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Urtheil über unser Tagewerk beibrachte, welches ihm die trockne alltägliche Werksthätigkeit interessanter machte, veredelte, da wurde ihm auch die tiefe Wahrheit des obigen Sinnesspruches offenbar, und der Beruf zeigte sich ihm täglich in einem besseren Lichte; Kunst und Wissen schaft entpuppte sich aus der täglichen Verrichtung. Ueber- all, allerwärts konnte bei der Arbeit Höheres gedacht, er forscht und erstrebt werden. Die künstliche Befruchtung, die Hybridisirung, die Erzeugung von Neuheiten wurde bald als das Höchste, Schönste unsres Faches gewürdigt und das Nachdenken über die vielen herrlichen Erfolge, die die Kunstgärtnerei auf dem Gebiete der künstlichen Zucht wahl aufweist, verschönte manche Stunde. Man sehe unsre herrlichen Sortimente der Florblumen! Welche bedeutende Macht der Rührigkeit des menschlichen Geistes entfaltet sich da! Denn nicht ohne das Zuthun verständniss voller Züchter konnten sich diePrachtformen und Farben entwickeln, die uns in allen Modeblumen entgegenstrahlen. Und täglich, immerfort schafft die Natur wieder und wieder Neues unter der menschlichen Hand und Sorgfalt. Ein dankbares Feld, meist hohen Gewinn (?) abwerfend, ist die Arbeit auf diesem Gebiete. Man erinnert sich noch der Zeit, wo die Zucht von Neuheiten noch in einigen wenigen bevorzugten Händen lag, wo noch diese glücklichen Züchter ihre Vermehrungs häuser abschlossen; wo diese selbst ein unzugängliches Heiligthum für die eignen Leute waren; wo noch Preise ge zahlt wurden, die ein einziges Züchtungsobjekt zu einer Reichthumsquelle machen konnten. Das ist heute anders geworden. Fast scheint es als ob die Schnelllebigkeit unsrer Tage das Interesse und die Fähigkeit der Werthschätzung abgestumpft habe, denn selten nur erhebt sich eine Neu züchtung zu einer epochemachenden Leistung. Das soll heissen, der Fortschritt unsrer Tage macht, indem eine unendlich schnellere Reihenfolge, und eine fast sofortige Verallgemeinerung der Neuheiten statt hat, dass einzelne Erzeugnisse schneller verschwinden aus dem Brennpunkte des besonderen Interesses. Es gehört heute ein besondrer Aufwand von raffinirtester Spekulationskraft dazu, eine Neu züchtung gewinnbringend zu machen. Verhehlen wir uns I aber auch nicht, dass das geringe Interesse für Neuheiten auch darin seinen Grund hat, dass in letzteren Jahren viel Mittelmässiges mit ungebührlich übertriebenem Reclamen- tamtam in die Welt gesetzt wurde. Heutzutage ist das Misstrauen zu gross! der Interessent, der Käufer verhält sich mehr abwartend, prüfend, weil er zu oft — reingefallen ist. Es dürfte also angemessen sein, die Missstände auf diesem Gebiete etwas näher zu betrachten, und Vorschläge zu machen, wie eine Besserung anzubahnen wäre. — Fort während erzeugt die Natur Neues; die Entstehung neuer Arten, die Rassenveredlung durch Zuchtwahl steht nicht still, und darf auch nie aus den Augen gelassen werden, Aber dieselbe muss mit gehöriger Fachkenntniss und nüch ternem Blick betrieben werden und was die Hauptsache ist — das eigene Urtheil muss klar, umfassend, vorurtheilsfrei und bescheiden sein. Gar zu gross ist die Versuchung, das eigne Kind zu verhätscheln, es für intelligenter, bevorzugter zu halten, als wie es wirklich ist. Die Eigenliebe, der Stolz und übermässige Freude lässt uns gar zu leicht das eigne Erzeugniss in zu glänzendem Liebte erscheinen. Dann wird es mit einem Aufwand von schönen hochtönenden Worten gelobt, gepriesen und ihm ein Zeugniss ausgestellt, das die Interessenten verblüfft und sich zuletzt, ohne Brille betrachtet, als falsch und übertrieben herausstellt. Man darf diese Schwäche des eignen Urtheils auch nicht hart beurtheilen; es muss ein vermittelnder Masstab geschaffen werden, der den Züchter sowohl als auch den Käufer sicher stellt vor Enttäuschung. Der kleine Mann, welcher das Glück hat etwas Neues hervorzubringen, was wirklich eine all gemeine Beachtung verdient, ist jetzt in schwieriger Lage. Eine neue Erscheinung muss, wenn man gewissenhaft sein will, eine längere Zeit geprüft werden und wenn sie sich wiederholt als constant und echt erweist, alsdann erst soll die Vermehrung beginnen. Der kleine Mann hat aber viel zu viel Arbeitslast um den täglichen Erwerb, er muss das bearbeiten, was Geld bringt; aber das neue Ding kostet vor läufig uur Geld! Unsre schnelllebende Zeit mit ihren viel fältigen Vertriebsmitteln, Erforderniss von grossem Auf wand zur wirkungsvollen Bekanntmachung, d. h. die Noth wendigkeit einer Massenwirkung in Erzeugung sowohl als auch in Reclamethätigkeit lässt den Kleinen meist gar nicht zum Genuss des Gewinnes aus seinem Erzeugniss kommen. Er hat vielfach nicht den disponibeln Platz, um grosse Massen seiner Neuzüchtung zu vermehren, die erst nach einiger Zeit sich bezahlt macht, denn er muss mit Massen zugleich auftreten können; er braucht seinen ganzen Platz meist für Artikel, welche sich schnell umsetzen, zu Geld machen lassen. Ferner gehört zu einer wirksamen Ver breitung ein Aufwand von Kapital in Abbildungen, Inseraten und Reklamen, den er meist nur schwer erschwingen kann. Und dann ist noch die Frage, ob das Ding zieht! Er ist ja ein unbekannter, kleiner Mann, in Folge seiner meist mangel haften dürftigen Reklamen wird er erdrückt und verschwin den gemacht von den Grossen, die oft mit weniger Gutem mehr machen, weil sie eben systematischer und routinirter Reklame zu machen verstehen, gestützt auf grössere Kräfte an Geld, Platz und Zeit. Gewöhnlich thut der kleine Mann am klügsten, wenn er sein junges, liebes Kind jung verkauft an ein grosses Haus, welches es herauszuputzen und sich dienstbar zu machen besser in der Lage ist. Doch auch dem kleineren Geschäftsmann kann durch geignete Einrichtungen geholfen werden — wie — das werden wir weiter unten zeigen. Erst ein andrer dunkler Punkt drängt sich uns vors Auge, welcher beleuchtet werden muss. Wir sprachen von berechtigtem Misstrauen gegen Neu heiten! — Da sind ja die Ausstellungen! höre ich einwerfen. „Wenn etwas prämiirt ist, dann muss es ja gut sein!“ — Ja, wenn das wahr wäre! Wer nur einigermassen tiefer, als oberflächlich unser Ausstellungswesen, unser Prämiirungs- System betrachtet hat, wird wissen, wie lückenhaft das in vielen Fällen noch bestellt ist. Wir ziehen vor, heute nicht näher auf diesen heiklen Punkt einzugehen, bemerken nur, dass es oft wunderbar ist, in welcher übersplendiden Art da mit Medaillen und Diplomen herumgeworfen wird, oder andrerseits, wie wenig oft für grosse Anstrengungen gegen geleistet wird. Da regiert wirklich in vielen Fällen mehr die Fortuna mit verbundenen Augen, als wie ein vorur- theilsfreier, unparteiischer Scharfblick. Dieser Umstand hat schon manches gute Haus davon abgebracht, noch irgend wo auszustellen. Die Concurrenzen sind also in vielen Fällen derart mangelhaft, dass die erfolgte Prämiirung durchaus keine Gewähr für die Güte der Objekte bietet, und daraus resultirt ein viel verbreitetes, wohl berechtigtes Vor urtheil gegen Ausstellungen und Prämien. Was nützen also alle die Anstrengungen dazu, solange da nicht wieder eine gesunde, praktische Organisation Platz gegriffen hat. Hier nun wären wir endlich auf dem Punkt angelangt, einen Vorschlag zu thun, dessen Durchführung unsres Er achtens sowohl dem Ganzen eine wohlthätige Stütze und Macht, als auch dem Einzelnen einen bedeutenden Nutzen und sicheren Vortheil versprechen dürfte. Aus den Kreisen der Gartenbauvereine, welche theilweise schon eine permanente Prüfungscommission besitzen, solle man sich vereinigen zu einem Centrum, wozu viel leicht in irgend einer Weise unser Verband nützen könnte, indem der Ausschuss sich auf Vorschlag aller Gartenbauver eine Deutschlands zu einem Prüfungscomite erweitern würde, welches mittelst direkter Wahl durch alle Mitglieder ernannt wird. Dasselbe muss selbstverständlich aus, in Culturkennt- niss und Praxis ausgezeichneten, unabhängigen Männern bestehen, davon ein Drittel jährlich neu hinzutritt, resp. ausscheidet. Wir denken uns dabei die Zahl von Dreissig. Dieser Ausschuss hat nicht allein jährlich einen Congress einzuberufen, zur sachgemässen Erledigung allgemeiner An gelegenheiten, sondern es sind zu diesem Congress Alle aufzufordern, welche eine Neuzüchtung besitzen und dieselbe dem Handel übergeben wollen, dieselben am Congressorte