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3 . Energie und Intelligenz vermögen es vorwärts zu bringen und derjenige, welcher die Zeit nicht begreift, wird — mit oder ohne Schutzzoll — von ihren Wogen ver schlungen. Die günstige geographische Lage Berlins, die ganz vorzüglichen Eisenbahnverbindungen nach allen Richtungen hin, müssten eigentlich von den Gärtnereien Berlins ganz anders ausgenutzt worden sein, als es geschehen, sie hätten Veranlassung zu einem allgemeinen regen Export geben müssen, an welchem sich einige thätige Firmen denn auch erfreuen. Die anderen natürlich, welche glaubten, der Berg müsse zu Mohammed kommen und nicht dieser zum Berge, tragen nur die Schattenseiten guter Eisenbahn verbindungen, sie klagen über den Import und es ist zu glauben, dass dieser ihnen unangenehm ist, wenn der Export fehlt. Die beste Illustration für Berliner Verhältnisse liefert die Thatsache, dass die Herren Gärtner es grösstentheils gar nicht der Mühe für werth hielten, sich Plätze in den neuen Markthallen zu sichern. Müssen denn nicht, bei einer solchen Indifferenz die Fremden, mögen es Deutsche oder Ausländer sein, geradezu verleitet werden, sich des dortigen Geschäftes mehr und mehr zu bemächtigen? Wenn nur wenigstens die Herren Antragsteller in der Lage wären, den deutschen Bedarf an Schnittblumen in guter Qualität und zu annehmbaren Preisen zu decken, dann hätte ihre Agitation für Schutzzölle wenigstens noch einen Schein von Berechtigung. So aber theilte uns z. B. der Socius des vielleicht grössten deutschen Bindegeschäftes mit, dass es gar nicht möglich sei, zu gewissen Zeiten in ganz Deutschland soviel getriebene Rosen zu beschaffen, als gebraucht würden. Er würde sehr gern geneigt sein, für deutsche Rosen selbst etwas höhere Preise anzulegen, als für importirte, wenn sie in genügenden Mengen zu haben seien, und belegte diese ' Mittheilung mit einigen Beispielen, die seine Behauptung | trefflich illustrirten. Halten wir etwas Umschau im übrigen Deutschland, so finden wir, dass die Lage der Gärtnerei doch nicht so trostlos ist, wie sie jene Pessimisten schildern, und die Geschäfte, welche es verstanden haben, den Anfor derungen der Neuzeit zu genügen, klagen nicht so laut über die Ungunst der Geschäftslage. Die Geschäfte in Dresden und Leipzig, in Erfurt und Quedlinburg, in Stuttgart und Hamburg, in Königsberg und Danzig, sind Weltgeschäfte geworden, ihnen thut es nichts, wenn Frankreich und Italien mit ihren frühen Gemüsen im Winter für die wünschenswerthe Abwechselung unserer Küchenzettel sorgen, wenn sie mit ihren Blumen unsere Feste schmücken, wenn Holland mit seinen Blumen zwiebeln uns im Winter den Frühling in das Zimmer zaubert, unseren Gärten den ersten Flor verleihen. Nein! sie schätzen sich, wie ich, glücklich, dass das, was man nicht hat, doch zu haben ist, dass nicht mehr wie in früheren Jahren, trotz Missernten in irgend welcher Provinz oder einem Lande, eine Hungersnoth zu befürchten ist. Werden wir uns aber auch über die Folgen klar, welche es haben würde, wenn ein hoher Schutzzoll unsere Grenzen dem Importe fremder Gartenprodukte verschlösse, sie würden wohl vor allen Dingen darin bestehen, dass die Nachbarstaaten dem gegebenen guten Beispiele fol gend durch Retorsionszölle den Export deutscher Garten produkte, deutschen Samens, deutscher Baumschulerzeug nisse lahm legten. Es würden dann sicher für jede einzelne Mark, die die Blumen- und Gemüsetreibereien gewinnen würden, unsere mit dem Auslande arbeitenden grossen Häuser um Tausende von Mark geschädigt werden, ge schädigt auf eine W eise, welche den Ruin der deutschen Gärtnerei bedeuten dürfte. Wenn man bedenkt, welche Arbeit, welchen Aerger, welchen Verdruss, welche Ausgaben, welche Schädigung des Exportes die Bestimmungen der Reblaus-Convention hervorgebracht, so kann man sich ein kleines Bild da von machen, welch ein grosser gewaltiger Schlag die Schliessung der Grenzen für unsern Export zu bedeuten haben würde! Und welchen Werth haben diese Be stimmungen? wir sagen es offen und ehrlich ohne jeden Umweg, ohne das geringste Be denken: gar keinen! Sie schaden ungemein, nützen aber nicht im geringsten, sie sind ganz über flüssig und darum sollte jeder billigdenkende Mensch dafür sorgen, dass sie schleunigst in den Ruhestand versetzt würden. Haben denn die Antragsteller für Schutzzölle eine Ahnung davon, welch grosse gewaltige Summen auf dem Spiele stehen würden, wenn nach ihrer Einführung von den benachbarten Staaten Retorsionszölle erhoben wür den? Wenn sie diese Ahnung haben, dann zeigt ihr Vor gehen den krassesten Egoismus, und von der grössten Unklugheit darum, weil die Schutzmassregeln, wenn sie ihren Zweck erreichen und durch eine Preissteigerung für getriebene Schnittblumen und Gemüse diese Kulturen zu hoch rentabeln werden liessen, sofort eine möglichst scharfe Konkurrenz dafür sorgen würde, dass die Preise recht bald ebenso und wohl noch mehr gedrückt sein würden wie heute, dafür, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen könnten. Auch die Erfolge der schon bestehenden Schutzzölle dürften nicht gerade geeignet sein, zur Nachfolge einzu laden. Man hat sich auch von den Getreidezöllen z. B. versprochen, dass sie die Lage der Landwirthschaft ver bessern würden, sie haben aber diesen Erwartungen schlecht entsprochen, denn immer noch ertönen Klagen über Klagen, noch immer sucht man nach Mitteln, die Lage der Landwirthschaft zu heben. Es sind die Verhältnisse der Weltproduktion, welche die Rentabilität der verschiedenen Produktionszweige und der geschäftlichen Branchen beeinflussen und regeln, und dieser gewaltigen Strömung kann mit derartig gering fügigen Mitteln und Mitteichen ebensowenig das Bette verengt oder ihr Lauf aufgehalten werden, als man im Stande ist, durch einen Damm einen unserer Ströme zu verhindern dem Meere seine gewaltigen Wassermassen zuzuwälzen. Sollte man auch eine momentane Stauung erzielen, so würden doch recht bald die nicht zu bän digenden Wellen mit elementarer Gewalt jedes Hinderniss von Menschenhand aus ihrem Wege beseitigen. Aus den oben geschilderten Gründen bin ich ganz und gar — ich will nicht sagen gegen Zölle im Allge meinen, denn es ist nicht meine Gewohnheit, in Sachen zu pfuschen, die ich nicht genügend oder besser ver stehe — gegen Zölle auf gärtnerische, Obstbau- und Baumschulerzeugnisse. Diesem Standpunkte wird gewiss jeder billigdenkende Gärtner beistimmen und, wie ich, gern die Verpflichtung übernehmen, gegen die Zollan hänger aufzutreten und letzteren begreiflich zu machen, dass nur sehr, aber sehr bequeme und engherzige Ge schäftsleute die Rettung ihrer Existenz in Schutzzöllen zu finden glauben. Gegen und nicht für Schutzzölle muss jeder leistungs fähige Pflanzen-, Blumen-, Gemüse- und Baumgärtner sein und damit beweisen, (lass, wenn Kenntnisse, Fleiss, Ausdauer, Intelligenz, Rührigkeit und — die etwas aus der Mode gekommene — Sparsamkeit vereinigt sind, jede Konkurrenz auszuhalten ist, dass, anstatt letztere zu hassen, wir sie zu verehren allen Grund haben und deswegen sehr bereuen würden, wenn durch irgend welche Massregeln ihre fördernden wohlthuenden und unentbehrlichen Wirkungen — zu Gunsten von Leuten, welche träger als r ü h r i g sind — lahmgelegt werden sollten. 3.