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will ich gar nicht reden, das verschwindet von selbst, wie's gekommen, das ist ein kranker Gnom. Sogar die gefüllten Veilchen können wir als „Veilchen“ nicht schön finden, es sind hübsch gefüllte Blumen, sehr praktisch zum Verwenden, aber Veilchen sind es nicht mehr. Zum Veilchen gehört auch das freundliche Gesicht, das bescheidene liebe Wesen, was ihm die herzige sinnige Bedeutung gab. — Das Gefüllt werden überhaupt ist durchaus nicht immer und nicht bei allen Pflanzen der Schönheit angemessen. So niedlich, so allerliebst ein gefülltes Portulakröschen sein wird, unter allen Umständen und für Jeden, ebenso abgeschmackt und unschön ist ein gefülltes Antirrhinum , ein gefüllter Phlox, ein gefüllter Abutilon. Wozu die schöne Glocke mit ihren zarten Adern und dem dazu passenden Klöppel, wollte sagen Büschel Staubfäden, vollpfropfen mit Blätterkraut, was gar nicht erklären kann, warum es dahin gehören soll. Ein ge fülltes Löwenmaul kommt uns vor — eben wie ein gefülltes Löwenmaul. Wenn der Löwe einen unförmigen Klumpen Fleisch im Maule trägt, ist sein Löwenmaul auch nicht mehr schön. Die Phlox haben uns in ihren veredelten Formen so schönes gebracht, Sterne, Augen, Strahlen — das passt ganz herrlich, aber ein Klümpchen Blätter? das passt doch nicht! Wenn eine Fuchsie schön sein soll, so muss sie hängen, es muss eine Glocke, ein Tropfen, kann auch ge füllt sein, denn das sind dann perlende, quellende Tropfen, gleichwie eine gefüllte Aquilegia durchaus schön und lieb lich ist. Aber eine aufrechte Fuchsie, das ist etwas ganz unnatürliches, ganz gegen allen Sinn und Charakter. Ebenso wenig schön ist eine gestreifte Fuchsie, die ist nicht natür lich, sondern hat eine bunte Narrenkappe an. Wohlgemerkt nur die wirklich gestreiften; die geaderten sind recht und passend, denn das quillt und fliesst auch, gleich den Tropfen. Wie schön ist eine gefüllte Clematis, eine gefüllte Malve, aber welchen Sinn hat die gefüllte Lilie? Wozu die edle, reine Form verunstalten durch Füllung mit theilweis ver krüppelten Blättern. Eben solch Unding ist ein gefülltes Campanula, das soll doch eine Glockenblume sein! Kann die Glocke läuten, wenn sie gefüllt ist? Also ist es ein ver- muztes Gebilde, was nur den Botaniker als merkwürdige Wandelform interessiren kann und den Blumenbinder, der darauf los wickelt, wenns nur füllt! So- ist’s auch mit den gefüllten Hyazinthen. Bei diesen haben wir einen recht deutlichen Beweis, wie das allgemeine Urtheil den Stab bricht, und es das Schönste unter allen Umständen heraus findet und vorzieht. Es werden gewiss mindedtens 2/3 ein fache gegen ‘1s gefüllte verkauft, wenn das Verhältniss nicht vielleicht im Ganzen noch schärfer auseinander gehend ist. Darüber könnten die Holländer den Beweis bringen. Ein ge fülltes Pelargonium scarlet ist ganz passend und erträglich, denn der ganze Charakter der Pflanze hat etwas straffes, gedrechseltes, gleichwie auch eine gefüllte Zinnie in der Ord nung ist, aber eine Odier Pelargonie gefüllt zu machen, das ist doch wirklich eine unwürdige Verkrüppelung, eine Miss geburt, die den Tod verdient, wie bei den Spartanern die verkrüppelten Kinder. Glücklicherweise begegnet man diesen Missgebilden nur selten. Das gesunde Schönheitsgefühl ver achtet sie, und deshalb fristen sie ihr unnatürliches Leben nur bei Sammlern, denen bei der Sucht nach viel und immer mehr der gesunde Begriff von Schönheit verloren geht. Ebenso wirds den gefüllten Cyclamen ergeben. Das allge meine Urtheil wird sie bei Seite lassen, denn was sollen diese krüppelhaften Auswüchse bei einer so edel geformten Blume, wie das allgemeine, namentlich in seinen heute so herrlich fortgeschrittenen Culturspielarten, wo zarter Farbenschmelz und kräftig edle Form der Blüthe mit reizend malerischen Blattzeichnungen wetteifert. Hier möchten wir ebenfalls warnen, den gefleckten und gestrichelten Varietäten besondre Beachtung zu schenken. Eine reine, satte Färbung oder eine schön verwaschene Schattirung wird stets schöner und an sprechender sein. Genau dasselbe gilt bei den Lathyrus und bei Ipomaea. Was von gefüllten Bouvardien und gefüllten Verbenen zu halten ist, werden die „glücklichen"(?) Züchter am besten empfinden. Das sind keine Zugartikel, eben weil der im allgemeinen unverdorbene Schönheitsinn sich nicht dafür er wärmen kann, wo doch die Urform viel zierlicher, graziöser und edler ist. Das kauft man sich nur der Merkwürdigkeit wegen, des Spasses halber ohne besonders zu beachten. Wie auch die Zwergform unter Umständen unschön werden kann, dafür führen wir beispielsweise die Zwergageratum an. Nie mand, äusser vielleicht dem Teppichler, der feste Klumpen und Batzen braucht um seinen Flecken genau nach dem vor geschriebenen Mass in die Narrenkappe einzuflicken, wird diese Spielart in Schutz nehmen. Der Markt- und Blumen gärtner wird stets die halbzwergigen vorziehen, die doch noch Charakter haben. Zur Zwergform gehört auch ein fein- gliedriges, zart und niedlich im Einzeltheil gebautes Gebilde, wie Alternanthera, Lobelia, Nertera, Lycopodium, Mentha etc. Wir könnten diese Betrachtungen noch weit führen, doch fürchten wir zu ermüden. Jeder denkende Fachmann, dem ein ästhetisches. Gefühl nicht abhanden kam und der nicht von Interessen- oder Parteistandpunkt beeinflusst ist, wird leicht noch mancherlei finden, was bei richtiger, klarer, vor- urtheilsfreier Betrachtung seine Existenberechtigung nur als Merkwürdigkeit für wissenschaftliche Forschung, niemals aber zur Befriedigung unseres Bedürfnisses nach schönen Formen behaupten kann. &-— Die Bedeutung des Wechsels für den Verkehr. Von Handelsschuldirektor Albert Braune. (Fortsetzung.) Producirt ein Land, wie z. B. die Vereinigten Staaten und Mexiko, mehr Edelmetalle, als es für den eigenen Be darf nöthig hat, so deutet der Export derselben nicht auf eine ungünstige Handelsbilanz, sondern steht in gleicher Linie mit dem Export anderer Landesprodukte. Ein Land tauscht mit seinen Nachbarländern aber nicht bloss Produkte und Fabrikate aus, sondern verkehrt mit demselben auch noch in anderer Weise; namentlich suchen müssige Kapi talien des Inlandes Beschäftigung durch Betheiligung an in dustriellen Unternehmungen und Anleihen des benachbarten Auslandes, oder Effektenhahndel operirt auf den Börsenplätzen des Auslandes, wodurch Schulden oder Forderungen an das Ausland enstehen, deren Ausgleichung wiederum durch Wechsel erfolgt. In diesem Falle lässt sich vom Stande des Wechselkurses kein Schluss auf die günstige oder un günstige Handelsbilanz ziehen, sondern nur auf die Zahlungs bilanz. Aber auch abgesehen davon, braucht die un günstige Handelsbilanz mit einem Lande nicht nothwen digerweise im Steigen des Kurses auf dieses Land zum Ausdruck zu kommen, nämlich dann nicht, wenn letzteres durch Wechsel auf andere Länder befriedigt werden kann, weil die Handelsbilanz mit diesen eine günstigere ist. 2. Der Wechsel kann vielmals als bequemes Zahl mittel von Land zu Land dienen, da es überall, wohin er kommt, das Geld des betreffenden Landes darstellt. Z. B.: A in Chemnitz trassirt eine Waarenforderung von 300 Lstlr. auf B in London und sendet das Papier an C in Mühlhausen. Von hier nimmt es seinen Weg an D in Triest, an E in Genua, an F. in Paris, an G in Amster dam, an H in London, indem es jedesmal als Zahlung für eine Waarenschuld dient: Chemnitz, 1. Septbr. 1886. Für Lstrl. 300,00. Drei Monate dato zahlen Sie für diesen Wechsel an die Order des Herrn C (Mühlhausen) die Summe von Lstrl. DreihMtlert Werth in Rechnung und stellen Sie ihn in Rechnung laut Bericht Herrn B, London. A.