Volltext Seite (XML)
540 Handelsblatt für den deutschen Gartenbau usw. Nr. 46 Die Behandlung der Epiphyllum. E s ist lange her, seit man diese schönblühenden Kakteen zur Winterzeit in den meisten Blumengeschäften bewundern konnte, wo sie einen recht gangbaren Verkaufsartikel bildeten. Aber sie sind nicht nur gute Verkaufspflanzen, sondern auch wertvoll für den Schnitt, besonders in den frühblühenden Sorten. Allerdings müssen die Blüten ihrer Kurzstieligkeit wegen ange drahtet werden, ein Übelstand, der nun einmal in Kauf genom men werden muß. Nichtsdestoweniger gereichen sie jedem feineren Bindewerk zur Zierde. Darum sollte man jetzt, wo wir schwerlich so bald wieder in den letzten Monaten des Jahres einen solchen Blumenüberfluß haben werden, wie vor dem Kriege, erneut die Pflege dieser Blattkakteen aufnehmen. Sie werden sicher wieder wie früher ihr dankbares Publikum finden, zumal sie in zahlreichen Farben und Formen vorhanden sind. Bekanntlich werden die Epiphyllen durch Veredlung auf Peireskia aculeata zu kleinen Kronenbäumchen herangezogen, in welcher Form sie den besten Absatz finden, auch Cereus speciosissimus benutzt man als Unterlage. Die beste Veredlung ist die durch Kopulation; sie ist sicherer und liefert kräftigere Pflanzen als die durch das noch viel geübte Pfropfen in den Spalt. Am günstigsten zur Vornahme der Veredlung sind die Monate Januar und Februar, also nach der Blüte. Man schneidet zu diesem Zwecke die Unterlagen etwa in 20—25 cm Höhe über einem Auge schräg ab und entfernt die im Wege befindlichen Blätter. Das auf die Unterlage auf zusetzende Edelreis von Epiphyllum muß an Stärke der Unter lage gleich sein. Man schneidet es so zu, daß seine und die Schnittfläche der Unterlage einander decken. Um beide zu zusammenzuhalten, durchsticht man sie mit einer gewöhnlichen Stecknadel und umwickelt dann die Veredlung mit Bast, wo rauf man die Nadel wieder herauszieht und die Veredlung, um das Abbrechen zu verhüten, noch an einen Blumenstab anbindet. Für die veredelten Pflanzen ist es am vorteilhaftesten, sie in schräger Lage auf ein Vermehrungsbeet zu legen, natürlich so, daß die Veredlung höher zu liegen kommt. Dieselben müssen vorsichtig begossen und, wenn nötig, beschattet werden, was je doch nur bei stärkerem Sonnenschein geschehen sollte. Haben sich Unterlage und Edelreis fest verbunden, dann schneidet man zunächst die etwa vorhandenen wilden Triebe weg, ent fernt auch nach einiger Zeit alle Peireskienblätter und löst den Verband. Die Pflanzen können nun das Vermehrungsbeet verlassen und so lange an einen hellen Platz im Warmhause gestellt werden, bis man sie auf einen halbwarmen Mistbeet kasten bringt, was am besten Ende Mai oder Anfang Juni geschieht. Als Erdmischung sagt den Epiphyllen eine solche, be stehend aus sandiger, nahrhafter Lauberde, die zu 14 mit Rasenerde versetzt ist, unter Beifügung von kleingeschlagenem oder gesiebtem Kalkschutt, am meisten zu. Ein jährliches Ver pflanzen ist nicht zu empfehlen, da die Pflanzen um so williger blühen, je weniger sie gestört werden. Auf den Boden des Topfes bringe man eine starke Scherbenunterlage, um einen guten Wasserabzug zu bekommen. Nach dem Verpflanzen müssen sie einen hellen Standort in einem Gewächshause er halten, dessen Temperatur man auf I 5—20 0 C hält, wo sie zunächst nur mäßig begossen werden dürfen. Erst nach dem Durchtreiben erhöht man die Wassergaben, damit man mög lichst kräftige Glieder bekommt, die auch einen entsprechenden Blütenansatz gewährleisten. Sind die Glieder ausgebildet, ver ringert man die Wassergaben bis zum leichten Welken der Glieder. Man hält nun die Pflanzen fernerhin zwar nicht ganz trocken, aber doch nur sehr mäßig feucht und entfernt alle unausgereiften und schwachen Glieder, da dieselben doch keine Blumen entwickeln und nur auf Kosten der übrigen miternährt werden. So behandelt, werden sich bald Knospen einstellen, was etwa von Mitte September ab der Fall sein wird; dann wird es auch Zeit, die Pflanzen aus dem Kasten in ein Warm haus zu räumen, wo ihnen ein heller Platz angewiesen werden muß. Wo man sie einmal hingestellt hat, soll man sie auch stehen lassen, denn nichts vertragen in Knospen stehende Epi phyllen weniger, als eine Veränderung des ihnen einmal ge gebenen Platzes; sie werfen dann leicht die Knospen, und alle Mühe ist vergebens gewesen. Ebenso ist darauf zu achten, daß die Temperatur des Hauses eine genügend regelmäßige bleibt und Schwankungen vermieden werden. Am wohlsten fühlen sich die Epiphyllen bei einer Wärme von 10—15 0 C. Die einzige, für den Handelsgärtner in Betracht kommende Epiphyllum-Art ist E. truncatum, von dem es eine ganze Reihe von Farbensorten gibt. Am wertvollsten für den Handels gärtner sind jene, die zu Weihnachten und Neujahr herum blühen, also zu einer Zeit, wo blühende Töpfe stark begehrt sind und ihr Absatz ein durchaus sicherer ist. Natürlich werden auch die vor oder nach dieser Zeit blühenden Sorten die Pflege in den meisten Fällen lohnen. Für Kakteen hat das Publikum immer Interesse, man muß es nur verstehen, auf die Schönheiten und Reize der Pflanzen hinzuweisen, wirklich gute Exemplare anzubieten, und das nicht nur in einzelnen Töpfen, sondern in Menge. Im folgenden sei eine kleine Auslese der besten Sorten nach ihrer Blütezeit angegeben: Oktoberblüher: Violaceum, violett, mit der Abart grandiflorum; beides sichere Blüher, letztere aber in Form, Größe und Färbung der Blumen den Vorzug verdienend; sehr früh ist das weiß-violett getönte violaceum album; lachsrot blüht salmoneum flavum. Als Novemberblüher kommen hauptsächlich in Betracht: Kiolaceum superbum, reinweiß, dunkelviolett gerän dert, und spectabile carmineum, karminrot. Die eigentlichen Weihnachtsblüher finden sich unter folgenden Sorten: Vesuv, violett, eine der wüchsigsten und dankbarsten Truncatum-Varietäten in dieser Farbe; magnificum, karminrot; E. Madeleine, lachsrot bis fleischfarben; Deutsche Kaiserin, die als eine besondere farbenschöne Hybride mit karminroten, in der Mitte weißen Blumen bezeichnet werden muß. Für spätere Blütezeit seien noch genannt Madame AIfasse, eine starkwachsende Sorte mit violetten Blumen; Mme. Andre, rotblühend; und Mr. Chatenaz, die schönste lachs farbene. Die unter dem Namen E. Russelianum und E. Russelianum Caertneri gehenden Arten, von denen das erstere rosarot, das andere scharlachrot blüht, sind keine Epiphyllen, von denen sie durch die strahlige Blütenform abweichen, sondern gehören zur Gattung Phyllocactus, wo sie die Gruppe Pseud- Epiphyllum bilden. E. Rücl(erianum, Rüclferi oder Bridgesii sind drei verschiedene Namen für dieselbe Pflanze, die höchst wahrscheinlich einen Gartenbastard zwischen Phyllocactus Russelianus und Epiphyllum truncatum darstellt, die Blüten farbe schwankt zwischen rosen- und karminrot. Bemerkens wert ist auch die sehr späte Blütezeit, die Ende Januar eintritt und bis Mitte Februar anhält. E. Cibsoni steht E. truncatum jedenfalls sehr nahe; die zu 2—4 stehenden Blumen zeichnen sich durch eine schöne, dunkelorangerote Farbe aus; E. Cuede- neyi dürfte wohl eine in Kultur entstandene Hybride sein, deren Verbreitung sich nicht mehr feststellen läßt. Es ist eine groß blumige Sorte, bei der die äußeren Blumenblätter weiß, leicht schwefelgelb überhaucht sind, während die übrigen eine rein weiße Farbe aufweisen. Die unter E. Malfoyanum gehende Art gehört zu Phyllocactus Gaertneri. Nicht ungenannt darf aber das sehr schöne, aus Brasilien stammende E. delicatum bleiben, das mit seinen weißen, rosa überhauchten Blumen überall Anklang finden dürfte. Bemerkt zu werden verdient, daß die Blumen je nach dem helleren oder dunkleren Standort in der Farbe etwas abändern. Bei hellem Standort fallen die Blumen mehr rosa aus, während, wenn die Pflanzen etwas dunkler stehen, die Blüten sich mehr reinweiß färben. Der Wuchs der Pflanze ist ein sehr kräftiger, und die Blühwilligkeit läßt nichts zu wünschen übrig. Da auch der Flor gerade in die Weihnachtszeit fällt, so ist diese Art doppelt wertvoll, und sollte in allen Handelsgärtnereien, die sich mit der Kultur von Epiphyllum eingehender befassen, ein kleiner Satz davon vorhanden sein. EE- □ □ □