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6 wirtlischaften. — Die Gärtner derartiger Herrschaften sind in der Mehrzahl der Fälle so ungenügend besoldet, dass sie auf das Handel treiben zur Erzielung einer ihren Leistungen und nöthigsten Bedürfnissen entsprechenden Einnahmequelle nothgedrungen angewiesen sind. — All diese Uebelstände zu bekämpfen, meine Herren, muss unsere Pflicht sein und erfordert unsere ganze Energie. Wenden wir uns weiter zu den Uebelständen in un serem eigenen Kreise, so muss ich in erster Linie an die übermässige Gehilfenerziehung erinnern; Beispiele von Gärtnereien, und insbesondere Gutsgärtnereien, mit 6 bis 12 Lehrlingen und einen einzigen Gehilfen könnten Ihnen vorgeführt werden. — Diese Massenproductionen von Gärtnern, deren weitere Existenz man nach vollen- deter Lehrzeit dem Zufall des Schicksals überlässt, wirken nicht wenig nachtheilig auf unsere gegenwärtigen Zu stände ein. Nach anderer Richtung hin ist die vielfach vorkom mende Herabdrückung des Handelsgärtners unter den Laien höchst beklagenswerth; nicht selten findet es statt, dass Laien, welche von unserem Berufe gar nichts ver stehen, von Behörden bei Abgaben von Urtheilen über unseren Beruf berührende Fragen dem Handelsgärtner vorgezogen werden — Immer mehr und mehr müssen wir deshalb darauf hinwirken, dass der Glaube an die Thatsache Verbreitung findet, dass die Gärtnerei nicht allein aus Büchern erlernt werden kann. — Gegenwärtig subventionirt man in zahlreichen Fällen z. B. die Schul lehrer um Mustergärten anzulegen und für die Verbrei tung der Bäume zu wirken, wobei wir uns fragen müssen: „wo lernen die Lehrer das?“ „ist eine wirkliche Erwer bung diesbezüglicher praktischer Kenntnisse in so kurzer, auf diese Nebenbeschäftigung verwendeten Zeit überhaupt möglich?“ Kennen wir nicht Alle die Uebel derjenigen Institute, welche Gärtner ohne die genügende praktische Anleitung oder Vorkenntniss ausbilden? — Muss man sich ferner nicht wundern, wenn einem eine Petition für Schutzzoll auf gärtnerische Artikel zuerst in einem land- wirthschaftlichen Verein zu Gesicht kommt? Lassen Sie uns deshalb, meine Herren, durch unser Zuwirken es dahin bringen, dass die Regierung erst genügend auf uns aufmerksam wird! Bedenken Sie ferner, meine Herren, die vielseitige Schutzlosigkeit, welche uns noch umgiebt. — Die uns verursachten Wildschäden z. B. werden meist nach dem Werth der Forstprodukte taxirt. — In Hannover hat der Jagdpächter für den Schaden des Wildes aufzukom men und ein kürzlich daselbst vorgekommener Fall be wies, dass man bei Beurtheilung des Schadens und der Taxation ein forstmännisches Urtheil als massgebend an nehmen wollte. (Red. In den meisten Ländern fehlt ein auf Wildschaden bezügliches Gesetz überhaupt.) Es ist aus diesem und ähnlichen Fällen erforderlich, dass wir dahin streben eine Vertretung bei der Regie rung zu erhalten um auch bei der Gesetzgebung unsere fachmännischen Urtheile zur Geltung bringen zu können. — Denken Sie an die unseren Handelsverkehr so ge waltig benachtheiligt habenden Reblausconventionsbe stimmungen, welche trotz ihrer Schärfe bis jetzt nicht im Stande waren die Verbreitung der Phylloxera zu ver hüten. — Auch in Zukunft werden diese Bestimmungen nicht vermögen deren Verbreitung Einhalt zu thun, da die Ursachen derselben auf weit anderen Gründen be ruhen als auf denjenigen auf welche die Conventionsbe stimmungen hinzielen. — Ein in letzter Zeit erlebtes Beispiel mit der Blutlaus hat mir wiederum zur Genüge bewiesen, dass derartig epidemisch auftretende Krank heiten meist auf Mangel an geeigneten Nahrungsmitteln, auf entkräftete Bodenverhältnisse zurückzuführen sind. — Dass solche Verhältnisse gerade beim Weinbau durch die auf ein und demselben Grundstück Jahrzehnte und Jahrhunderte fortgesetzte Cultur einer Pflanzengattung vorhanden waren, ist allgemein bekannt, trotzdem wurde bei den Bestimmungen, welche dieser Epidemie Einhalt thun sollten in keiner Weise auf die aus unserer Praxis zahlreich hervorgehenden Thatsachen Rücksicht genom men. — Eine kräftige und nachhaltig wirkende Nahrungs zufuhr beseitigte bei einem in einem Grundstück stehen den von der Blutlaus auffallend stark befallenem Apfel baum dieses Insekt vollständig und bekräftigte dieser Fall die so vielfach von tüchtigen Praktikern sowohl als Theoretikern ausgesprochene Ansicht, dass das Auftreten und Verbreiten der Reblaus nur auf Hungersnoth der Weinpflanze zurückzuführen ist und dementsprechend auch Massregeln zur Unterdrückung dieser Seuche von Seiten der Regierungen ergriffen werden müssten. Verfolgen wir weiter die Transportbestimmungen der Post und Bahnen, so wird fast jeder Einzelne unter uns genügende Erfahrung durch selbst erlebte Fälle consta- tiren können, welche eine Aenderung hier und da höchst wünschenswerth erscheinen lassen. — Ich erinnere an die Uebelstände der Post-Sperrgutbestimmungen, worunter der Versandt unserer Produkte besonders leidet; ferner an die Vorschriften über die Frachtwege bei Eisenbahn sendungen u. dergl. m. In solchen Angelegenheiten jedoch erfolgreich für unseren Handelsbetrieb zu wirken, kann nicht die Auf gabe eines Einzelnen und vielleicht direkt Betroffenen, sondern muss die Aufgabe einer ganzen Corporation, welcher sich jeder Einzelne willig und unterstützend an schliesst, sein. Die Mittel, welche derartige Uebelstände wirklich beseitigen können, bestehen in erster Linie in einem gemeinsamen Zusammenthun, in der Bildung von Berufsgenossenschaften und in dem Bestreben, die von uns gefühlten Mängel und Fehler' der Oeffentlichkeit zu übergeben. Zahlreiche andere Gewerbe gehen uns mit leuchten dem Beispiele durch ihr Zusammenthun und ihr In-cor- pore-Arbeiten voran, wie die Verbindungen und Leistungen der Tischler, Schlosser und anderer Vereinigungen ecla- taut beweisen. — Jeder Einzelne unter uns müsste dafür sorgen, dass überall Anhänger für diese unsere Bestrebung erworben werden, denn es sind zu einem erfolgreichen Arbeiten und einer für die Glieder nutzbringenden Thätig- keit auch Mittel erforderlich. Eine solche Verbindung gleicher Berufsgenossen müsste z. B. auch in der Lage sein, einzelnen Mitgliedern in erforderlichen und wichtigen Fällen Rechtsschutz aus ihren Mitteln angedeihen zu lassen, sowie sie sich um die Ausbildung der Gehilfen zu deren und unserem Vortheil verdient machen sollte. Die Einführung besonderer Zeugnissformulare könnte gleichfalls manche Klage über unseren Gehilfenstand verstummen lassen und unsere regere Theilnahme an den Verhältnissen desselben würde die gegenseitigen Be ziehungen immer angenehmer gestalten und die jüngeren Leute zu tüchtigen Verbandsmitgliedern mit heranbilden helfen. Der Schulbildung bei der Annahme von Lehrlingen müsste ebenfalls eine grössere Aufmerksamkeit gewidmet werden und die Gründung von gärtnerischen Mittelschulen in den für Gärtnerei wichtigeren Orten immer mehr und mehr angestrebt werden. — Hierbei wäre erforderlich dass, wie es bereits in einzelnen bestehenden Handwer kerschulen der Fall ist, die Lehrkräfte aus tüchtigen Praktikern rekrutirt werden, wir also selbst durch Er- theilung von Unterricht derartige Bestrebungen that- sächlich unterstützten. Zur Erreichung all’ dieser Ziele halte ich jedoch als ein Haupterforderniss und eine Nothwendigkeit das Bestehen eines Verbandsorgans, welches den Ort für die Besprechung und den Austausch der Ansichten über handelsgärtnerische Angelegenheiten bildet. — Ich unter scheide hier streng die schon zahlreich bestehenden und theilweis sehr gut redigirten Fachzeitschriften, welche nur der Verbreitung fach wissenschaftlich er und Cultur- Angelegenheiten in der Hauptsache dienen, von dem Be-