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Handelsblatt für den deutschen Gartenbau usw. 565 Nr. 48 Es bedarf wohl überhaupt keiner besonderen Betonung, daß sich der Verbandsvorstand seit dem Erscheinen des Gesetz entwurfs eingehend mit der Angelegenheit beschäftigt, sich mit berufenen Kreisen in Verbindung gesetzt hat und die Interessen des Berufs nach jeder Richtung hin zu wahren suchen wird. Trotz allem gilt aber als Hauptinteresse das Wohl des Vater landes. Das möge man sich auch in unseren Kreisen immer vor Augen halten, verbunden mit dem ernsten Willen, die Opfer, die das Vaterland verlangt, und die gebracht werden müssen, auch zu bringen. * * , * * Der Hauptausschuß des Reichstages hat am 28. Novem ber beschlossen, dem Reichstag den grundlegenden Paragraphen 2 des Gesetzes in folgender Fassung zur Annahme zu empfehlen: „Als im vaterländischen Hilfsdienst tätig gelten alle Per sonen, die bei Behörden und behördlichen Einrichtungen, in der Kriegsindustrie, in der Landwirtschaft, in der Krankenpflege und in kriegswirtschaftlichen Organisationen jeder Art sowie in sonstigen Berufen oder Betrieben, die für Zwecke der Krieg führung oder der Volks Versorgung unmittelbar oder mittelbar Bedeutung haben, beschäftigt sind, soweit die Zahl dieser Per sonen das Bedürfnis nicht übersteigt. Hilfsdienstpflichtige, die vor dem 1. August 1916 in der Land- und Forstwirtschaft tätig waren, dürfen aus diesem Be triebe nicht zum Zwecke der Überweisung in eine andere Be schäftigung im vaterländischen Hilfsdienst herangezogen werden.“ □ □ □ Die neu gegründete Lehrlingsfachschule zu Liegnitz und die Lehrlingsprüfung. Von Heinrich Wolf in Liegnitz. E ndlich ist nach jahrelangen Bemühungen das erreicht, was wir Liegnitzer schon öfter in Angriff nahmen, was aber bis her leider durch die Behandlung der Sachen vom grünen Tisch aus seitens der in Betracht kommenden Verwaltungen unter den Tisch fiel. Auch diesmal wäre es nicht anders geworden, wenn nicht der Königliche Gartenbaudirektor S t ä m m 1 e r dort ein gegriffen hätte, wo unsere Kräfte nicht ausreichen wollten. Die Fachgenossen werden uns zurufen, ja, eure Fachschule gründet sich auf die schlesische Lehrlingsprüfung. Nun, das stimmt auffallend bis auf die Stelle, welche die Prüfung anordnete und zur Ausführung brachte. Denn nach den vielen langen Aufsätzen im Fachblatt durch unsere Vertreter im Gartenbau ausschuß der Landwirtschaftskammer, müßte man denken, daß diese das allererste Interesse an der Fachschule habe. Wie sie für landwirtschaftliche Winterschulen große Summen jedes Jahr opfert, so hätte man erwarten dürfen, daß die Kammer auch über das fünfte Rad am Wagen ihre Fittiche ausstrecken und wohlwollend unserer Gründung gegenüberstehen würde. Aber das Gegenteil wurde uns beschieden. Also im September waren wir Erwerbs gärtner in Liegnitz einig geworden, eine Winterfachschule ins Leben zu rufen und zwar auf Grund der vorangegangenen Lehrlingsprüfungen. Es war uns klar, daß unsere Prüflinge das schlechte Ergebnis der schriftlichen Prüfling mit einer noch so gut bestandenen münd lichen Prüfung nicht ausgleichen können. Und da ich gerade bei der im Vordergrund stehenden Lehrlingsprüfung bin, so möchte ich den Fachgenossen, die ihr Für und Wider dazu schrieben, nur das eine sagen, daß die Prüfung von ihnen meistens anders aüsgelegt wird, als sie gehandhabt wird. Jeden falls sind wir mit der Prüfungskommission einig, daß die prak tische Prüfung durch gewissenhafte Ausbildung des Lehr herrn vorbereitet sein muß und nur die theoretische Prüfung in Frage kommt, die wieder in eine schriftliche und eine münd liche zerfällt. Schade, daß bis jetzt Herr Gartenbaudirektor Stämmler in unserer Fachzeitung sich noch nicht geäußert hat, er würde sicher manche Gegner bekehrt haben, wie es auch bei uns geschehen ist. Mit den vielen gedruckten und ungedruckten Vorträgen seitens unserer Vertreter bei der Landwirtschaftskammer konnte sich keiner für die Prüfung er wärmen. Wurde uns doch sogar von einem unsrer Mitglieder in seinem Übereifer in einer Provinzialversammlung zugerufen, daß wir Liegnitzer die Lehrlinge als. Arbeitsmaschinen be trachten, trotzdem wir schon vor 10 J ahren ohne Landwirt schaftskammer auf unsere Kosten eine Fachschule mit Prüfung gründen wollten, aber keine Genehmigung erhielten. Durch das Ergebnis der diesjährigen Prüfungen kamen wir überein, daß von den etwa 40 vorhandenen Lehrlingen vorläufig nur die in .die Fachschule zu gehen haben, welche kommendes Jahr die Prüfung ablegen sollen. Das nächste Jahr kommt der nächstälteste Jahrgang in eine neue Klasse, dagegen sollen Lehr linge des ersten Lehrjahres bis auf weiteres nicht am Unter richt teilnehmen, da einesteils das richtige Verständnis fehlt und andernteils mancher den Beruf wechselt. Unser einstimmiger Beschluß wurde noch erweitert, indem wir auch die hiesige Gruppe des Verbandes deutscher Privat gärtner auf forderten, an der Angelegenheit mitzuwirken, was auch geschah. Zuerst wurde durch den gewählten Schulvorstand das Nähere beraten und festgesetzt. Es wurde eine Schulordnung ausgearbeitet, die sich in 13 Abschnitten der Schulordnung hiesiger Handelsschule anschließt. Ferner wurde eine Ge schäftsordnung für den Schulvorstand und ein Unterrichtsplan für die Winterfachschule festgelegt. Die Geschäftsordnung bringt viel Arbeit für den aus fünf Mitgliedern bestehenden Schulvorstand, denn er hat für das Bestehen und Gedeihen der Schule zu sorgen. Die Hauptsache, der Unterrichtsplan, ist jedenfalls zur Zufriedenheit aller Lehrherren und Teilnehmer ausgefallen. Er baut sich auf aus: 1. der Dauer der Unterrichtszeit, 2. dem Lehrkörper und 3. dem Lehrplan. Hat sich außer unserm bewährten Herrn Direktor Stämmler auch noch Herr Direktor Schindler, der Leiter der Kgl. Lehranstalt für Obst- und Gartenbau in Proskau, dafür verwendet, daß ein fachwissenschaftlicher Unterrichtsplan zustande kam, so ist uns in Herrn Lehrer Strutz, Taubstummenanstalts-Inspektor zu Liegnitz, eine ebenbürtige Kraft'für das allgemeine Wissen ge geben. Der Lehrplan baut sich auf: 1. aus dem allgemeinen Wissen und zwar: a) Berufs- und Bürgerkunde, b) schriftliche Arbeiten, c) Rechnen; 2. aus dem Fachwissen und dieses aus a) Pflanzenver mehrung, b) Hilfsmittel der Gärtnerei, c) Pflanzenbau, d) Landschaftsgärtnerei nebst einfacher Vermessungskunde und Zeichnen. Die Erlaubnis zur Gründung der Schule wurde von der Regierung genehmigt. Ebenso erhielten von drei Herren des Lehrerkollegiums Herr Direktor Stämmler und Herr In spektor Strutz seitens ihrer Behörden die Erlaubnis zur Erteilung des Unterrichts. Aber nun das Unerwartete! Herr Wauer, Leiter des hiesigen Obstbauinstituts der schlesischen Landwirtschaftskammer, erhielt seitens unserer vorbildlich ge schilderten Kammer nicht die Erlaubnis, 23 Stunden Unter richt in 6 Monaten an unserer Fachschule zu geben, angeblich wegen Überlastung dieses Herm. Und jetzt, werte Fach genossen, die Überraschung: dieselbe Landwirtschaftskammer, die uns während des schweren Krieges die Lehrlings prüfung bescherte, diese findet jetzt die Kriegszeit nicht ge eignet, Neueinrichtungen von Bildungsanstalten zu treffen, zweifelt überhaupt an Erreichung des gesteckten Zieles und verweigert uns das von ihr erbetene Schulzimmer von ihrem eigenen großen Landwirtschaftsschulgebäude. Drei Stunden am Mittwochsnachmittag sei es ihr nicht möglich, da ein ganzes Zimmer zum Konfirmandenunterricht benötigt wird und weil an diesem Nachmittag die Zimmer gereinigt werden. Außer dem hätte die Stadt Liegnitz die Pflicht der Fürsorge für die Gärtnerlehrlinge. Nun war guter Rat teuer. Am 14. September war das Schreiben abgegangen, am 18. Oktober sollte der Schulanfang sein, und am 7. Oktober kommt die unerwartete Absage! Ja, an wen sollten wir uns denn wenden, wenn unsere Landwirt-