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541 Handelsblatt für den deutschen Gartenbau usw. Nr. 46 Die Griechische Tanne — Abies cephalonica. D iese herrliche Edeltanne, die ihren klassischen Standort auf der Insel Kephallenia oder Cephalonia auf dem Berge Enos hat, führen wir den Lesern des Handelsblattes in einem Bilde vor, das wir der Freundlichkeit des Gartenmeisters Langer nach einem in der Proskauer Koniferensammlung vorhandenen stattlichen Exemplar verdanken. A. cephalonica kann in ihrer griechischen Heimat als die Vertreterin unserer heimischen Edeltanne, der Abies pectinata, betrachtet werden, der sie auch in systematischer Beziehung ziemlich nahe steht. Es ist eine streng insulare Tannenart, die auf dem griechischen Festlande im ursprünglichen Zustande nicht vorkommt, wohl aber in deren Abarten, der Apollo- und Amalientanne. A. cephalonica bildet in ihrer Heimat bis zu 20 m hohe und bis 3 m im Umfang mes sende schlanke Bäume, doch fin den sich auch vom Boden aus verästelte, mehrstämmige Exem plare. Während unsere in Parks und Gärten angepflanzten ce- phalonischen Tannen durch ihren im Jugendzustande ausgeprägten streng pyramidenartigen Wuchs auffallen, der natürlich bei freiem Standort ganz besonders zur Geltung gelangt, sollen die in ihrer Heimat wachsenden nichts von dieser Regelmäßigkeit im Wuchs und der schönen regelmäßigen Beastung an sich haben. Im Querschnitt sind die Zweige rund und glatt, die glänzend hellbraunen Triebe ent wickeln Knospen von bleich gelber Farbe, sie sind stumpf eiförmig, niemals lang zugespitzt und, im Gegensatz zu denen un serer heimischen Edeltanne und auch der Nordmannstanne, mit Harz überzogen. Die spitzen, stechenden und mitunter etwas sichelförmig gekrümmten Nadeln zeigen auf der Oberseite eine prächtige grüne Färbung, wäh rend die Unterseite durch das grün, gehen dann allmählich in eine rötliche Farbe über, um bis zum vollen Reifezustand sich braun zu verfärben; ihre Länge beträgt 21 cm bei 6 cm Dicke. Eine gute Abart von A. cephalonica ist var. Apollinis, die Apollotanne, so genannt, weil sie zuerst auf dem Parnass, an dessen Fuße das dem Apollo geheiligte Delphi lag, aufgefunden wurde. Sie unterscheidet sich von der Grund form durch die mehr zweizeilig und gedrängter stehenden Nadeln, die auch weniger starr, aber kürzer und breiter sind. Die Königin-Amalientanne, A. cephalonica var. Reginae Amaliae, nach der 1875 verstorbenen griechischen Königin benannt, ist von der Hauptart kaum verschieden und kann wie auch panachaica nur als Standorts form betrachtet werden. Eine Eigenschaft, die man sonst bei Nadelhölzern selten antrifft, besitzt aber ge rade diese Tanne, nämlich die Fähigkeit des Stammausschlages, der auf zweierlei Art und Weise vor sich gehen kann, indem ent weder neue Stämme aus den alten hervorgehen oder aus den Ästen kandelaberartig gestellte Nebenstämme senkrecht auf steigen. Von sonstigen kulturwür digen Formen der Griechischen Tanne verdient A. cephalonica robusta Beachtung, die einen kräftigeren,gedrungenerenWuchs als die reine Art entwickelt. Die dann und wann auftreten den bunten Formen, bei denen entweder im frischen Austrieb die Nadeln goldgelb gefärbt sind oder sich solch gefärbte Zweige nur vereinzelt vorfinden, haben keinen größeren Schmuck wert und besitzen höchstens für Liebhaber ein gewisses Interesse. A. cephalonica selbst aber bildet einen hochwertigen Zier baum für unsere Gärten, der bei freiem, aber geschütztem Stand ort sich zu herrlichen Bäumen in Wuchs und Benadelung ent wickelt. Die südliche Heimat bringt es mit sich, daß die grie chische Tanne in unserem Fest Vorhandensein bläulichweißer Spaltöffnungslinien silbern schimmert, wodurch die schöne Wirkung ausgelöst wird, die wir bei Nadelhölzern so schätzen. Die Stellung der Nadeln ist eine verschiedene, je nachdem es sich um junge oder ältere Pflanzen, um unfruchtbare oder mit Zapfen besetzte Zweige handelt. Im ersteren Falle stehen sie fast zweizeilig, im anderen rund um die Zweige. Das junge Grün wechselt übrigens von zarten frischen Tönen zu gelblichen und bronzefarbenen ab und nimmt mitunter erst allmählich die dunkle Färbung an. Ganz reizend nehmen sich auch die pur purrötlichen männlichen Blüten aus, ein Beweis, daß selbst in einer Pflanzengruppe wie der der Nadelhölzer, bei denen in erster Linie Wuchs und Belaubung den Schönheitswert der Pflanze bestimmen, doch auch die Blüten in einzelnen Fällen wirksam hervortreten. Die aufrechten, am Grunde zylindrischen, sonst mehr stumpf kegelförmigen sitzenden Zapfen sind anfangs landsklima in strengen Wintern mitunter leidet; da muß man eben schon bei der Anpflanzung darauf Bedacht nehmen und ihr einen Platz anweisen, an dem sie nicht scharfen Winden und den Strahlen der Morgensonne im Winter und Frühjahr ausgesetzt ist, nötigenfalls muß man sie in den ersten zwei bis drei Jahren nach der Pflanzung da durch schützen, daß man ein kleines Stangengerüst um sie baut und dieses mit Fichten- oder Tannenreisern locker besteckt. Zuviel des Guten darf man aber auch hierin nicht tun, denn durch übermäßige Schutzvorkehrungen verzärtelt man nur die Gehölze. Bei älteren eingewöhnten Exemplaren ist ein Schutz kaum mehr nötig. Daß auch in dem durch strenge Winter ausgezeichneten oberschlesischen Klima A. cephalonica zu herr lichen Bäumen heranwächst, davon legt das im Bilde wieder gegebene Exemplar aus der Proskauer Sammlung einen beredten Beweis ab. E- Jlbies cephalonica. Höhe 12m, unterer Stammdurchmesser 0,32 m, Alter etwa 30 Jahre. Für das Handelsblatt aufgenommen in der Gehölzsammlung der Königl. Lehranstalt für Obst- und Gartenbau zu Proskau von Gartenmeister Langer.