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— 2 Der Examinator wusste jedoch auch in diesem Fache in geschickter Weise viele Fragen selbst zu beantworten, so dass die Vorführung mehl’ einem gehaltenen Vortrage als einem Examiniren glich. Ueber Gemüsetreiberei, welche mit der Eintheilung der Treibräume etc. begann und mit Melonencultur endigte, traten gleichfalls meist nebensächliche Fragen in den Vordergrund und berührte die aus Lehrbüchern bekannte Eintheilung der Arbeiten nach Monaten, vor züglich bei den diesjährig herrschenden Witterungsver hältnissen, höchst sonderbar. — Die obligate Keimungs methode der Gurken- und Melonenkerne im feuchten Lappen; der Unterschied zwischen frischen und alten Samen, zwischen Stand- und Hebekästen; Piquiren und Zurückschneiden der Pflanzen, wenn sie die und die Länge haben; 3 Pflanzen auf 2 Fenster pflanzen, man kann jedoch auch mehr nehmen, für den Fall, dass eine caput geht; anfangs schattiren und später der vollen Sonne aussetzen; bei den Früchten zum Verhüten des Faulens Schiefer unterlegen etc. etc., deren Berührung wir, wie allbekannt, ebenfalls in jedem einfachen Lehr- buche begegnen, waren die wesentlichsten Fragen, deren Beantwortung im Allgemeinen klappte. Blumenzucht bewegte sich von der Cycascultur bis zur Ericen- u. dergl. Culturen mit dem zweifellos wich tigen Grundsätze, wir müssen zur Cultur Heimath und Lebensbedingungen der Pflanzen kennen und je nach den Zonen, in welchen sie vorkommen, sind sie dem warmen, temperirten oder kalten Hause einzuverleiben. — Erdmischungen, Wärmeverhältnisse und Vermehrungs methoden der einzeln angeführten Pflanzen, wobei Seiten der Antwortenden sonderbare Verwechselungen, wie: Ericen in Mist pflanzen, vorkamen, liessen wiederum die praktischen Unterlagen leider vermissen. Hiermit schloss die Prüfung. — Wenn wir nun die unter den vorhandenen Anstalts verhältnissen möglichen Leistungen auch anerkennen wollen, so stehen wir doch im strikten Widerspruche mit den Principien, auf welchen die Anstalt und deren Ver hältnisse in Bezug auf eine höhere Fachausbildung be ruhen, insofern, als es sich hierbei um die Aufgabe han deln müsste, durch die Theorie die Praxis begreiflich und leistungsfähiger zu gestalten, nicht aber allgemeine theoretische Grundsätze einzupauken, deren Wortlaut bald vergessen, deren Beziehung und Anwendung aber gar nicht oder höchst mangelhaft unter diesen Verhältnissen nur gelernt wird. Die Ziele, welche sich diese Anstalt im Allgemeinen stellt, gehen bei der ungenügenden Vorbildung, bei dem Fehlen der elementaren Praxis und bei der verhältniss- mässig kurzen Zeit,- welche dem theoretischen Unter richt in dieser Anstalt gewidmet wird, weit über die Möglichkeit der Erlangung einer fachgemässen theore tischen Ausbildung eines Gärtners hinaus. — Eine Be schränkung dieser Ziele und Aufgaben erscheint jedoch insofern bei derartigen Anstalten nicht wünschenswerth, als dieselben für eine Gärtnerlehranstalt im wahren Sinne des Wortes keineswegs zu hohe sind, sofern die Möglichkeit vorliegt, dass das im Laufe des dreijährigen Cursus bezweckte und nöthige theoretische Wissen in der W se gelehrt und gelernt wird, dass es verstanden, verarbeitet und angewendet werden kann. — Diese glichkeit liegt hier nicht vor, und würde selbst der . chtigsten theoretischen und pädagogischen Kraft un- rwindliche Schwierigkeiten unter den jetzigen An- its- und Aufnahmebedingungen entgegen setzen. Es muss mithin die schon vielfach ausgesprochene An- ht aufrecht erhalten bleiben, dass der Nutzen einer Gärt- nerlehranstalt in Bezug auf höhere Fachausbildung, welche zweifellos beansprucht werden muss, erst dann zu Tage treten wird, wenn sich die Aufgabe derselben auf eine freiwillige Entschliessung einer theoretischen Ausbildung der Besuchenden, hervorgerufen von der unwandelbaren Ueberzeugung — die praktischen Kenntnisse behufs grös serer Leistungsfähigkeit durch theoretisches Wissen er klären, ergänzen und erweitern zu müssen, gründet und zu diesem Zwecke ein praktisches Wissen bereits fest zu Grunde liegt. — Die Gärtnerlehranstalten, im Interesse der fortschreitenden Leistungsfähigkeit in unserem Beruf, nach dieser Richtung hin nach und nach gestaltet zu sehen, müsste der sehnlichste Wunsch aller Interessenten und die Erreichung dieses Zieles eine Aufgabe und ernstes Bestreben der gesammten Gärtnerwelt fortan bleiben. * Erklärungen. Es ist eine bekannte Thatsache, dass sich ein Schrift steller manche Kritik gefallen lassen muss, einerlei ob gerecht oder ungerecht; aber wiederum giebt es auch Leute, welche sich so unfehlbar dünken, dass sie Nieman den neben sich dulden, der nicht auf ihre Meinungen schwört. Ueber alle diese Umstände habe ich mich schon lange weggesetzt und vertrete mein Fach gegen An griffe, selbst wenn sie auch von „berufener“ oder „unbe rufener“ Seite kommen. Mein Artikel in Nr. 1 des „Handelsblattes“, betitelt „Ein Krebsschaden für unseren Obstbau“, hat eine Be- urtheilung erfahren, welche ich zu Nutz und Frommen meiner handelsgärtnerischen Kollegen nicht mit Still schweigen übergehen will und kann. Den Erguss seiner sittlichen Entrüstung hat Herr „Jos. Leichter, Lehrer und Vorsitzender des Obst- und Gartenbauvereins zu Leobschütz und Rendant des Pro vinzial-Verbandes schlesischer Gartenbauvereine“, in einer Nr. vom 5. Februar a. c. der Katholischen Schulzeitung für Norddeutschland, Breslau, niedergelegt und möchte ich diesen Artikel meinen Kollegen nicht gern vorent- halten, damit sie sehen, wie weit die Anmassung bei einigen Leuten geht. In dem betr. Artikel hatte ich einige Baumfabriken gegeisselt und kann ich nachweisen, dass diese Fabrikation von Leuten betrieben wird, die keine Ahnung von Obst baumzucht haben, und wie mir diese Züchter selbst sag ten, von einem Lehrer der dortigen Gegend eingeführt ist. Jeder logisch denkende Mensch wird aus meinem Artikel in Nr. 1 jedenfalls herauslesen, dass ich nicht den gesammten Lehrerstand gemeint habe, sondern nur diejenigen, welche dieses System angefangen hätten. Herr L. schreibt deshalb: „Es nimmt mich nur Wunder, dass Herr v. U. blos gegen die Lehrer zu Felde zieht, während er es ganz verschweigt, dass es eine Menge von Baumschulen giebt, die von Handels- und Gutsgärt nern geleitet werden, und trotzdem die Bezeichnung „Baumfabriken“ im hervorragendsten Sinne des Wortes verdienen. Herr v. U. scheint allerdings der Meinung zu sein, dass die Obstbaumzucht ausschliesslich ein Vor recht der Handelsgärtner sei. Zu einer solchen Ansicht kann aber nur ein Unwissender kommen!“ Demnach müssten die Handelsgärtner erst zu der Ueberzeugung kommen, dass es ein Unding ist, wenn die Handelsgärtner, ohne Erlaubniss von Lehrern, Bäume ziehen dürften, oder vielleicht erst dann, wenn die Lehrer der Umgegend keine Obstbäume ziehen wollten. Eine Anfrage muss ich mir hier an meine Collegen erlauben: „Wer von Ihnen hat seine Ausbildung im Baumschulfach von einem Lehrer erlernt?“ In den meisten Fällen ist wohl das Gegentheil vorhanden. Weiter heisst es: „Ich empfehle daher Herrn v. U. in erster Linie, anstatt derartige Artikel zu schreiben, die geschäftliche (!) Entwickelung des Obstbaues in Deutsch land einem eingehenden Studium zu unterwerfen etc. etc.“ Was der Herr damit sagen will, ist mir nicht klar. In welcher Weise sich der norddeutsche Obstbau, gegen über anderen Ländern entwickelt hat, dazu braucht man gerade keine Brille aufzusetzen, am allerwenigsten