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Sigenthum des Verbandes der Handelsgärtner Deutschlands, Organ des Gartenbau-Verbandes für das Königreich Sachsen, herausgegeben unter Mitwirkung der hervorragendsten Fachmänner des In- und Auslandes. Das „Handelsblatt für den deutschen Gartenbau etc.“ erscheint am Donnerstag jeder Woche. Abonnementspreis für Nicht-Verbandsmitglieder in Deutschland u. Oesterreich-Ungarn pr. Jahrgang 8 M. 60 Pf., für das übrige Ausland IO M., für Verbandsmitglieder kostenlos. Verantwortlich: F. Nevermann, Steglitz-Berlin, Geschäftsführer des Verbandes der Handelsgärtner Deutschlands. Redaktion: F. Johs. Beckmann, Steglltz-Berlln. Verlag: Verband der Handelsgärtner Deutschlands, eingetragen auf Seite 179, Band IV, des Genossenschaftsregisters des Königl. Amtsgerichts zu Leipzig Wir bitten unsere Mitglieder um möglichst schnelle Mittheilung jeder für unsere Zeitung wichtigen Notiz über 7 agesereignisse Personalien, Vereinswesen u. s. w. Die für die Veröffentlichung im Handelsblatte geeigneten Artikel werden honorirt. Termin-, Prämien- und Differenz-Geschäfte im Tulpenhandel. Die Geschäfte des heutigen Tulpenhandels bewegen sich in viel ruhigeren Bahnen als die in der Blüthezeit der „Tulpomanie" in Holland im 17. Jahrhundert. Differenzen hat es in den letzten Jahren wegen mangelhafter Treib fähigkeit und mangelnder Gesundheit der Waare genügend gegeben, aber doch noch keine Differenz- und andere Geschäfte wie zu jener Zeit. Ueber die Ausdehnung der damaligen Tulpenliebhaberei und Tulpenanzucht haben wir dann und wann schon kleinere Mittheilungen gebracht, der wir heute eine solche über die noch wenig bekannte Ausdehnung des vollständig börsenmässigen Handels zu jener Zeit, vor also über dreihundertundfünfzig Jahren, folgen lassen. Interessante Aufzeichnungen darüber finden sich in einem von dem Strassburger Professor und Botaniker Graf zu Solms-Laubach herausgegebenen kleinen Werk „Weizen und Tulpe und deren Geschichte.“ Einen, besonders den Tulpenhandel umfassenden Auszug hieraus veröffentlicht Prof. Lab and in der „Zeitschrift für das gesammte Handelsrecht“ wie folgt: Gewöhnlich werden bei Besprechung des Tulpen schwindels neben gewissen traditionellen Anekdoten die enormen Preise, die für einzelne Blumen oder Zwiebeln gezahlt wurden, als besonders merkwürdig erwähnt, und zur Erhöhung des Eindrucks noch in phantastischer Weise weit über die geschichtliche Wahrheit hinaus vergrössert. Ein juristisches Interesse haben diese Preise aber ebenso wenig wie die hohen Liebhaberpreise, die heute für die Bilder eines in Mode gekommenen Malers, für alte Porzellanteller oder für seltene Briefmarken gezahlt werden. So lange der Kauf schöner Tulpen ein Spezieskauf blieb, war er zum eigentlichen Differenzgeschäft nicht geeignet. Allerdings konnte auch der Spezieskauf in Spekulations absicht abgeschlossen werden, und für den Käufer, so lange der Preis gewisser besonders geschätzter Spielarten fortdauernd erheblich stieg, zu grossen Differenz-Gewinnen führen. Zum Börsenspiel, bei dem die Lieferung einer individuell bestimmten Waare gar nicht beabsichtigt war, eignete sich aber nur der Genuskauf, die „Pfundwaare“, und verwunderlich ist nur, dass man Tulpen, deren Werth von der Farbe und Gestalt jedes einzelnen Individuums bedingt wird, zu Spekulationszwecken behandelte. Es hatte dies auch allerlei Betrügereien zur Folge. Zuletzt kam freilich die Waare selbst gar nicht mehr in Betracht, sondern man handelte mit fingirten Objekten, mit blossen Schlussscheinen („Briefchen“). Der Differenzhandel führte weiter zum Abschluss von Prämiengeschäften, indem der Käufer sich ausbedang, gegen Bezahlung gewisser Pro zente vom Kaufpreise, gewöhnlich, wie es scheint, 10 Proz. bis zum Erfüllungstage vom Vertrage zurücktreten zu dürfen. Für den Abschluss der Geschäfte waren Zusammen künfte der Blumisten und der Kauflustigen erforderlich; es entstanden daher organisirte Tulpenbörsen (Komparitien), die in Wirthshäusern abgehalten wurden. Da jedes Geschäft durch ein nicht unerhebliches Weinkaufsgeld bekräftigt wurde, so waren diese Versammlungen zu gleich Zechgelage, die eine grosse Anziehungskraft aus übten und immer weitere Kreise der Bevölkerung zur Theilnahme am Tulpenhandel anlockten. Es bildeten sich bestimmte Usanzen für den Geschäftsabschluss sowie für die Erfüllung durch Lieferung und Differenzzahlung aus. Sehr merkwürdig sind die börsenmässigen Formen, die sich in den Tulpenbörsen für den Abschluss der Käufe entwickelten. Es wurden zwei Arten unterschieden. Die erste Art heisst: „met de schijven ofte borden“, d. h. mit Schiefertäfelchen; sie bestand darin, dass sowohl, wer eine gewisse Waare kaufen wollte, als auch, wer sie