Volltext Seite (XML)
Nr. 64 Mitteilungen des Handelsblattes für den deutschen Gartenbau usw.255 dabei möglichst billig zu leisten. Gut geleistet sind die Auf gaben der Berufsgenossenschaft dann, wenn sie zuverlässig und schnell arbeitet. Vor allen Dingen, wenn die Verletzten ihre Entschädigungen möglichst rasch bekommen, so daß sie keiner lei Not zu leiden haben. Wie die Verwaltung möglichst billig einzurichten ist, das ist Sache des Vorstandes der Berufs genoss en- schaft und der Genossenschaftsversammlung. Der Vorstand haftet für eine gute Geschäftsführung im obigen Sinne, wie ein Vormund seinem Mündel. Dr. G. □ □ □ Erwiderung an Herrn Karl Topf in Erfurt. D er Handelsgärtner Karl Topf in Erfurt hat wiederholt in Möllers deutscher Gärtner-Zeitung, zuletzt in der Num mer vom 16. September d. Js., die Gärtnerei-Berufsgenossen schaft wegen der Behandlung einer in Erfurt spielenden Unfall sache angegriffen und darin insbesondere der Berufsgenossen schaft den Vorwurf gemacht, daß sie „über den Kopf des be handelnden Arztes hinweg nur das Urteil des Kreisphysikus für sich bindend betrachtet“ und daß die Berufsgenossenschaft dem Verletzten sein Recht vorenthalten habe durch einseitige Anführung von Genossenschaftsbestimmungen. Herr Topf' behauptet ferner, daß seine Beleuchtung der Angelegenheit in der deutschen Gärtnerzeitung veranlaßt habe, daß der betref fende Verletzte in einer Heilanstalt bezüglich seines Unfall zustandes beobachtet worden wäre und danach die vorher von der Berufsgenossenschaft auf 10 % „herabgedrückte“ 25% Rente weiterbeziehe. Genannter fährt dann wörtlich weiter fort: „Der deutsche Gärtner in seiner Schwerfälligkeit ist hier nun durch die Öffentlichkeit zu seinem Rechte gekommen, hätte aber 50 % seiner Rente erhalten können, wenn er dazu mal nicht teilnahmslos die Herabsetzung über sich ergehen ließe, ohne daß er den geringsten Einspruch dagegen erhoben hätte.“ Was Herr Topf mit diesem letzten Satz meint, ist nicht klar. Wenn wir ihn recht verstehen, so will er zum Ausdruck bringen, daß der Verletzte von vornherein anstatt 25 % 50 % Rente hätte bekommen können, wenn er gegen die 25 % ige Rente Einspruch erhoben hätte. Der Sachverhalt ist folgender: Ein Erfurter Handelsgärtner hatte das Unglück, im Sommer 1914 in seinem Betriebe von einem Blitzschlag ge troffen zu werden. Er erlitt hierdurch eine Rippenquetschung (durch Fall) und eine Lähmung des rechten Armes. Die Be rufsgenossenschaft zog von dem behandelnden Arzt, Dr. Kal- 1 i n o w s k y in Erfurt, ein Gutachten bei, nach dem der Ver letzte am 1. November 1914 noch vollständig erwerbsunfähig war. Es handelte sich nach dem ärztlichen Gutachten um die Lähmung des rechten Armes, der nur bis zur wagerechten Höhe erhoben werden konnte und dem die Kraft fehlte. Der Ver letzte wurde durch den betreffenden Arzt mit galvanischen Strömen erfolgreich behandelt. Zur Festsetzung der Rente nach abgeschlossenem Heil verfahren ließ die Berufsgenossenschaft den Verletzten durch den Kgl. Kreisarzt, Geh. Medizinalrat Dr. Heydloff in Erfurt, untersuchen, der folgendes Gutachten abgab: Erfurt, den 19. November 1914. Auf das Schreiben vom 10. d. Mts. erwidere ich ergebenst, daß ich bei dem p. R. folgendes gefunden habe: Die Muskulatur beider Schultern ist gleichmäßig und gut entwickelt. Der Umfang jedes ausgestreckten Oberarmes mitten über dem zwei köpfigen Muskel gemessen beträgt 25,5 cm. Der größte Umfang des Unterarmes bei rechtwinkliger Beugung rechts 27,3 cm, links 27 cm. Der rechte Oberarm kann mit mäßiger Anstrengung ebenso voll erhoben werden, wie der linke, seine Drehung ist nicht beschränkt. R. kann nach dem Hinterkopfe und nach dem Rücken mit der rechten Hand fassen. Im rechten Schultergelenk kein Reiben. Der rechte Unterarm, die rechte Hand und ihre Finger sind regelmäßig beweglich. Der Druck der rechten Hand ist ebenso kräftig wie links. Hiernach ist der Befund ganz günstig. Es mag sein, daß R. mit dem rechten Arm noch nicht die volle Kraft und Ausdauer entfalten kann und daß R. deshalb in der Ausführung schwerer Arbeiten behindert ist. Ich kann aber die hierdurch hervorgerufene Einbuße an Arbeits fähigkeit nicht höher als 25 % schätzen. Eine fernere ärztliche Behand lung halte ich nicht mehr für notwendig. Am besten wird es sein, wenn R. in seiner Berufsarbeit den rechten Arm täglich übt und so im Laufe der Zeit es zur vollen Kraft bringt. Neue Untersuchung ist nach drei Monaten zu empfehlen. gez. Dr. Heydloff. Auf Grund der Gutachten des Dr. Kallinowsky und des Dr. Heydloff bewilligte danach die Berufsgenossen schaft dem Verletzten folgende Renten: Vom 15. 9. 1914 (dem Beginn der 1 4. Woche nach dem Unfall) bis 1 6. Dezem ber 1914 (dem Tage des Wegfalls des Krankengeldes) die Vollrente mit 55 M. monatlich, vom 17. Dezember 1914 ab bis auf weiteres laufend eine Rente von 25 % = 13,75 M. monatlich. Der Rentenberechnung lag ein Jahresarbeitsverdienst von 990 M. zugrunde. Der über diese Rentenfestsetzung dem Verletzten erteilte Bescheid wurde von dem Verletzten nicht angefochten und damit rechtskräftig. Im September 1915 ließ die Berufsgenossenschaft den Verletzten durch den Geheimrat Dr. Heydloff nach untersuchen, der am 18. September 1915 folgenden Befund feststellte: Der Umfang des ausgestreckten Oberarmes mitten über dem zwei köpfigen Muskel gemessen beträgt rechts 26 cm, links 26,5 cm. Der größte Umfang des Unterarmes bei rechtwinkliger Beugung rechts 26,5 cm, links 26,8 cm. Der rechte Oberarm ist in den gewöhnlichen Grenzen leicht und schmerzlos beweglich, ebenso rechter Unterarm, rechte Hand und ihre Finger. Beide Hände zeigen gleiche Arbeitsspuren. Hiernach ist insofern Besserung eingetreten, als jetzt der rechte Arm frei beweglich ist. Die Muskulatur des rechten Armes ist nur in geringem Grad schwächer als links. Dr. Heydloff schätzte nach vorliegendem Befunde die Erwerbsminderung auf 10 %, hielt eine weitere Behand lung nicht für nötig und schlug vor, eine neue Nachuntersuchung nach einem Jahre vorzunehmen. Die Berufsgenossenschaft setzte darauf die 25 %ige Rente ab 1. November 1915 auf 10 % herab = 5,50 M. monat lich und erteilte hierüber dem Verletzten einen einspruchsfähigen Bescheid, unter Bekanntgabe des letztgenannten Gutachtens. Der Verletzte erhob gegen diese Rentenherabsetzung Einspruch vor dem Versicherungsamt Erfurt. Im Termin vor dem Ver sicherungsamt gab der Verletzte an, daß bei ihm noch eine allgemeine Nervenschwäche bestehe, daß er nur leichte Arbeiten verrichten und den rechten Arm nicht so recht heben könne; er beantrage nochmals Untersuchung durch einen Nervenarzt, da sein ganzes Nervensystem durch den Blitzschlag gelitten habe und nicht nur der Arm. Die Auswahl des Nervenarztes über lasse er der Berufsgenossenschaft. Nach diesem Protokoll hat die Berufsgenossenschaft frei willig sofort den Verletzten seinem Wunsche entsprechend in der Unfallnervenheilanstalt Bergmannswohl in Schkeuditz vom 17. bis 23. Mai 1916 beobachten und untersuchen lassen. Das Gutachten ist sehr lang und eingehend und kann daher hier vollständig nicht veröffentlicht werden. Es sei aus dem Befunde nur folgendes hervorgehoben: Der Verletzte ist ein kräftig gebauter Mann mit gut entwickelter Muskulatur, die Gesichtsfarbe ist gesund. Das Gewicht beträgt 5 7,4 Kilo. Der Schädel ist nirgends klopfempfindlich. Die Austrittsstellen der Kopf nerven sind nicht druckempfindlich. Die Pupillen reagieren gut auf Lichteinfall. Die Gesichtsbewegungen erfolgen gleichmäßig. Augen bewegung, Gesichtsfelder, Farbensinn, Augenhintergrund, Gehör, Ge schmack und Geruch sind normal. Der Kopf und die Wirbelsäule sind gut und ausgiebig zu bewegen; Lungen, Herz und Unterleibsorgane sind normal, der Puls ist regelmäßig. Arme und Beine werden in allen Ge ¬ lenken ausgiebig und mit guter Kraft bewegt. Der Gang zeigt keine Besonderheiten. Bei Fußaugenschluß kein Schwanken. Empfindungs störungen bestehen nirgends. Die mechanische Muskelerregbarkeit ist nicht gesteigert. Die Schriftprobe zeigt keine Besonderheiten. Intelligenz- und Sprachstörungen sind nicht nachzuweisen. Die gespreizten Finger der ausgestreckten Hand zittern nicht. Dagegen war festzustellen, daß die Zunge eine Spur nach links abweicht und leicht zittert, daß der rechte Oberarm in der Mitte angeb lich druckempfindlich war und daß die Kniescheibenreflexe lebhaft waren. Auch klagte der Verletzte über allgemeine Mattigkeit und Kraft losigkeit, alle Bewegungen erfolgten auffallend langsam, der Schlaf war etwas unruhig. Irgendeine Übertreibung war bei dem Verletzten nicht zu beobachten. Den Grad der durch die Unfallfolgen bedingten Er werbsbeschränkung schätzte die Anstalt nach wie vor auf 25 %.