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238 das Durchschnittsmaß der Arbeitskraft normaler Arbeiter ge sunken und durch einen verhältnismäßig geringen Körper schaden nur in geringem Grade beeinträchtigt ist, z. B. durch einen einfachen Leistenbruch oder eine geringe Lungenerweite rung bei einem sonst noch rüstigen Arbeiter, der bis zum Unfall mit schweren Arbeiten beschäftigt worden ist, oder durch einen angeborenen Plattfuß, z. B. bei einem Knecht, der die schwersten Arbeiten ungehindert ausführte und den vollen Lohn eines gesunden Arbeiters bezog. Die Höhe der Kürzung, d. h. die Feststellung des Prozent satzes, um welchen die Erwerbsfähigkeit des Verletzten vor dem Unfall hinter der Erwerbsfähigkeit eines gesunden Arbeiters zurückgestanden hat, ist von der Berufsgenossenschaft selbst ständig vorzunehmen. Der tatsächliche Verdienst des Verletzten vor dem Unfall ist dabei nicht schlechthin entscheidend, er bietet nur ein wertvolles Beweismittel. Diese Rechtsgrundsätze sind vor kurzem zur Anwendung gekommen in folgendem Falle: Eine 69 Jahre alte Arbeiterin war im Betriebe einer städtischen Parkverwaltung im Februar 1915 durch einen Bruch des linken Armes zu Schaden gekommen. Da sie keine Facharbeiterin war, wurde ihre Rente nach dem durchschnitt lichen Jahresarbeitsverdienst erwachsener landwirtschaftlicher Arbeiterinnen festgestellt. Dieser Jahresarbeitsverdienst betrug für den betreffenden Ort 660 Mark. Die Frau hatte von der Parkverwaltung im Jahre vorher 859,31 Mark verdient. Der Arzt schätzte die vor dem Unfall bereits vorhandene Minde rung der Erwerbsfähigkeit auf 30 % infolge Veränderung des Gefäßsystems, häufige Schwindelanfälle und Kopfschmerzen (Alterserscheinungen). Demgemäß berechnete die Berufs genossenschaft ihr die Rente nach einem Jahresarbeitsverdienst von 462 Mark = 70 % von 660 Mark. Damit war die Verletzte nicht zufrieden. Sie legte Berufung ein und behauptete, daß sie vor dem Unfall vollständig gesund gewesen sei und ihre Arbeit hätte voll verrichten können. Das Oberversiche rungsamt hat daraufhin die Berufsgenossenschaft verurteilt, ihr die Rente nach dem vollen Jahresarbeitsverdienst von 660 Mark zu gewähren und folgendes ausgeführt: Es war nicht angängig, daß der der Berechnung zugrunde gelegte durchschnittliche Jahresarbeitsverdienst für weibliche Arbeiter der für den Bezirk der Stadt B. auf 660 M. festgesetzt ist, um 30 % gekürzt wurde. Nach der Auskunft des 2. städtischen Parkreviers war die D. trotz ihres Alters bis zum Betriebsunfall eine voll erwerbsfähige Arbeiterin mit einem Jahresarbeitsverdienst für 1914 von 859,31 M. Hiernach wäre die Kür- ■ zung ungerecht, zumal auch das Reichsversicherungsamt in der Rekurs entscheidung vom 12. Januar 1903 (abgedruckt in Amtlichen Nachrichten 1903, Seite 356, Ziffer 1990) den Grundsatz auf gestellt hat, daß bei der Annahme einer teilweisen Erwerbsunfähigkeit vor dem Unfall vor sichtig zu Werke gegangen werden muß, da es sich um den „durchschnitt lichen“ Jahresarbeitsverdienst handelt, bei dessen Festsetzung der Verdienst älterer und jüngerer Personen, welche zu dieser Klasse gehören, berück sichtigt wird. Insofern war der Bescheid der Berufsgenossenschaft ab zuändern. Dr. G. ••• Zur Frage der Teilung der Entschädigungslast zwischen zwei Berufsgenossenschaften. D ie Reichsversicherungsordnung sieht im 6. Buch im § 1739 ff. ein besonderes Teilungsverfahren vor. Das Gesetz be stimmt nämlich, daß, wenn eine Beschäftigung, bei der sich ein Unfall ereignet, für mehrere Betriebe stattgefunden hat, die bei verschiedenen Berufsgenossenschaften versichert sind, die Berufsgenossenschaften die Entschädigungslast unter sich verteilen können und zwar wird das praktisch so gemacht, daß eine Berufsgenossenschaft dem Verletzten gegenüber die Entschädigungspflicht anerkennt und ihm die volle Rente zahlt, die zweite Berufsgenossenschaft aber der ersten einen Teil der Rente fortlaufend erstattet. Wenn sich die Berufsgenossen schaften über diese Teilung der Entschädigungslast nicht einigen können, so kann das Reichsversicherungsamt auf Antrag einer der beiden Berufsgenossenschaften nach billigem Ermessen die Entschädigungslast verteilen. Dieses Teilungsverfahren soll nach Absicht des Gesetzgebers nur dann angewendet werden, wenn in der Belastung einer Berufsgenossenschaft eine große Un- Nr. 60 billigkeit liegen würde. Bei unbedeutenden Beträgen, z. B. einer Teilrente von 10%, liegt in der Regel zu einer Einleitung des Teilungsverfahrens ein Anlaß nicht vor. Das Reichsver sicherungsamt ist also keineswegs verpflichtet, sondern nur be rechtigt, einem Anträge auf Verteilung zu entsprechen. Das Reichsversicherungsamt hat z. B. in einem Falle die Vor nahme der Verteilung abgelehnt, weil die dem Verletzten Vou einer Berufsgenossenschaft gewährte Rente von 331/3 % nach Beseitigung der Unfallfolgen rechtskräftig eingezogen wurde. Vor kurzem hat ein ähnlicher Fall auch die Gärtnerei- Berufsgenossenschaft beschäftigt. Ein in einer städtischen Gartenverwaltung beschäftigter Arbeiter war mit dem Einmieten von Kartoffeln außerhalb der Stadt für die Gartenverwaltung beschäftigt. Das zum Ein legen der Kartoffeln notwendige Stroh wurde von einem benach barten Gute auf einem Wagen herbeigefahren. Infolge der Schwere der Ladung sank das Hinterrad des Wagens tief in die weiche Erde ein und brachte die Ladung in eine schiefe Lage. Der Kutscher konnte allein den schweren Wagen nicht wieder in die Höhe bringen, weshalb der Gartenarbeiter ihm dabei half und zu diesem Zwecke in die Sprossenleiter des Wagens griff. Hierbei kam plötzlich die ziemlich hohe Ladung ins Rutschen und es stürzten mehrere Ballen Preßstroh her unter, den Arbeiter unter sich begrabend. Der Arbeiter erlitt dabei einen Bruch des rechten Oberschenkels und erhielt dafür von der G. B. G. zunächst eine Rente von 331/3 % mit 15,60 M. monatlich. Da die unfallbringende Arbeit, nämlich das Herausheben des Wagens, unzweifelhaft auch dem be treffenden Dominium zugute kam, das das Preßstroh herbei fuhr, so fragte die G. B. G. bei der landwirtschaftlichen Be rufsgenossenschaft, bei der das Dominium versichert war, an, ob sie nicht bereit wäre, die Hälfte der Entschädigung zu tragen, d. h. der G. B. G. zu erstatten. Die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft lehnte ab und daraufhin stellte dann die G. B. G. beim Reichsversicherungs amt den Antrag, durch Entscheidung die Entschädigung zur Hälfte zwischen beiden Berufsgenossenschaften zu teilen. Das Reichsversicherungsamt hat jedoch diesen Antrag abgelehnt mit folgender Begründung: Der Arbeiter E. H. war am 1. November 1914 im Betriebe der Gartenverwaltung der Stadt B. damit beschäftigt, Kartoffeln einzumieten. Die Kartoffeln wurden von einem Fuhrwerke des Dominiums D. angefahren. Hierbei sank ein Hinterrad des Wagens in das weiche Erdreich ein. Der Arbeiter H. wurde dabei von herunterfallendem Preßstroh getroffen und erlitt einen Bruch des rechten Oberschenkels. Nach seiner Schilderung hat ihn der Unfall betroffen, als er behilflich war, das gesunkene Fuhrwerk wieder flott zu machen. Der Betrieb der Gartenverwaltung der Stadt B. ist bei der Gärtnerei-Berufsgenossenschaft, der Betrieb des Dominiums D. bei der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft versichert. Die Gärtnerei- Berufsgenossenschaft entschädigt den Verletzten für die Folgen des ge schilderten Unfalls. Sie macht geltend, daß die Tätigkeit des Verletzten zur Zeit des Unfalls, die Hilfeleistung an dem eingesunkenen Wagen, auch dem Betriebe des Dominiums D. gedient habe, und hat beantragt, die Entschädigungslast zur Hälfte auf die landwirtschaftliche Berufsgenossen schaft zu verteilen. Die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft hat um Zurückweisung des Antrages gebeten. Es war, wie geschehen, zu erkennen. Es mag unterstellt werden, daß der Unfall sich so zugetragen hat, wie der Verletzte es schildert, und daß seine Hilfeleistung mithin auch dem Betriebe des Dominiums mit zugute kam. Bei einer derartigen aus der eigenen Betriebstätigkeit des Verletzten sich unmittelbar ergebenden, u n - bedeutenden und ganz vorübergehenden Hilfeleistung liegt aber für das Reichsversicherungsamt kein Anlaß vor, von der ihm nach § 1740 der Reichsversicherungsordnung zustehenden Befugnis einer Ver teilung der Entschädigungslast Gebrauch zu machen. Der zur Entschädi gung berufene Versicherungsträger hat vielmehr die daraus erwachsende Last in vollem Umfange selbst zu tragen. Der Antrag der Gärtnerei- Berufsgenossenschaft war daher zurückzuweisen. Dr. G. □ □ □ Bäuerlicher Hausgarten oder Erwerbs- - gärtnerei? E ine landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft überwies der Gärtnerei-Berufsgenossenschaft als Erwerbs gärtnerei den Garten eines Schneidermeisters auf dem Lande. Der Garten Mitteilungen des Handelsblattes für den deutschen Gartenbau usw.