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528 reich und Tirol fallen während des Krieges für uns aus, ebenso gelangt kein Mostobst aus Österreich, Italien und Frankreich zu uns, schließlich müssen wir auch das Trockenobst aus den Balkanstaaten und aus Amerika entbehren. 2. Der gesteigerte Verbrauch für menschliche Nahrung. Dieser kommt vor allem zum Ausdruck in der Mar meladebereitung, weiter in dem großen Bedarf jeder Art für Heeresversorgung und von Obst für den Rohgenuß. Nicht vergessen darf werden die Einführung der Obstverwertung fast in jedem deutschen Haushalt durch Herstellung von Dauer waren, Fruchtsäften usw. Wird es nach dem Kriege so bleiben? Kaum. 4 d Was die Zufuhr aus dem Auslande betrifft, so läßt das Handelsabkommen mit den uns befreundeten Nachbarstaaten nach Friedensschluß schon jetzt keinen Zweifel aufkommen, daß wir auch später eine Obsteinfuhr aus diesen Ländern, wenn auch nicht ganz zollfrei, so doch nur mit einem geringen Zoll belastet, zu erwarten haben. Das gilt besonders für Österreich- Ungarn und die Schweiz, sowie für die Türkei. Österreich (Böhmen, Tirol) kommt besonders für Äpfel, die Türkei für Pflaumen in Betracht. Vor der Einfuhr brauchen wir uns nicht zu fürchten, wenn man oben an der Zollwerkstatt es versteht, unsere heimische Erzeugung derart zu schützen, daß unseren Obstzüchtern wenig stens die eigene Mühe noch zum Teil bezahlt wird. Der alte freie Wettbewerb mit Obst vom Auslande wird nicht zu schwer fallen, wenn man es den englischen Händlern nicht zu leicht macht, die amerikanische und australische Tafelware, die zum Teil nur Schiffsbelastung darstellt, frank und frei dem deut schen Michel aufzubürden. Die lachend schön gefärbten kana dischen Äpfel bestechen nur durch ihr Äußeres, ihr Genußwert reicht lange nicht an den des deutschen Apfels heran. Das prächtig wachsgebleichte, rosa angehauchte Antlitz des Tiroler Apfels ist in Geschmack und Farbe hervorragend und er ver drängte vielfach das einheimische Obst, besonders in obstarmen Jahren, vom Markte, weil es ohne Zollspesen recht preiswert ins Land kam. Deutschland erzeugt ganz ansehnliche Mengen von Tafelobst im eigenen Lande, aber noch mehr wird es nach dem Kriege verbrauchen. Der Bedarf wird noch erheb lich steigen. Es kann einmal der Fall eintreten, daß reiche Obsternten in den Nachbarländern unseren Absatz ganz in den Hintergrund drängen, oder wenigstens unsere Obstpreise einer stark rückgängigen Bewegung aussetzen, so daß dann von einem Verdienst keine Rede mehr sein kann. Nun zu dem jetzt gesteigerten Verbrauch! Deutsches Obst ist Gemeingut jeden deutschen Haushalts. Der durch den Krieg gesteigerte, aber vielleicht nur vorübergehend einseitig zur Marmeladebereitung vergrößerte Bedarf wird auch nach dem Kriege mehr oder weniger in sich selbst verschiebbaren Ab wechslungen unterliegen. Der gesundheitlich jetzt erst recht erkannte Wert des Obstes dürfte später viel mehr zur Abwechs lung in der deutschen Küche und auf der Tafel erscheinen als früher, und nicht nur wie vor dem Kriege im Kreise der höheren Gesellschaftsschichten, sondern herab bis zum Haushalt des einfachsten Arbeiters. Und dies macht den Unterschied gegen früher. Der Bedarf an Obst für den täglichen Bedarf im Haus halt würde in diesem Jahre ein vielfach größerer sein, wenn der Zucker nicht so knapp zugeteilt wäre. Wer dachte früher an das Trocknen des Fallobstes? Haufenweise wurde es in den Landwirtschaften an das Vieh verfüttert oder es blieb unter den Bäumen liegen, der Vernich tung durch Zertreten oder Aufnehmen durch das Vieh preis gegeben. Es aufzulesen und dem nächsten Markt zuzuführen, etwa für 1,50—2,00 M. den Zentner, fiel niemand ein. Heute ist trotz dem unendlichen Mangel an Arbeitskräften Wandel geschaffen, denn Schulkinder nützen ihre Mußezeit zum Sammeln von Früchten aus. Direktor G r o b b e n tritt warm für vermehrte Anpflan zung von Obst, besonders recht reich tragender Wirtschafts- Nr. 45 Sorten ein. Im letzten Jahrzehnt sind viele Millionen Obstbäume in allen Provinzen und Bundesstaaten angepflanzt, deren Zahl außerordentlich während der Kriegszeit zunimmt. Das ist eine Anregung für den Erwerbsgärtner, auch in seinem Garten, und wenn es auch nur ein Pachtgarten ist, einige Plätzchen an den Grenzen, an der Kompoststelle, im Hof, ganz besonders am Haus, an Mauern, Zäunen, frei zu legen, um Bäume anzupflanzen, sofern er nicht im' freien Ge lände bevorzugte Stellen hierfür verwenden kann. Wacht auf, Saumselige! Viele haben ihre Obstbäume herausgehauen, weil sie nicht einträglich waren. Warum waren sie nicht einträglich? Weil es ungeeignete Sor ten oder alte Bäume waren, die, schlecht gepflegt, ohne Zufuhr von Dünger natürlich nichts bringen konnten. Dies verleidete ihnen die Liebe zum Obstbau. Da bringt Gemüse mehr. Schnitt blumen und Topfpflanzen brauchten Licht und Sonne. Heute noch soll man mit solchen ertraglosen Bäumen aufräumen und gesunde Bäume umveredeln, sowie neue pflanzen! Lieber heute als morgen! Man vergißt es zu leicht. Esisteinevater- ländische Pflicht! Wer schnell und zeitig abernten will, wähle z. B. die Wirtschaftsäpfel Lord Crosvenor und Lord Suffield, die gute Ernten bringen. Auch Williams’ Christbirne ist ein Massen träger. Diese Sorten sind Anfang September abgeerntet. Ich gehe nicht auf Sortenkunde ein, aber dem Obstfreund, wie auch dem weniger für Obstbau Eingenommenen machen solche Bei spiele Lust, er wird sich schnell für die Kultur erwärmen, sofern er recht bald Erfolge sieht. Die Hauptfrage für die Zukunft bleibt die denkbar zweckmäßigste Einrichtung des Obsthandels. Schon jetzt fängt der Großgrundbesitz, wenn auch noch äußerst zaghaft, an, einzusehen, daß Obstbau mehr bringt als manche andere Kulturen, und hier und da werden Flächen größerer Ausdehnung mit Obst bepflanzt. Auch die Bepflan zung der Feldwege nimmt erheblich zu. Und die Millionen neu angelegter Schrebergärten! Dies alles wird unsern Obst ertrag, unsere Erntemengen in ungeahnter Weise steigern. Wird hierfür Absatz sein? Schon vor Jahren warnte man vor allzu reicher Förderung der Obstanpflanzung. Doch Obst ersetzt zum Teil Brot, Kartoffeln, Butter, wenn auch nicht immer im Nah rungswert. Der Obsthandel, die Vermittlung von Angebot und Nachfrage, wie ihn in bescheidenem Rahmen vor einigen Jahren z. B. auch die Landwirtschaftskammer von Schlesien eingerichtet hat, muß planmäßig gestaltet werden. Der Krieg hat das Organisationswesen in allen Stadien durchkosten lassen. Vorteile und Mängel sind zum Teil er kannt. Die bessernde Hand haben die Friedenseinrichtungen anzulegen. Jetzt haben der Staat und die verschiedenen G. m. b. H. das Organisationswesen in Beschlag genommen. Zweifellos wird aber ein Teil der geschaffenen Einrichtungen, wie z. B. die Reichsstelle für Gemüse und Obst, in die Friedens zeit mit hinübergenommen und bleibt weiter bestehen. Hier ist eine Arbeit für die Ausschüsse für Obst- und Gartenbau an den Landwirtschaftskammern in den einzelnen Provinzen gegeben, dessen sie sich mit Ernst und Eifer anneh men sollten. Jede Provinz hätte dann an ihrer Hauptstelle die Vermittlungsstelle, wo alle Angebote und Nachfragen einlaufen. Eine Anzahl Geschäftsvermittler für Ein- und Verkauf von Obst, die auch für die Güte der verhandelten Ware einzustehen haben, sind über die Provinz zu verteilen, und zwar gegen feste Gebühren. Für Gemüse sind die Vorteile dieser neuen Einrichtung während des Krieges schon jetzt unverkennbar, und man sieht Hunderte Waggons des Überflusses nach Gegenden des Mangels dahinwandern. Dieses System bedarf nur der Erweiterung. Ein Netz von Vertrauensleuten über jede Provinz wird einen ungeahnt schnellen Ausgleich der Produkte schaffen. Auch wird es leicht sein, schon rechtzeitig zu übersehen, wo Miß- Handelsblatt für den deutschen Gartenbau usw.