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476 Handelsblatt für den deutschen Gartenbau usw. Nr. 40 dings wird ja der Krieg in Belgien ohnehin schon mit den Palmenbeständen stark aufgeräumt haben, und die Anzucht wird, da die Einfuhr von Samen ausgeschlossen erscheint, wohl auf ein Mindestmaß herabgedrückt sein. Nur sollte der deutsche Handelsgärtner, der noch Interesse für selbstkultivierte Pflan zen besitzt, sich doch einmal die Frage vorlegen, ob es denn wirklich keine Palmen gibt, die er vielleicht aus selbstgeerntetem Samen zu verkaufsfertiger Ware heranziehen kann. Natürlich müßte es sich dabei um Arten handeln, die in der Kultur leicht, einen gefälligen wie schnellen Wuchs mit Haltbarkeit als Zimmer- und Dekorationspalme verbinden. Die Antwort kann nur lauten: Gewiß, wir haben eine Palmengattung, deren Arten in unseren Gewächshäusern schon als junge Pflanzen blühen, fruchten und Samen bringen, die leicht heranziehbar sind, schnell wachsen und sich durch zierlichen Wuchs und Widerstands fähigkeit auszeichnen. Eine solche Palmengattung besitzen wir in Chamae- d o r e a , zu deutsch Bergpalme genannt. Sie genügt den geäußerten Ansprüchen in jeder Beziehung, aber wunderbarer weise trifft man in Handelsgärtnereien kaum eine an. Und doch sind sie es in höchstem Maße wert, etwas mehr Beachtung zu finden. Gewinnt man doch schon im zweiten Jahre von der Aussaat an verwendungsfähige Pflanzen, ein Vorteil, wie er bei keiner der anderen Palmengattungen mehr zu finden ist. In den Gewächshäusern der alten Stadtgärtnerei im Hum- boldthain zu Berlin fanden wir Chamaedoreen in großer An zahl vor, und Stadtgartendirektor Brodersen bezeichnete sie uns als beste, schnellwachsende Palmen, deren Anzucht ihm ganz besonders am Herzen liege, da sie für Dekorationszwecke unschätzbar seien. Vor allem aber hob er hervor, daß wir eben durch die leichte Blühbarkeit in jungen Jahren in den Stand gesetzt sind, selbst Samen zu ernten. Im Humboldthain werden jährlich einige Tausend dieser gefälligen Palmen heran gezogen. Allerdings, wollen wir hier gleich anführen, müssen die Pflanzen künstlich befruchtet werden, denn sie sind, wie übrigens ja die meisten Palmen, eingeschlechtig, d. h. männ liche wie weibliche Individuen sind getrennt. Das hat aber auch mit den Vorteil, daß wir leicht Kreuzungen zwischen verschiedenen Arten vornehmen können, so daß wir es in der Hand haben, durch entsprechende Auswahl der Eltern beson ders wüchsige, in der Belaubung auffällige und durch Wider standsfähigkeit ausgezeichnete Sorten zu erhalten. In der Tat gibt es eine große Anzahl solcher Kreuzungen. In Deutsch land haben sich unseres Wissens Garteninspektor Löbner in Dresden und Hofgärtner J a n k e in Berlin auf diesem Gebiete erfolgreich betätigt. Man kennt etwa 60 Chamaedorea-Arten, die in Mexiko und Mittelamerika beheimatet sind, wo sie im Schatten von Urwaldbäumen, Unterholz bildend, auftreten. Dieses Vor kommen, verbunden mit einer damit in Zusammenhang stehenden Widerstandskraft gegen vorübergehende Temperaturschwan kungen und sonstige Witterungseinflüsse, bringt es mit sich, daß man einige Arten auch bei uns im Sommer zur Bildung sub tropischer Gruppen im Freien in schattiger Lage verwenden kann. Auch bei der Kultur im Gewächshaus verlangen diese Palmen einen mehr schattigen Standort, namentlich sind die jungen Wedel gegenüber der unmittelbaren Wirkung des Sonnenlichtes empfindlich. In den Wohnräumen halten sie sich recht gut und gehören sicherlich zu den besten Zimmer palmen; natürlich wollen auch sie entsprechend behandelt sein. Das verlangen aber andere Zimmerpflanzen auch, wenn sie ge deihen sollen. Vor allem muß auf Sauberhaltung der Wedel gesehen werden, d. h. dieselben müssen öfter von dem auf ihnen haftenden Staub gründlich gereinigt werden. Auch ist ihnen ein tägliches feines Bespritzen sehr dienlich. Wem sie mit ihren dünnen Stämmen einen zu mageren Eindruck machen, der nehme Töpfe, wo mehrere Exemplare darin stehen, oder wähle solche Arten, die von Natur aus einen mehr buschigen Wuchs ent wickeln und sogenannte Tuffs bilden, wie z. B. Ch. Karrvins- kiana und Martiana; ebenso die zierlichen Ch. geonomiformis und graminifolia machen einen besseren, volleren Eindruck, wenn sie zu 2 bis 3 in einen Topf gepflanzt werden. Es ist eine Eigentümlichkeit so ziemlich aller Arten dieser Gattung, daß sie niemals eine solche Fülle von Wedeln aufweisen wie andere Palmen, sie haben vielmehr die Eigentümlichkeit, ge wöhnlich das älteste Blatt abzustoßen, sowie ein neues er scheint. An Kulturerde verlangen sie eine sandige Heide- und Lauberde, wobei erstere vorherrschend sein soll, als Kultur stätte kommt das Warmhaus in Betracht. Manche Arten, na mentlich die mexikanischen, kommen auch schon in einem tem perierten Raum ganz gut fort. Im übrigen verlangen sie, wie alle Palmen, eine gewisse Luftfeuchtigkeit. Die Chamaedoreen besitzen dünne, rohrähnliche, geringelte und mitunter Ausläufer bildende Stämme, die eine Krone fiedriger, selten einfacher Blätter tragen und nur eine mäßige Höhe erreichen. Durch den Abstand der Krone von der Erde und den kahlen Stamm mag ja diese Palme in den Augen mancher Handelsgärtner nicht ganz voll- und handelswertig er scheinen, doch hat dieser kleine Fehler wieder den Vorteil, daß man unter ihnen noch recht gut andere Pflanzen aufstellen kann, was bei eine dichtere Laubkrone bildenden, namentlich bei den sog. Fächerpalmen, gewöhnlich nicht möglich ist, ein Umstand, der namentlich bei Dekorationen ausgenutzt werden kann. Auffallend sind auch die Blütenstände, die schon in jungen Jahren erscheinen und in ihren lebhaften weißen, schar lach- und orangeroten sowie gelben Farben den Schönheitswert der Pflanze erheblich verstärken. Die eingeschlechtigen Blüten stehen in Kolben, die unterhalb der Blattkrone hervorbrechen und von längerer Dauer sind. Die Frucht ist gewöhnlich eine Beere von oft schön gelber oder roter Farbe, die längere Zeit zur Reife braucht. Man legt die Samen zu 2—3 in Töpfe, bringt diese auf einen halbwarmen Kasten, wo sie etwa in 8—10 Wochen keimen. Neben der Aussaat, die allerdings stets die gebräuch lichste Vermehrungsart bleiben wird, kann man auch ältere Pflanzen durch Absenken der Krone vermehren oder, besser gesagt, verjüngen, wie wir das ja auch bei Aralien, Dracaenen, Ficus, Pandanus und anderen Pflanzen machen, indem wir den Stamm unterhalb der Krone mit Moos umwickeln, das stets feucht gehalten werden muß. Die ganze Pflanze muß dabei etwas wärmer und in einer mehr gespannten Luft gehalten werden. Es dauert natürlich mehrere Monate, ehe die Be- wurzlung soweit vorgeschritten ist, daß man den Kopf vom Stamm trennen und als selbständige Pflanze weiterbehandeln kann. Man wird zu dieser Art Vermehrung nur greifen, wenn es gilt, besonders schöne, seltene Exemplare zu erhalten oder wenn es sich um Arten handelt, von denen man keinen Samen gewinnen kann. Als beste Arten mit gefiederten Blättern mögen genannt sein: Ch. concolor, elaiior, elegans, graminifolia, Karwinsl(iana, oblongaia, pulchella, Sartorii und Wendlandii. Von niedri gerem Wüchse sind außer der oben schon genannten Ch. geono- miformis noch Martiana, microph^lla und tenella. Eigenartig ist Ch. Ernesti Augusti mit dunkelgrünen, nur an der Spitze zer teilten Blättern; außerdem besitzt diese Art auffallende orange scharlachfarbene Blütenkolben, die sich zwischen dem dunklen Laube leuchtend abheben. Merkwürdige Erscheinungen sind die kletternden Arten, die natürlich weniger für die Zimmerkultur geeignet sind, obgleich sie zeitweise, etwa bei besonderen An lässen, sich auch verwenden lassen. Eine der bekanntesten aus dieser Klasse ist Ch. desmoncoides mit hängenden, rückwärts gerichteten Fiederwedeln, die man auch als Trauer- oder Hänge palme bezeichnen könnte. Von Chamaedorea-Blendlingen, bei denen sich übrigens stets mehr die Eigenschaften der Vaterpflanze geltend machen, sind als wüchsig und schön belaubt vor allem zu empfehlen Ch. corallina X elatior, elegans X concolor und concolor X Ernesti Augusti. E- □ □ □