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der dortigen Gegend, welche ihren Bedarf aus diesen Fabriken bezieht, kaum einen tragfähigen jungen Baum und die Chausseverwaltungen klagen, dass ihre, seit 17 bis 30 Jahren angepflanzten Bäume noch gar nicht tragen wollen. Ueberhaupt muss jährlich 1/4 der ange pflanzten Bäume erneuert werden, weil die Todeskandi daten entweder vom Krebs oder Ungeziefer aufgefressen werden oder wegen allgemeiner Körperschwäche absterben. Das Schönste an den Bäumen ist die Wurzelbildung, wie sich Jeder leicht denken kann, wenn die Bäume auf 20 bis 30 Cmtr. von einander gestanden haben. Diese Bäume werden mit GO—75 Pfg. dort verkauft und finden reissenden Absatz. Wie steht dem gegenüber nun der reelle und prak tische Handelsgärtner? Reelle, gut geschulte Bäume kann er doch auf diese Weise und zu diesem Preise nicht ziehen. Will er aber redlich durch die Welt, so muss er bei solcher Konkurrenz zu Grunde gehen. Bei meiner Nachfrage: „Wer denn eigentlich der Verbreiter dieser Baumzüchterei sei?“ wurde mir die Mittheilung, dass die Lehrer der dortigen Gegend dieses Fabriksystem eingeführt hätten. Gern hätte ich nun auch einmal einen Einblick in die Schulstube dieser Biedermänner gethan, ob sie die Ausbildung der ihnen anvertrauten Kinder auf ähnliche Weise betrieben? Trotz- alledem wird der Schullehrer als der Reformator des ganzen Obstbaues aufgestellt und wie viele Unterstützungen wer den diesen Herren gewährt, wenn sie sich des erbarmungs würdigen Obstbaues in Deutschland annehmen. Was erhält dagegen der reelle Baumzüchter und Baumschulenbesitzer vom Fach? Des Schulmeisters Bäume werden den seinigen vorgezogen, denn sie sind ja einige Groschen billiger. Ich erachte es für meine Pflicht, in den landwirth- schaftlichen Vereinen tüchtig gegen dieses verkehrte, moderne Prinzip anzukämpfen. Das beliebte Apfelkern- sammeln der Kinder und die damit verbundene Baum fabrikation ist der Krebsgang für unseren ohnehin schon sehr sparsamen Obstbau. Wenn der Lehrer seine Auf gabe als „Lehrer“ voll und ganz erfüllen will, dann hat er genug zu thun, er braucht sich nicht noch mit Obst baumzucht der zweifelhaftesten Art abzugeben, er ver nachlässigt seine Pflichten als Lehrer und versündigt sich am Obstbau. Allein kann ich diesem Uebel nicht abhelfen, dazu müssen meine Herren Coliegen mithelfen. Diese Uebel stände aufzudecken und zu beseitigen, dazu sind wir zu einem Verbände zusammengetreten. Strebe jeder in seiner Gegend, dass derartige Pfuschereien unterdrückt werden, dann wird auch die deutsche Handelsgärtnerei wieder den ihr gebührenden Rang einnehmen. Vor allen Dingen muss erstrebt werden, dass prak tische Bildungsanstalten (keine Gärtnerfabriken) errichtet werden, die wiederum von praktischen Handelsgärtnern geleitet werden, damit unsere Nachkommen eine bessere Ausbildung als bislang erhalten. Werden doch jährlich Tausende für Ackerbauschulen und Forstakademieen aus- gegeben, warum nicht auch für Gartenbauschulen? Wird hier guter Samen ausgestreut, dann wird die aufgehende Saat das Unkraut bald ersticken. B. v. Uslar, Kunst- und Handelsgärtner in Hildesheim i Hann. cG- Broedel’s Treibgurke (Broedel 1883). Wenn auf dem Gebiete der Gärtnerei hin und wieder irgend welche neue Züchtung erscheint, so ist das all gemeine Verlangen nach einem aufrichtigen Urtheile und ist dieses Verlangen sicher ein sehr berechtigtes, denn gerade die bittersten Erfahrungen macht der Gärtner bei Anschaffung von Neuheiten, denen oft genug, geleitet von allzugrosser spekulativer Absicht, Empfehlungen zur Seite gestellt werden, die zu der grössten Enttäuschung führen. Oefters schon war diese Thatsache Veranlassung in grösseren gärtnerischen Versammlungen zur Gründung von Versuchsstationen anzuregen, in welchen die in den Handel kommenden Neuheiten gründlichen Versuchen unterstellt werden könnten. Die Herstellung und Unter haltung solcher Stationen sind aber mit so grossen Un kosten verknüpft, dsas ohne besondere Unterstützung seitens der Regierung schwerlich eine derartige Ver suchsstation zu Stande kommen dürfte. Es würde daher manchem Gärtner viel Geld erspart bleiben, andererseits aber auch der Gärtnerei, ungemein viel genützt sein, wenn von urtheilsfähigren Männern diese oder jene Neuheit einer gebührenden Kritik unterzogen würde. Im Sommer 1884 wurde dem Gärtnerverein zu Lin denau eine von Herrn Broedel in Schönau bei Leipzig gezüchtete neue Treibgurke vorgelegt, welche der Züchter zu beurtheilen resp. mit einem Namen zu belegen bat. Dieser Bitte wurde auch, nachdem sich einige Kenner, welche die Gurke im Beete zu sehen Gelegenheit hatten, sehr günstig darüber geäussert hatten, seitens des Vereins ent sprochen und ihr obiger Name beigelegt. Im Laufe dieses Sommers hatte Unterzeichneter Gelegenheit, eine Lage solcher Gurken bei E. Schneider, Handelsgärtner in Lindenau, in Augenschein zu nehmen, welcher, was ich vorausschicke, den Werth der Gurke erkennend, die selben zur Samenzucht hatte liegen lassen. Diese Gurke, eine Abstammung der bekannten Treib hausgurke „Rollison's Telegraph“, gekreuzt mit „Noa’s Treibgurke“, entfaltet bei ihrer bedeutenden Grösse eine ungeheure Tragbarkeit, deren Werth noch besonders da durch erhöht wird, dass sie sehr früh ansetzt und die angesetzten Früchte nicht wie andere Sorten abstösst; der Grund hierzu dürfte jedenfalls darin zu suchen sein, dass alle Blüthen, wie mir vom Züchter mitgetheilt wurde, aufrecht stehen und in Folge dessen leicht be fruchtet werden können. Ebenso charakteristisch und eigenthümlich ist, dass gleich den Blüthen auch die Früchte eine aufrecht stehende Stellung solange behaup ten, bis sie durch die eigene Schwere hernieder gezogen werden, was ein Anfaulen der jungen Gurken verhindert. Ferner unterscheidet sie sich von „Noa’s Treibgurke“ noch dadurch, dass sie nicht wie diese weisse Streifen, son dern dieselben in gelber Färbung repräsentirt. Die Pflanze selbst ist neben ihrer ausserordentlichen Widerstandsfähig keit ausgestattet mit einer eigenthümlichen aufrechtstehen den gedrungenen melonenähnlichen Belaubung und von kräftigem Wuchs. In Anbetracht dessen, dass die Treib- Gurke im Allgemeinen von dem importirten Gemüse bisher weniger gefährdet wurde, weshalb ihre Cultur auch heute noch, besonders in grösseren Orten, einen lohnenden Erwerbszweig bildet, dürfte ihrem Sortimente in gegen wärtiger Züchtung eine bedeutungsvolle Errungenschaft zugeführt worden sein. E. Kaiser, Lindenau bei Leipzig. Neuheiten: Gloxinien, Heinemann’s neue grossblumige getiegerte und leopardirte, durch ihren aufrechten Blüthenstand, so wie grossen vollkommenen und prachtvoll gezeichneten Blüthen, welche in beiliegender Abbildung eine natur getreue Nachbildung erfahren haben, eine Errungen schaft all ersten Ranges. Brödel’s Treibgurke, Züchtung von 1883, hierüber siehe Beschreibung nebenstehend. * d/