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No. 36. Berlin, den 7. September 1899. XIV. Jahrgang. Eigenthum des Verbandes der Handelsgärtner Deutschlands, Organ des Gartenbau-Verbandes für das Königreich Sachsen, herausgegeben unter Mitwirkung der hervorragendsten Fachmänner des In- und Auslandes. Das „Handelsblatt für den deutschen Gartenbau etc.“ erscheint am Donnerstag jeder Woche. Abonnementspreis für Nicht-Verbandsmitglieder in Deutschland u. Oesterreich-Ungarn pr. Jahrgangs M. 50 Pf., für das übrige Ausland IO M., für Verbandsmitglieder kostenlos. Verantwortlich: F. Nevermann, Steglitz-Berlin, Geschäftsführer des Verbandes der Handelsgärtner Deutschlands. Redaktion: F. Johs. Beckmann, Steglitz-Berlin. Verlag: Verband der Handelsgärtner Deutschlands, eingetragen auf Seite 179, Band IV, des Genossenschaftsregisters des Koni gl. Amtsgerichts zu Leipzig. Wir bitten unsere Mitglieder um möglichst schnelle Mittheilung jeder für unsere Zeitung wichtigen Notiz über 7 agesereignisse Personalien, Vereinswesen u. s. w. Die für die Veröffentlichung im Handelsblatte geeigneten Artikel werden honorirt. Die Steuerfreiheit unserer Blumen. - Von C. Kotte, Gärtnereibesitzer in Südende b. Berlin. Es dürfte wohl zeitgemäss sein, jetzt wo die Regie rung des deutschen Reiches sich mit der Frage an uns Gärtner wendet: „welche Wünsche habt Ihr bei Abschluss der zukünftigen Handelsverträge uns zu unterbreiten“, ein paar Worte, welche zum Nachdenken anregen könnten, zu veröffentlichen. Belehren will ich nicht, denn solche Anmassung wird mir wohl niemand, der mich kennt zu trauen, ich will nur die bestehenden Verhältnisse hier in und um Berlin schildern, um den Kollegen in anderen Orten ein Bild vor Augen zu führen, welches wir hier von Jahr zu Jahr in immer grelleren Farben erscheinen sehen. Die Stadt Berlin ist vom Auslande, wie es scheint, als beliebtester Ablagerungsplatz für Gartenbauerzeugnisse auserwählt worden. Vielerlei Umstände tragen die Schuld daran, doch diese näher zu erörtern, fehlt es mir heute an Zeit. Vornehmlich nun sind es Blumen, welche das Ausland von seinem Ueberfluss nach hier abschiebt, denn anders ist der unsinnige Import nicht zu bezeichnen. Von vielen sogenannten Fachleuten hört man nun oft sagen, dass die deutsche Gärtnerei nur nicht verstände, sich den jeweiligen Verhältnissen anzupassen. Betrachtet man sich nun diese Leute näher, so findet man, dass sie wohl vor so und so viel Jahren die Gärtnerei erlernt haben, dann aber aus irgend einem Grunde diesem Ge schäft den Rücken kehrten. Wenn unsere Landes regierung nun diese Gärtner fragen würde, so bekäme sie ungefähr das Gegentheil von dem zu hören, was die unter den heutigen Verhältnissen produzierenden Gärtner sagen würden. Man muthet uns zu, wir sollen ruhig zusehen, was unsere Herren Kollegen, theils auch Lands leute im Auslande mit uns machen. Sehen wir einmal ganz davon ab, welchen ungeheuren Vortheil die klimatisch günstiger gelegenen Länder vor uns haben, und rechnen wir nur mit den Verhältnissen, welche der Staat und die Gemeinde uns auferlegt. Die Einkommensteuer, nebenbei gesagt, die reellste aller Steuern, drückt uns am wenigsten, denn unser Einkommen ist ein solches, dass es von jedem der die Verhältnisse nicht kennt, weit überschätzt wird. Die Gemeinden jedoch erheben fast alle 100—150°/ von dieser Steuer, als Gemeinde - Einkommensteuer. Eine Steuer jedoch, welche uns bei Berlin am schwersten drückt, ist die Grundwerthsteuer; diese beträgt beispielsweise in dem Orte, in welchem ich mein Geschäft betreibe, pro Morgen 35,00 Mark. Die Ergänzungssteuer, welche der Staat erhebt, beträgt für mich pro Morgen etwa 5,00 Mk. Zusammen also 40,00 Mk. Diese Summe wird erhoben ob das Geschäft geht oder nicht. Der Pächter hier zahlt pro Morgen 15—20 Mk. an Pacht jährlich, als Besitzer jedoch zahlt man das Doppelte an Steuern. Recht interessant ist, wie die Gewerbesteuer erhoben wird. In meinem Steuerveranlagungsbezirk wohnen mehrere Gärtner, welche ein Geschäft wie das meinige ist, be treiben, und doch bin ich der einzige Gärtner, welcher Gewerbesteuer zahlt, 40 Mark jährlich. Reklamation dagegen hat zu nichts geführt. Ein Herr Regierungsrath hat meine Gärtnerei als eine Kunst- und Handelsgärtnerei erkannt, und diese ist gewerbesteuerpflichtig. Ich habe mich noch nie für einen Gartenkünstler ausgegeben und ebensowenig handle ich mit Gartenbauerzeugnissen, denn ich verkaufe nur die eigene Produktion und zwar aus schliesslich an Händler, und dennoch bin ich bei der Steuerbehörde ein Kunst- und Handelsgärtner. Wenn man nun noch an die verschiedenen Ver sicherungen denkt und das Klebe- und Krankenkassen gesetz nicht vergisst, dann ist doch die Frage zeitgemäss: „können wir steuerfreie Blumen produzieren?“ Wer diese Frage mit Ja beantworten kann, nun, der mag doch auch gegen die steuerfreien ausländischen Blumen kämpfen,