragen auf Seite 179, Band VI, des Genossenschaftsregisters des König!. Amtsgerichts zu Leipzig 8 ~ Wir bitten unsere Mitglieder um möglichst schnelle Mittheilung jeder für unsere Zeitung wichtigen Notiz über Tageser eignisse, Personalien, Vereinswesen etc. Die für dieVeröffentlichungim Handelsblatte geeigneten Artikel werden honorirt. Sonntagsruhe. In No. 41 des Handelsblattes vor. Jahrganges führten wir einen Fall an, in welchem ein Verbandsmitglied. Herr H. Müll er-Lichtenberg-Berlin, vom Amtsgerichte in Berlin ein Strafmandat über 20 M. Strafe (und 1,20 M. Kosten) erhalten hatte, weil er an einem Sonntag Vormittag kurz nach 10 Uhr einen Theil seiner Leute mit Spritzen, Lüften und Schattenlegen beschäftigt hatte. Für die nach dieser Zeit eingetretenen Mitglieder wiederholen wir hier das nähere damals darüber mitgetheilte: Herr Müller schrieb uns dazu, dass Sonntags früh von seinen Leuten die nothwendigsten Arbeiten, wie sie in einer Topfpflanzen gärtnerei in den heissen Sommermonaten unvermeidlich sind, ausgeführt werden. Alsdann hat die Hälfte ganz frei, die andere Hälfte hat Dienst, das heisst, sie hat nur die im Laufe des Tages nothwendig auszuführenden Arbeiten zu verrichten. Zu dem Zwecke müssen sie zwar in der Gärtnerei, wo sie, nebenbei bemerkt, wohnen, anwesend sein, haben aber je nach der Witterung von 9, 10 oder 10 2 Uhr an bis 4 Uhr Nachmittags fast nichts zu thun. Dann müssen sie mit Giessen nachsehen und Luft und Schatten abnehmen. Er bat uns nun um unseren Eath, ob er mit Erfolg Widerspruch gegen den Strafbefehl erheben könnte. In dem Strafbefehl stützte sich das Königliche Amts gericht auf den § 105b Abs. 1 der Gewerbeordnung und auf die auf Grund dieses Paragraphen erlassene Orts polizeiverordnung, nach welcher von 10 Uhr ab sämmtliche Arbeiten im Gewerbebetriebe zu ruhen haben. Nach der Ausführungsanweisung betreffend die Sonn tagsruhe im Gewerbebetriebe findet indessen das Verbot der Sonntagsarbeit, wie es in dem § 105 b Abs. 1 der Gewerbeordnung ausgesprochen ist, auf die Arbeiten in der Gärtnerei keine Anwendung. In Folge dessen kann auch die dem Strafbefehl zu Grunde gelegte Ortspolizei verordnung auf die Arbeiten in der Gärtnerei keine An wendung finden. Wir haben die diesbezüglichen Be stimmungen in Nr. 11 d. Jahrganges veröffentlicht. Wir empfählen Herrn M. deshalb, gegen das Straf mandat Einspruch zu erheben und diesen Einspruch damit zu begründen, dass die betreffende Strafbestimmung der Gewerbeordnung für den Gartenbau keine Anwendung habe. Diesem Bathe ist Herr M. gefolgt. Bei dem ersten Termine beantragte in Folge dessen der Amtsanwalt selbst die Freisprechung, indem er die angeführten Gründe als richtig anerkannte. Der Richter behielt sich jedoch eine genauere Prüfung der Frage vor. Es wurde darauf ein neuer Termin auf den 4. Januar dieses Jahres anberaumt, in welchem Herr M. denn auch freigesprochen wurde. Das Urtheil lautete: In der Strafsache gegen den Gärtnereibesitzer M. etc. hat das Königliche Schöffen gericht .... für Becht erkannt: „Der Angeklagte ist des Vergehens gegen §§ 105b 146 a der Reichsgewerbeordnung vom 1. Juli 1883 bezw. des Gesetzes betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung vom 1. Juni 1891 nicht schuldig und deshalb freizusprechen. Die Kosten des Verfahrens fallen der Staats kasse zur Last. Der Antrag des Angeklagten auf Erstattumg der nothwendigen Kosten der Vertheidigung seitens der Staatskasse wird zurückgewiesen. Von Bechts Wegen. Gründe: Der Angeklagte musste von der ihm zur Last gelegten Anschuldigung, zu Lichtenberg am 23. Juni 1895 an einem Sonntage nach 10 Uhr Vormittags, zu welcher Zeit nach den polizeilichen Bestimmungen im Handelsgewerbe Gehülfen, Lehr linge und Arbeiter nicht beschäftigt werden dürfen, solche beschäftigt zu haben, freigesprochen werden, da die diesbezüglichen Strafbestimmungen der Gewerbeordnung für den Gartenbau keine Anwendung finden. Die Kosten waren der Staatskasse zur Last zu legen, nicht dagegen auch die Kosten der Vertheidigung, da die An-