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Handelsblatt für den deutschen Gartenbau usw. Nr. 29 Lehrling in bezug auf Erziehung und Schulbildung gestellt wer den. Hier entscheidet freilich das Wünschen und Wollen nicht mehr allein, weit mehr die herrschenden Verhältnisse hinsicht lich der Erlangung von Arbeitskräften, die andererseits von feststehenden Gesetzen über Leistung und Gegenleistung ab hängen. Ein Glied reiht sich dabei an das andere an, fehlt eins, so ist die Kette unterbrochen. Ein solches wichtiges Glied in dieser Kette der Betrachtungen ist die Lohnfrage, die Besol dung der gärtnerischen Arbeit und die Bezahlung der gärtneri schen Erzeugnisse. Wenn letztere, d. h. die Bewertung der Erzeugnisse aus irgendeinem Grunde den Erwartungen nicht entsprechen, so muß notgedrungen auch die Arbeit selbst entwertet werden, ein Umstand, der die Arbeitskräfte selbst eng berührt. Das auf die Lehrlinge als Arbeitskräfte bezogen, führt zu dem Ergebnis, daß es für die Gesamtinteressen der Gärtnerei nicht gleichgültig ist, welcher Art das Lehrzeugnis ist und welcher Wert diesem beigemessen werden kann. Nicht außer acht zu lassen ist schließlich, daß nach der sog. Lehrzeit erst die eigentliche Zeit des Lernens und Verstehens beginnt. Um so mehr ist dafür Sorge zu tragen, daß der junge Mann dahin gestellt wird, wo er zu stehen berechtigt und befähigt ist, und überlasse man ihn nicht nur dem Zufall und seinem Schicksal. Das Lehr- und Prüfungszeugnis kann und wird ein Fingerzeig dabei sein, so fern eine Verpflichtung der Person und dem Stande gegenüber empfunden wird. □ □ □ Zur Prüfung der Gärtnerlehrlinge. Von A- Weihrauch, i. Fa. Prawitz & Weihrauch in Doigelin. Herr O. Janorschke hat recht, wenn er schreibt, daß ein Teil der Gärtner sich als Gegner der Prüfung erweist. Ja, ich bin der Überzeugung, sogar ein recht großer Teil. Auch ich bekenne mich zu denen, welche — „teils aus Un kenntnis, teils aus Eigennutz und aus Abneigung gegen Neues“ — wie O. Janorschke in Nr. 27 des Handelsblattes schreibt, zu den Gegnern gehören; nicht aber aus Furcht, den Lehrlingen einige Stunden zum mündlichen Unterricht zu widmen. Daher unterstreiche ich Wort für Wort des Artikels in Nr. 24, denn dieser Artikel stammt sicher aus der Feder eines Kollegen, welcher wohl mehr als einen jungen Gärtner in die Welt geschickt hat. Worin der Nutzen der Prüfung für die Gärtnerei eigent lich liegen soll, ist mir als „rückständiger“ Mensch, trotz der vielen Artikel, welche ich darüber schon gelesen habe, und trotzdem unser gesamter Vorstand in dasselbe Hom bläst, immer noch nicht ganz klar geworden. Will sich denn die deutsche Gärtnerei, welche doch wahrlich Sorgen genug hat, mit Gewalt, ja vielleicht sogar noch mit Hilfe der Gesetz gebungsmaschine, eine Rute mehr auf den Rücken binden lassen? » Hat denn noch keiner der Kollegen, welche für die Prüfung so warm eintreten, einen Handwerksmeister der an deren Fakultät, als da sind: Schmied, Schuhmacher, Stell macher usw. gefragt, was für herrliche Lorbeeren diese durch ihre Zwangsprüfungen gepflückt haben? „Jawohl,“ sagte mir mal ein tüchtiger Meister, „erzielt haben wir dadurch eine ganze Menge — Unkosten, und noch dazu recht unnötige; Lehrlinge bekommen wir dadurch auch nicht besser, und die Gesellen sind dieselben als früher. Ich als Innungs-, ja sogar als Prüfungsmeister frage den Teufel nach dem Prüfungszeugnis, die Hauptsache ist, daß ich überhaupt einen Gesellen bekomme.“ Nun, verehrte Kollegen, sollte es wirklich bei uns heißen; Ja, Bauer, das ist ganz was anderes? Ich bezweifle ganz entschieden, daß die beiden jungen Leute, welche in Schlesien das Prädikat „sehr gut“ erhalten haben, außer bei ihren Lehrherren, auch nur einen Pfennig mehr verdienen als die fünf, welche mit „genügend“ ab gegangen sind. Kommen von je einer Klasse ein Gehilfe in eine Berliner oder Dresdner Großgärtnerei, so wird der betreffende Ober gärtner in 99 von 100 Fällen weniger die Vortragskunst des einen als die körperliche Leistung des andern bewerten. Auch wird nicht zu bestreiten sein, daß mit den Jahren aus einem „Genügend“-Gehilfen ein ebenso tüchtiger Obergärtner oder Geschäftsleiter werden kann als aus einem „Sehr gut"- Gehilfen. Würde es so weit kommen, daß sämtliche Prinzipale nach dem Prüfungszeugnisse klassifizieren würden oder gar müßten, dann liefe bei den armen Kerlen, welche es ebensogut mit ihrem Beruf meinen als die anderen, ein roter Faden durch ihr ganzes Leben. Wissen möchte ich auch noch, wer wohl bei einer Prüfung, bei welcher der Lehrling mit „genügend“ oder „ungenügend“ abschneidet, der Dumme ist, der Lehrherr oder der Lehrling? Und wenn derselbe Lehrherr nun Pech hat und wieder einen Jungen bekommt, welcher wohl sehr brav, fleißig und be scheiden ist, sich aber mit dem Mundwerk nicht behelfen kann, wenn die gelehrten Herren von irgendeiner Kammer zur Prüfung erscheinen, und der Junge fällt auch durch, dann, verehrte Kollegen, soll doch wohl, soviel ich mich entsinnen kann, dem Lehrherrn die Berechtigung zur Ausbildung von Lehrlingen abgesprochen werden. Soll der Gärtnerstand gehoben werden, und das tut sehr not, dann veranlassen wir doch am besten die Eltern solcher Söhne, welche es dazu haben, sie nach der Lehre auf eine der vielen und sehr guten Gartenbauschulen zu schicken. Dort ist ihnen dann Gelegenheit gegeben, Prüfungen abzulegen, so viel sie wollen, oder solange ihr Geldbeutel ausreicht. Jeder, der je Lehrlinge ausgebildet hat, wird zugeben müssen, daß man den einen leichten Herzens einer Prüfungs kommission vorstellen kann, und den andern, welcher viel Mühe in der Ausbildung verursacht hat, nicht. Trotzdem der letztere gerade der Bessere ist. □ □ • Betrachtungen über Treibsträucher. in. W ir kommen nun zu den Hülsenfruchtgewächsen oder Leguminosen, von denen für uns die Unterfamilien der Caesalpinioideae und die der eigentlichen Schmetterlingsblütler, der Papilionatae, wichtig sind. Zu ersterer gehört die Gattung Cercis, die uns in C. siliquastrum, dem sogen. Judasbaum, ein recht hübsches Ziergehölz und vor allem einen prächtigen Frühjahrsblüher liefert, der allerdings seiner mehr südeuro päischen Heimat wegen etwas frostempfindlich ist, daher im Freien einen warmen und geschützten Standort und, wenn es not tut, im Winter bei strengem Frost auch Schutz verlangt. Die Treibfähigkeit dieses unmittelbar aus dem Holz in Büscheln blühenden Strauches ist erwiesen, und da auch schon jüngere Pflanzen zur Blütenentwicklung schreiten, so sollte man' doch wenigstens in kleinem Maßstabe Treibversuche machen. Das möchten wir aber gleich sagen, daß C. siliquastrum ebenso wie C. canadensis und C. chinensis eigentlich nur für Liebhaber als interessante, nicht alltägliche Schmucksträucher Wert haben, denn für Schnitt sind die Cercis-Arten nicht zu ge brauchen, wenn ihre Blüten auch in Verbindung mit Grün bei Tafeldekorationen verwendet werden können. Übrigens soll jeder Handelsgärtner sich hüten, alle Pflanzen nur unter dem einseitigen Gesichtspunkt ihres Wertes als zum Schnitt geeignet oder nicht zu betrachten. Die Gattung Cercis entwickelt ihre Blüten im Freien im Mai. Zu dieser Zeit sieht man die dunkelviolett-rosagefärbten Blüten in Trauben aus Stamm und Ästen hervorsprießen. Die Farbe der Blüten ist etwas veränderlich, denn es gibt Sträucher, die rein purpurn oder rein rosa blühen, auch weißblühende finden sich, wenn auch nur selten. Bemerkt zu werden verdient noch, daß die Blüten vor Laubausbruch erscheinen, wodurch dieselben be sonders auffallen, was weniger der Fall wäre, wenn der Strauch sein herzförmiges Laub schon entfaltet hätte. Härter als