Volltext Seite (XML)
No. 25. Berlin, den 21. Juni 1896. XI. Jahrgang. Eigenthum des Verbandes der Handelsgärtner Deutschlands, Organ des Gartenbau-Verbandes für das Königreich Sachsen, herausgegeben unter Mitwirkung der hervorragendsten Fachmänner des In- und Auslandes. Das „Handelsblatt für den deutschen Gartenbau etc.“ erscheint am Sonntag jeder Woche. Abonnementspreis für Nicht-Verbandsmitglieder in Deutschland u. Oesterreich-Ungarn pr. Jahrgangs M.öOPf., für das übrige Ausland IO M., für Verbandsmitglieder kostenlos. Verantwortlich: C. Junge, Steglitz-Berlin, Geschäftsführer des Verbandes der Handelsgärtner Deutschlands. Redaktion: F. Johs. Beckmann, Steglitz-Berlin. Verlag: Verband der Handelsgärtner Deutschlands, eingetragen auf Seite 179, Band VI, des Genossenschaftsregisters des Königl. Amtsgerichts zu Leipzig. Wir bitten unsere Mitglieder um möglichst schnelle MittheHung jeder für unsere Zeitung wichtigen Notiz über Tagesereignisse, Personalien, Ifereinswesen etc. Die für die Veröffentlichung im Nandelsblatte geeigneten Artikel werden honorirt. Zur Gewerbeordnungsnovelle. Die am 12. Juni stattgefundenen Berathungen im Reichstag haben den Verlauf genommen, der nach den Vorgängen der letzten Wochen als wahrscheinlich voraus zusehen war. Von dem Verbote des Hausirhandels sind auf den Antrag Siegle und Genossen Blumen- und Ge müsesämereien sowie Blumenzwiebeln ausgenommen worden. Nachdem von Seiten des württembergischen Regierungs- Vertreters erklärt worden war, dass er von Anfang an versucht habe, die ursprüngliche Bestimmung des Artikels 11 der Novelle aus dieser zu entfernen, und nachdem der preussische Staatssekretär des Innern die voraussichtliche Zustimmung der preussischen Regierung zum Antrag Siegle in Aussicht gestellt hatte, war das Schicksal dieses Theils der Vorlage entschieden. Ob das von den Freunden des Hausirhandels mit Sämereien in den letzten Wochen gesammelte Material allein diesen Umschwung herbeigeführt hat, das gestatten wir uns zu bezweifeln. Wir erblicken in dem endgültigen, durch die preussische Regierung beeinflussten Beschluss einestheils eine der württembergischen Regierung erwiesene kleine Gefälligkeit, andererseits aber auch ein Zugeständniss an alle Die jenigen, denen die ganze Gewerbenovelle ein Dorn im Auge war und die in ihr Nichts als eine ungerechte Be schränkung der Gewerbefreiheit erblickten. Ein Zu geständniss wenigstens wurde verlangt und musste ge geben werden, einen Sieg wollte man dort wenigstens zu verzeichnen haben. Wir glauben recht unterrichtet zu sein, wenn wir annehmen, dass es eine grössere Zahl von Gärtnern giebt, denen es nicht so nahe geht, dass gerade die Sämereien nicht unter das Verbot des Hausir handels fallen und die als von grösserem Werth für die Gärtnerei die stehen gebliebenen Artikel betrachten. Es ist dies ohne Weiteres auch von der im Dezember’ vor. Jahres gegründeten Vereinigung der Samenhändler Deutschlands anzunehmen. Mit einer fast komischen Aengstlichkeit hat das Organ der Vereinigung, der „Saatenmarkt“, es vermieden, zu der Vorlage überhaupt Stellung zu nehmen, ja, dieselbe überhaupt nur zu er wähnen. In einer April-Nummer wird mit 12 Zeilen auf den Hausirhandel mit Sämereien eingegangen und zwar mit dem durchblickenden Gefühl der Genugthuung, dass die lebhaften Beschwerden gegen das Verbot des Hausir handels nicht ohne Erfolg gewesen sind. Das ist alles, lässt aber den Schluss zu, dass die gärtnerischen Samenhändler nicht gegen den Hausirhandel mit Sämereien sind. Die stenographischen Aufzeichnungen der Verhand lungen in der entscheidenden Sitzung sind nach mancher Richtung hin interessant, wir glauben, dass der nach folgende Abdruck auch für unsere Mitglieder von Interesse sein wird. Abgeordneter Siegle: Meine Herren, mit den Herren Kollegen Payer und Freiherr von Wangenheim als den Vertretern der Hausirgemeinden von Gönningen und von Bardowieck habe ich mir erlaubt, Ihnen den Antrag auf Nr. 296 der Drucksachen einzubringen, der den Zweck hat, diesen bedrohten Gemeinden ihre Existenz zu erhalten, indem ihnen der Verkauf von Gemüse und Blumensamen und auch Blumenzwiebeln ermöglicht wird. Die Vertreter der Gemeinden haben erklärt, mit diesem Antrag äussersten Falls aus kommen zu können, und wir haben uns deshalb darauf beschränkt, um es allen Mitgliedern des hohen Hauses zu ermöglichen, uns ihre Stimme zu geben. Die Petitionen — besser gesagt die Nothschreie —■ sind gleichlautend aus dem Norden wie aus dem Süden. Im Norden ist es Bardowieck, bei Lüneburg in Hannover gelegen, mit 1900 Ein wohnern, und im Süden ist es der Alport Gönningen in Württem berg mit 2200 Einwohnern, welche beinahe ausschliesslich vom Hausirhandel mit Sämereien leben. Es existirt dieser Hausirhandel nicht bloss seit Generationen, sondern theilweise seit Jahrhunderten, und mit Recht weisen die Hausirer darauf hin, dass gerade das Alter eine Gewähr für die Reellität ihres Betriebes biete. Die